Österreich: Sebastian Kurz (ÖVP) zieht die Fäden im Vorfeld der Nationalratswahl
Die österreichische Bundespräsidentenwahl lässt sich rückblickend als eine Folge von überraschenden Wendungen beschreiben, die ein weltweites Echo hervorriefen: Ausschaltung der Volksparteien, reelle Siegchancen für den Rechtspopulismus, Annullierung des Zweiten Wahlgangs. Seitdem rückt eine neue Figur ins Zentrum des politischen Systems der Alpenrepublik.
Im Land der Großen Koalition – SPÖ und ÖVP teilen sich seit mehr als 10 Jahren die Macht – ist die Regierung seit mehr als einem Jahr fragil. Im Laufe eines unendlich anmutenden Präsidentschaftswahlkampfes von April bis Dezember 2016 sah das Land Norbert Hofer (FPÖ, rechtspopulistisch) bereits an den Toren der Hofburg, bevor sich Alexander van der Bellen (Grüne, unabhängig) in einer Stichwahl, die die Aufmerksamkeit der internationalen Presse auf sich zog, doch knapp durchsetzte.
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Der damalige sozialdemokratische Kanzler, Werner Faymann (SPÖ), beugte sich den Resultaten des ersten Wahlgangs und reichte kurz nach dem Ausscheiden der Präsidentschaftskandidaten beider Großkoalitionäre seinen Rücktritt ein. Weniger als ein Jahr später gibt am 10. Mai 2017 auch der konservativen Vizekanzler, Reinhold Mitterlehner (ÖVP), auf. Angesichts einer Neuvermessung der politischen Landschaft zwischen Donau und Bodensee macht die Große Koalition einen zunehmend fragilen Eindruck: Während Sozialdemokraten und Volkspartei zunehmend außer Atem wirken, befindet sich der Rechtspopulismus auf dem Vormarsch.
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Als Konsequenz ergriff der überaus populäre Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) die Initiative. Oft als „Wunderkind“ bezeichnet, wird dieser junge Politiker, der mit 24 Jahren sein Jurastudium an den Nagel hängte, um sich ganz ins politische Leben zu stürzen, als Verkörperung der Kritik Osteuropas an Merkels Migrationspolitik während der Flüchtlingskrise betrachtet. Seit seiner Designation zum neuen Parteivorsitzenden der ÖVP am 14. Mai arbeitet Kurz daran, seine Taktik zur Eroberung der Macht zu verfeinern und verhandelt mit den österreichischen Parlamentsfraktionen Neuwahlen für den 15. Oktober. Indem er Teil der Regierung bleibt, kann er gleichzeitig von seiner Beliebtheit als Außenminister profitieren und den Wahlkampf, der einiges an Intensität verspricht, vorbereiten.
Dem jungen Minister, der eine Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen FPÖ nicht ausschließt, darf die Absicht unterstellt werden, die Große Koalition zu beenden und der Amtszeit von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), seit einem Jahr im Amt, ein frühes Ende zu setzen. Am 1. Juli mit einer überwältigenden Mehrheit zum Parteichef der ÖVP gewählt, darf er mit seiner eigenen Liste „Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“ zur Nationalratswahl antreten.
Malta: Wahlsieg für den sozialdemokratischen Premierminister Joseph Muscat
Während Malta den halbjährlich rotierenden EU-Ratsvorsitz innehatte, kündigte der Premierminister Joseph Muscat vorgezogene Neuwahlen an, die er komfortabel gewann. Ein kleines Aperçu über die Politik des kleinsten EU-Mitgliedsstaates.
Vor dem Hintergrund verschiedener Affären, darunter ein mit den Panama-Papers in Zusammenhang stehender Korruptionsverdacht in seinem persönlichen Umfeld, hat Premierminister Joseph Muscat Anfang Mai 2017 beschlossen, um mehr als ein Jahr vorgezogene Neuwahlen auszurufen. Am 3. Juni 2017, nach kaum einem Monat Wahlkampf, bestätigten die maltesischen Wähler das sozialdemokratische Labour mit 55% der Stimmen in der Regierung.
Für die maltesische Sozialdemokratie handelt es sich um eine Premiere: Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit des Landes 1964 gelingt es dem maltesischen Labour, eine Regierungsmehrheit zu verteidigen. Traditionell ist die Wahlbeteiligung in Malta sehr hoch: 92,1% der Wähler haben sich zu den Urnen begeben, was das große politische Interesse Maltas bestätigt. Das Land hat somit die weltweit höchste Wahlbeteiligung aller Demokratien, in denen keine Wahlpflicht existiert – zweiter Platz nach Australien, wo die Stimmabgabe verpflichtend ist.
Der EU-Ratsvorsitz Maltas bis zum 30. Juni verschaffte den Wahlen auf der Mittelmeerinsel eine gewisse Aufmerksamkeit in der europäischen Öffentlichkeit. Der 43-jährige Premierminister Joseph Muscat wurde somit am 7. Juni wiedergewählt und kann sein Projekt „des maltesischen Wirtschaftswunders“ weiterverfolgen.
Vereinigtes Königsreich: Theresa May auf der Anklagebank
Mit dem Resultat der Wahl vom 8. Juni musste Theresa May eine ernste Niederlage einstecken. Der Verlust der absoluten Mehrheit, obwohl sie den Brexit aus einer starken Position verhandeln wollte, könnte sich für sie als fatal erweisen.
Nach einem gescheiterten Wahlkampf, der sich vor dem Hintergrund der Brexit-Verhandlungen und der tödlichen Terroranschläge abspielte, haben die Tories (konservativ) ihre absolute Mehrheit im House of Commons verloren und müssen nun mit den konservativen nordirischen Unionisten des DUP zusammenarbeiten. Um an der Macht zu bleiben, ist Theresa May also gezwungen, sich einen Koalitionspartner suchen, was ihr finanziell und politisch sehr teuer kommen wird. Der Koalitionsvertrag sieht namentlich geldwerte Vorteile von einer Milliarde Pfund für die Provinz Nordirland vor. Die Labour-Opposition und die schottischen Autonomisten kritisierten den Koalitionsvertrag bereits lebhaft, da er eine ungerechte Bevorteilung Nordirlands enthalte.
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In Nordirland stehen die Zeichen auf eine Einmischung der nationalen Regierung in die lokale Politik. Zwei Parteien, die Unionisten des DUP (für eine Annäherung an Großbritannien) und die Nationalisten des Sinn Féin (für eine Wiedervereinigung Irlands), teilen sich normalerweise die Macht und regieren die Provinz des Vereinigten Königsreichs zusammen. Seit März und dem Rücktritt des Vize-Premierministers herrscht eine Eiszeit zwischen den beiden Parteien, die das Risiko entstehen lässt, dass London sich wieder auf seine Vorrechte besinnt. Ähnlich wie in Nordirland ist die Brexit-Entscheidung auch in Schottland kaum zu vermitteln. Die Gefahr eines neuen schottischen Unabhängigkeitsreferendums lastet schwer auf den Beziehungen zum Rest Großbritanniens.
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Das Vereinigte Königsreich mit gewöhnlich stabilen Regierungsmehrheiten leidet unter einer politischen Krise, die vor mehr als einem Jahr nach dem überraschenden Erfolg der Brexit-Kampagne anfing und deren Ende heute kaum abzusehen ist. Bislang hält Theresa May stand. Aber wie lange noch? Während die Rücktrittsforderungen sich häufen, auch im konservativen Lager, hat das House of Commons mit einer knappen Mehrheit am 30. Juni der Vertrauensfrage zugestimmt.
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Deutschland | 12. Februar | Präsidentschaftswahl: Die Bundesversammlung wählte den neuen Bundespräsidenten, Frank-Walter Steinmeier |
Nordirland | 2. März | Wahlen zum Regionalparlament: Irische Nationalisten und britische Unionisten scheitern an der Regierungsbildung |
Ungarn | 13. März | Präsidentschaftswahl: Die Nationalversammlung wählt Janos Ader (unabhängig, unterstützt von Viktor Orban) auf den Posten des Staatsobershaupts |
Niederlande | 15. März | Parlamentswahl: Wilders scheitert bei der Machtübernahme, Mark Rutte kann eine neue proeuropäische Regierung bilden |
Bulgarien | 26. März | Parlamentswahl: Boiko Borissov und Christdemokraten wieder stärkste Kraft |
Frankreich | 30. April und 7. Mai | Präsidentschaftswahl: Emmanuel Macron implodiert das politische Parteiensystem und wird Präsident der Republik |
Malta | 3. Juni | Parlamentswahl: Joseph Muscat gewinnt Parlamentsneuwahlen |
Vereinigtes Königreich | 8. Juni | Parlamentswahl: Theresa May verliert die absolute Mehrheit |
Frankreich | 11. und 18. Juni | Parlamentswahl: Rekordwahlenthaltung und Mehrheit für Macron |
Anstehend:
Frankreich | 24. September | Senatoren: Die Hälfte des Senats wird neu besetzt |
Deutschland | 24. September | Bundestagswahlen zur Neubesetzung des Bundestages. Angela Merkel und Martin Schulz konkurrierten um den Posten des Bundeskanzlers |
Österreich | 5. Oktober | Parlamentswahl: Neuwahl des Nationalrats (gleichbedeutend mit dem Bundestag) |
Tschechien | 20. Oktober | Parlamentswahl: Populismus gewinnt immer noch Boden in der Person von Andrej Babis, als die tschechischen Berlusconi |
Slovenien | Dezember | Präsidentschaftswahl |
Und für 2018:
Tschechische Republik | Januar 2018 | Präsidentschaftswahl |
Finnland | 28. Januar und 11. Februar 2018 | Präsidentschaftswahl |
Zypern | Februar 2018 | Präsidentschaftswahl |
Italien | vor Mai 2018 | Parlamentswahlen |
Luxemburg | Juni 2018 | Parlamentswahlen |
Nordzypern | Juli 2018 | regionale Parlamentswahlen |
Schweden | 9. September 2018 | Parlamentswahlen |
Irland | Oktober 2018 | Präsidentschaftswahl |
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