Mit nur 45 Jahren hat Giorgia Meloni gerade das erreicht, wovon andere Politiker in Europa geträumt haben: „die Vereinigung der Rechten“. An der Spitze der Fratelli d’Italia hat die potenzielle zukünftige Ministerpräsidentin die verschiedenen Strömungen der italienischen Rechten in einem Wahlbündnis vereint. Dabei sind die Fratelli d’Italia selbst eine Partei, die 1946 von Mussolini-Anhängern gegründet wurde, von denen sich Meloni nie distanziert hat und sich sogar als deren Bewunderin bezeichnet.
Eine neue Koalition aus Rechten und Rechtsextremen
Seit Beginn der Kampagne zögerte sie nicht, für Polemik zu sorgen, indem sie um jeden Preis die „natürliche Familie“ verteidigte und die „LGBT-Lobby“ geißelte, mit dem Ziel, eine starke ultrakonservative Union zu schaffen. Das Bündnis wurde frühzeitig geschlossen: Wenn die Parteien von Meloni, Salvini und Berlusconi genügend Stimmen erhielten, würde sie eine Regierungskoalition bilden und damit Mario Draghis Einheitsregierung ablösen. Zusammen mit der Lega und Forza Italia dürfte das Bündnis 43% der Sitze im italienischen Parlament erreicht haben.
„Die Wahl, die wir haben, ist, im Herzen Europas zu bleiben [...] oder aus Europa ausgeschlossen zu werden“, sagte Enrico Letta noch vor einer Woche. Mit 19% der Stimmen bewahrte Enrico Letta seine Demokratische Partei zwar vor einem Wahldebakel, muss sich aber dennoch eine Niederlage eingestehen: Die italienischen Wahlen haben die Niederlage der Linken gegen eine beispiellose Koalition besiegelt.
Die wirtschaftliche und politische Instabilität Italiens
Italien ist nicht für seine politische Stabilität bekannt: Die Lebensdauer einer Regierung beträgt im Durchschnitt zwei Jahre, und die aktuelle politische Situation wird diesen Zustand wahrscheinlich nicht verbessern. Seit der ehemalige Premierminister Mario Draghi im Juli letzten Jahres die Mehrheit im Parlament verloren hat - und schließlich zurücktrat -, streiten sich die politischen Würdenträger*innen um seine Nachfolge. Dabei erreichte die Stimmenthaltung mit 36% einen neuen Rekordwert (gegenüber 26% bei den letzten Wahlen). Dies ist ein perfektes Beispiel für das wachsende Desinteresse der Italiener*innen an der Politik, die sich mehr um ihre Stromrechnung als um politische Streitereien sorgen.
Italien ist doppelt von der Energiekrise und der Inflation betroffen. Außerdem trägt es eine Schuldenlast, die sich auf 150% des BIP beläuft. Die Italiener*innen sind die ersten, die die Last dieser wirtschaftlich schwierigen Situation zu spüren bekommen, und nachdem die Koalitionen der linken Parteien (Demokratische Partei und Fünf-Sterne-Bewegung) gescheitert sind, scheint ihre letzte Hoffnung in einem Bündnis der Rechten und extremen Rechten zu liegen.
Eine zum Scheitern verurteilte Allianz?
Dennoch gibt es bereits Differenzen innerhalb der neuen Koalition, insbesondere zwischen Giorgia Meloni und Matteo Salvini. Zum Beispiel in Bezug auf den Krieg in der Ukraine. Während Meloni die Bedeutung der NATO unterstreicht, die russische Invasion in der Ukraine scharf verurteilt und die EU-Sanktionen unterstützt, würde der Lega-Chef diese gerne lockern und aus dem Nordatlantikvertrag aussteigen.
Auf nationaler Ebene bestehen weitere Meinungsverschiedenheiten, vor allem über die Antwort auf die Energiekrise. Matteo Salvini möchte ein Hilfspaket in Höhe von 30 Milliarden Euro auflegen, während Giorgia Meloni eher für Haushaltsdisziplin plädiert. Schließlich spaltet die Frage der Staatsorganisation Italiens die beiden Politiker*innen, wobei Meloni für eine zentralisierte Organisation eintritt, während ihr Koalitionspartner den italienischen Regionen mehr Kompetenzen geben möchte.
Meloni, die sich um das Ministerpräsidentenamt bewirbt, hat auch mit ihrem zweiten Verbündeten, dem sperrigen Silvio Berlusconi, Stoff für Meinungsverschiedenheiten. Der Europaabgeordnete hatte beispielsweise mit seiner Aussage, Wladimir Putin sei zum Einmarsch in die Ukraine „gedrängt“ worden, eine Kontroverse ausgelöst, bevor er zurückruderte. Die Regierung, die in den nächsten Wochen gebildet wird, muss wie ihre Vorgänger versuchen, die Herausforderung der Stabilität zu bewältigen.
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