Wem nützt die Empörung: Thesen über den richtigen Umgang mit Rechtspopulismus

, von  Mathis Gilsbach

Wem nützt die Empörung: Thesen über den richtigen Umgang mit Rechtspopulismus
Pixabay | Foto von StockSnap | Pixabay-License Demonstrationen gegen Trump Rhetorik und populistischen Regierungsstil

Trump, Bolsonaro, Salvini, Höcke, Orban: In den letzten Jahren haben nationalistische Populist*innen in vielen Ländern an Einfluss gewonnen. Sie inszenieren sich als die eigentlichen Vertreter*innen des Volkes gegen eine kaum definierte Elite. Sind sie jedoch an der Macht, zeigt sich oft, dass sie kaum Lösungen anzubieten haben. Dennoch hat der Populismus Erfolg - weltweit. Und es fällt der restlichen Politik und Gesellschaft oft schwer, eine Antwort darauf zu finden. Einige Handlungsvorschläge.

Bürgernah und demokratisch – die Selbstdarstellung rechtspopulistischer Parteien

Um Populismus und Rechtsextremismus entschieden entgegentreten zu können, muss man sich mit ihrer Gedankenwelt und ihrem Auftreten auseinandersetzen. Rechte Gruppen versuchen vermehrt Anschluss an die Mitte der Gesellschaft zu finden. Eine Strategie ist es, eindeutig fremdenfeindliche Begriffe durch harmloser klingende zu ersetzen. So beschreibt ein Bericht des Peace Research Institute Frankfurt (PRIF), wie die rechte Szene ihre Rhetorik anpasst. Statt „Ausländer raus“ zu fordern, wird der Begriff der „Remigration“ verwendet, der „völkische Nationalismus“ wird zum „Ethnopluralismus“ und „Ausländerfeindlicheit“ zur „Heimatliebe“.

Auch auf politischer Ebene versuchen rechtspopulistische Parteien sich bürgernah zu geben und zumindest rhetorisch von rechtsextremen und offen faschistischen Elementen abzugrenzen. Das passierte schon früh in Frankreich: Der damalige Front National distanzierte sich unter Marine LePen vom Antisemitismus ihres Gründers Jean Marie LePen und gab sich einen bürgerlichen Anstrich. Zuletzt wurde er in Rassemblement National umbenannt.

In Deutschland schließt die AfD hin und wieder Mitglieder aus, die zu extrem auftreten. Auch hat sie den rechtsnationalen Flügel von Björn Höcke aufgelöst, wenn auch ohne personelle Konsequenzen aus der Entscheidung zu ziehen.

Solange diese Änderungen rein kosmetischer Natur sind, sollten sich insbesondere konservative Parteien um eine klare Abgrenzung nach rechts bemühen. Dabei sollten sie mit anderen Parteien auf breiter Basis zusammenarbeiten und sich auf gemeinsame Grundwerte wie Demokratie und Menschenrechte berufen. Das betrifft insbesondere Konservative Parteien in Deutschland. Diese hatten lange den Grundsatz den rechten Rand des demokratischen Spektrums abzudecken, am deutlichsten formuliert in den Worten des früheren CSU-Vorsitzenden Strauß, dass es rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe. Dieses Selbstverständnis ist zwar eine klare Aufforderung zur Abgrenzung von der AfD birgt aber auch die Gefahr, diese mit rechter Politik übertrumpfen zu wollen.

Während man einerseits den Blick für rechte Rhetorik schärft, gilt es andererseits, auch die eigene Sprache zu betrachten. Man sollte keine entmenschlichende oder gewalttätige Sprache verwenden - auch nicht der politischen Opposition und Anti-Demokrat*innen gegenüber. Ein Merkmal der neuen Rechten ist die Verbreitung gewalttätiger Botschaften und Inhalte gegenüber bestimmten Gruppen, die nicht ihren Vorstellungen von Volk und Nation entsprechen. Diese Botschaften müssen klar verurteilt und zurückgewiesen, aber nicht mit Gewaltdrohungen gegen die Populist*innen selbst beantwortet werden. Damit begibt man sich auf das gleiche Niveau und bestärkt sie in ihrer vermeintlichen Opferrolle. Auch wird die Stimmung in der Gesellschaft auf diese Weise zunehmend aufgeheizt und es kommt immer mehr zu Polarisierung und Spaltung.

Und was ist mit den Linksextremen?

Für ein differenziertes Verständnis von Rechtsextremismus sowie anderer Formen von Extremismus ist es außerdem wichtig diese nicht pauschal gleichzusetzen: Sei es in Kommentarspalten, auf Twitter oder auch in Bundestagsreden, denn wenn rechtsextreme Gewalt verurteilt wird, geschieht das häufig unter Gleichsetzung mit linksextremer Gewalt. Selbstverständlich ist Gewalt aus jeder Richtung zu verurteilen. Eine pauschale Gleichsetzung der Enden des politischen Spektrums ist nicht zielführend. Das wird deutlich, wenn man sich anschaut, welche Gruppen als extrem wahrgenommen werden.

In Deutschland sind das, unter den großen Parteien, vor allem die AfD und die Linke sowie, in der Gesellschaft, unter anderem Nazis auf der einen und die Antifa auf der anderen Seite. Es ist schon absurd, den Begriff des Antifaschismus mit dem Faschismus gleichzusetzen. Noch klarer zeigte sich dies in Thüringen.

Anfang 2020, noch vor der Corona Krise wurde dort aus der Mitte des Parlaments ein neuer Ministerpräsident gewählt. Die beiden größten Parteien waren die AfD und die Linke was es extrem schwierig machte eine Koalition zu bilden und eine Mehrheit für einen Ministerpräsidenten, vor allem da die CDU und die liberale FDP eine Zusammenarbeit sowohl mit der AfD als auch mit der Linken ausschlossen. Dennoch war weithin erwartet worden, dass der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow von den Linken knapp wiedergewählt werden würde. Im dritten Wahlgang stellte sich der Vorsitzende der FDP überraschend auch zur Wahl, als Alternative zu den Kandidaten der AfD und der Linken. Nur, die AfD ließ ihren eigenen Kandidaten fallen und stimmte geschlossen für Thomas Kemmerich von der FDP. Dieser wurde mit den Stimmen der AfD Ministerpräsident und Zentrum einer landesweiten politischen Empörung über diesen ungeschickten Schulterschluss mit dem rechten Rand. Letztendlich führte dies zu seinem Rücktritt und einer erneuten Wahl, die Bodo Ramelow gewann.

Dieser regierte Thüringen auch schon davor und zeigte dabei keine diktatorischen Tendenzen. Da er aber Teil des linken Spektrums ist, wird er quasi mit Björn Höcke gleichgesetzt, der bislang seltener durch konstruktive und öfter durch extremistische Äußerungen aufgefallen ist. Autoritäre Strukturen und Extremismus kann zwar aus allen Ideologien hervorgehen. Das bedeutet aber nicht, dass die Enden des politischen Spektrums eines Landes gleichermaßen extrem oder gewaltbereit sind. Hier spricht auch die Kriminalstatistikzur Hasskriminalität eine deutliche Sprache. Dort sind 2018 7153 rechtsextrem motivierte Taten verzeichnet, jedoch nur 77 als linksextrem eingestufte Taten. Insofern ist eine pauschale Gleichsetzung der Extreme nicht hilfreich und verstellt den Blick für die Unterschiede.

Letztendlich geht es um eine differenzierte Betrachtung sozialer Kategorien, wie links(extrem) und rechts(extrem). In dieser Hinsicht sollte man auch Begriffe wie ‚Nazi‘ und ‚Faschist*in‘ nicht reflexartig verwenden. Wenn man Menschen, deren Position man nicht teilt, reflexartig als Faschist*innen oder Nazis bezeichnet, obwohl diese sich in Wort und Tat klar zur Demokratie bekennen, dann verwässert es den eigentlichen Begriff und verharmlost die reale Gefahr durch den Rechtspopulismus. Beispielsweise wurden nach der Thüringen Wahl landesweit FDP-Politiker*innen als Nazis gebrandmarkt. Zum Beispiel beschreibt der Vorsitzende der Jungen Liberalen Hamburg, dass er auf einmal, sowohl von bekennenden Nazis aufgrund seiner Herkunft beschimpft und von Linken aufgrund der Wahl als Nazi bezeichnet wurde. Solche unkritischen Anfeindungen sind für eine gemeinsame Arbeit für eine weltoffene Gesellschaft sicher nicht hilfreich.

Schwerpunkte setzen - Kommunikation und Öffentlichkeit

Rechtspopulist*innen sind sehr geschickt darin, Stimmung zu machen und zu polarisieren. Viele ihrer Aussagen zum Thema Flucht und Migration sind provozierend und fordern eine Reaktion. Allerdings bedeuten Reaktionen auch Aufmerksamkeit. Und wenn nur noch reagiert wird, nur noch über die Kernthemen der Rechten gesprochen wird, kann es passieren, das diese den öffentlichen Diskurs dominieren. Das bedeutet nicht rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen einfach zu ignorieren. Es ist wichtig dagegen zu halten, Falschmeldungen richtig zu stellen, Hetze konsequent zu verurteilen. Zugleich jedoch sollten andere Schwerpunkte gesetzt werden. Migration ist ein wichtiges Thema, aber die Klimakatastrophe oder auch Fragen der EU-Integration sind es ebenso.

Derzeit dominiert die Corona-Krise jegliche Berichterstattung und überlagert alle anderen Themen. Werden andere Schwerpunkte gesetzt, rücken die Populist*innen oft in den Hintergrund, da sie meist keine Lösungen anbieten können sondern nur polemisieren möchten. Eine kleine, aber bezeichnende Episode war ein Auftritt des AfD-Vorsitzenden Alexander Gaulands im Sommerinterview 2019 der ARD. Dabei wurde er konsequent über verschiedenste Themen, aber nicht zum Thema Migration befragt und wirkte dabei reichlich hilflos.Das wird auch anhand der Corona-Krise deutlich: Es gelingt der AfD zurzeit kaum Akzente zu setzen und Meinung zu machen.

Auch sollte man, gerade in den Medien, den Opfern von Anfeindungen und Gewalt mehr Raum geben als den Täter*innen. Das gibt der dahinterstehenden Ideologie nicht noch mehr Öffentlichkeit und es ermöglicht den Betroffenen, selbstbestimmter mit ihren Erfahrungen umzugehen. Weiterhin werden die Auswirkungen politischer Radikalisierung und sprachlicher Verrohung dadurch auch auf emotionaler Ebene deutlich gemacht.

Visionen für die Zukunft

Um dem Rechtspopulismus eine starke Alternative entgegenzustellen, braucht es positive Ideen für eine andere Gesellschaft. Visionen, die die Menschen abholen und ihnen eine positive Identität geben. Ideen, die sich nicht allein in Opposition zu rechter Ideologie definieren, sondern sich unabhängig von dieser für etwas einsetzen. Ein schönes Beispiel war die Pulse of Europe-Bewegung, die sich nicht an Euroskeptiker*innen abarbeitete, sondern für ihre eigene Idee eines gemeinschaftlichen, lebendigen Europas auf die Straße ging. Oder auch Emmanuel Macron. Auch wenn sich die öffentliche Stimmung im Laufe seiner Amtszeit zunehmend gegen ihn gewandt hat, hatte er es in seinem Wahlkampf durchaus geschafft, viele Menschen in Frankreich hinter der Vision eines fortschrittlichen Frankreichs in einem starken Europa zu vereinen. Es war nicht nur die Opposition gegen den Front National, die ihn ins Amt brachte, sondern auch, dass er eine eigenständig und mutig wirkende Alternative verkörperte.

Es braucht Medien, die weniger polarisieren, sondern gesellschaftliche Debatten moderieren und nicht skandalisieren, die sich nicht von Sensationsgier treiben lassen, sich für ein fundierte und faktenorientierte Berichterstattung starkmachen und die kontroverse und breite Diskussionen erlauben, sich aber auch gegen Demagogie und Manipulation durch Populist*innen zu wehren wissen . Das setzt natürlich auch ein entsprechendes Interesse der Öffentlichkeit voraus, das sich nicht aus dem nichts schaffen lässt. Aber im Rahmen ihrer Möglichkeiten können Medienschaffende hier sicherlich Impulse geben. Ein Beispiel ist das Debattenformat „Deutschland spricht“, von Zeit Online.

Es braucht eine Politik, die mutig den Problemen unserer Zeit entgegentritt, nicht durch Abschottung und Gegeneinander, sondern durch die Entwicklung eines stärkeren Miteinanders und die politische Ermächtigung derjenigen, die für eine offene und streitbare Gesellschaft einstehen.

Es braucht eine Gesellschaft, die sich offen und streitbar gibt, die offen ist für unterschiedliche Lebensentwürfe, diverse Ideen und freie Debatten. Aber auch eine Gesellschaft, die sich auf einen klaren Rahmen der Demokratie und des gegenseitigen Respekts beruft.

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