In ihrer noch jungen Bestehenszeit organisierte das Bündnis eine Umfrage zum ÖPNV im Rhein-Kreis Neuss. An der Umfrage nahmen etwa 600 Personen teil. Die gewonnenen Meinungen und entsprechende Forderungen nahmen sie mit in weiter Gespräche mit lokalen Akteur*innen aus Politik, Verwaltung und den Verkehrsverbünden.
Anida Gegic (22), aktiv in den Arbeitsgruppen Strategie und Fundraising, stellt die Arbeit des Bündnisses, ihre Ziele und aktuelle Probleme genauer vor.
treffpunkteuropa.de: Was ist das Bündnis NahFAIRkehr?
Anida: Das „Bürger:innenbündnis NahFAIRkehr“ setzt sich ehrenamtlich für kostengünstige Bus- und Bahntickets ein. In unserem überparteilichen und vielfältigen Bündnis wirken vor allem Menschen mit, die sonst in Politik und Verwaltung wenig vorzufinden sind, wie etwa Menschen mit Migrationsgeschichte oder Menschen mit Behinderungen.
Das Besondere ist, dass wir basisdemokratisch arbeiten. Jedes Mitglied hat ein Stimmrecht bei wichtigen Fragen, zu unterschiedlichsten Themen. Zudem kann jedes Bündnismitglied eigene Arbeitsgruppen organisieren, aus denen dann zwei gleichberechtigte Koordinator*innen gewählt werden.
Was ist eure Motivation? Warum engagierst du dich im Bündnis NahFAIRkehr?
Der ÖPNV ist für viele Menschen ein alternativloses Mittel, sodass zu den Angeboten wie Bus und Bahn weitere attraktive Alternativen geschaffen werden müssen und jedem zugänglich gemacht werden sollten für eine langfristige Verkehrswende. Dabei motivieren uns das Ungleichgewicht zwischen Preis und Leistung sowie fest gefahrene Preisstrukturen in den Verkehrsbetrieben.
An der Arbeit im Bündnis schätze ich, dass ich hier die Möglichkeit habe, mit Akteur*innen aus der Politik, sowie mit Freund*innen gemeinsam und ganz flexibel Verkehrspolitik und Nachhaltigkeit mitgestalten kann. Ich glaube auch, wie wir als Bündnis arbeiten, kann Vorbild sein für bestehende Formen politischer Arbeit. Hier kann ich mich einbringen und dafür kämpfen, dass Bus- und Bahnfahren für jeden möglich ist.
Wie sieht eure Arbeit aus? Was sind deine Aufgaben?
Wir haben unter den ca. 30 Mitglieder Arbeitsgruppen entwickelt, in denen jede*r sich nach Kapazität und Interesse einbringen kann. Unterteilt sind diese u.a. in Öffentlichkeitsarbeit, Kampagnen oder Networking. Da wir ein junges Bündnis sind, gibt es auch mal kurzfristige Änderungen, damit unsere jeweiligen Ziele erreicht werden können. In der Arbeitsgruppe Strategie, in der wir unsere Umfrage initiiert haben, habe ich als Koordinatorin agiert. Nach ca. zwei Monaten haben wir diese Umfrage für den ÖPNV im Rhein-Kreis Neuss ausgewertet, um daraus die wichtigsten Fakten für die weitere Arbeit abzuleiten. Aktuell bin ich die Koordinatorin für die Arbeitsgruppe Fundraising, die nach Preise und Fördermitteln recherchiert, um sich dafür zu bewerben.
Was habt ihr schon erreicht?
Bei unserer Umfrage hatten wir ca. 600 Teilnehmer*innen. Wir haben wir seit der Gründung unsere Mitglieder*innenanzahl fast verdoppelt. In der Öffentlichkeit waren wir des Öfteren in der lokalen Zeitung und sogar im lokalen Radio. Zusätzlich konnten wir Gespräche u.a. mit dem VRR (Verkehrsverbund Rhein Ruhr) und mit dem Landrat des Rhein Kreis Neuss führen.
Was sind eure Ziele? Was wünscht Ihr euch für Deutschland/für NRW?
Wir wollen den öffentlichen Diskurs stärken und Entscheidungsträger*innen aus Politik, Verwaltung und Verkehrsverbünden sowie Zivilgesellschaft zur Gestaltung von Lösungsansätzen für flexible Mobilität anregen. Für Deutschland und NRW gibt es neben den schlechten Bahnpreisen weitere Kritikpunkte - zum Beispiel, dass der ländliche Raum schlechte Anbindungsmöglichkeiten hat. Mobilität sollte auch außerhalb der Stadtgrenze gedacht werden.
Hierfür schlagen wir in unserem Positionspapier vor, dass unsere Region Rhein-Kreis Neuss zur Modellregion wird. Da Grevenbroich zwischen größeren Städte, wie Köln, Düsseldorf oder Aachen liegt, ist die Region gerade zu perfekt, um flexible Angebote, wie E-Scooter, Carsharing und Lastenfahrräder On-Demand Angebote auszutesten und in Kontakt mit der Zivilgesellschaft langfristige Lösungen zu erarbeiten. Als Strukturwandelregion kämpft man vor allem mit der Frage der Nachhaltigkeit und trotz der Nähe zu den Großstädten verfügt nahezu jede volljährige Person (714 von 1000) in unserer Region Rhein-Kreis Neuss über ein Auto. Dies hat die Stadt Neuss im Oktober 2020 veröffentlicht.
Vielleicht entstehen durch unsere Arbeit weitere Projekte dieser Art wie Rufbusse für Bürger*innen, Ausleihen von Lastenrädern, Carsharing oder Ähnliches, die wir gemeinsam mit anderen Bündnissen entwickeln können.
Wie seht Ihr mögliche Probleme und Lösungen in anderen Ländern der EU?
Zurzeit gibt es ähnliche Probleme in den Nachbarländern, die Stadt und Land im gleichen Verhältnis von 80 zu 20 haben, wo man nicht einfach den Bus in das nächste Dorf nehmen kann. Der durchschnittliche Urbanisierungsrad, also Stadtbewohner an der Gesamtbevölkerung lag in der EU bei 74% in 2019.
Allerdings gibt es bereits gute Lösungen, wie die U-Bahnnetze in großen Metropolen, wie Barcelona oder Paris. In Oslo kommt man mit dem ÖPNV auch in maximal 2 Stunden in die nahe gelegene Natur. Bei der Preisgestaltung von Tickets sind Wien und Luxemburg mit entsprechenden Modellen Vorreiter, wie das 365 € Jahresticket oder kostenlosen ÖPNV. Das sind interessante Modelle, die wir uns natürlich ansehen, um daraus etwas mitzunehmen.
Danke für das Interview!
Anmerkung der Redaktion: Der Autor des Interviews ist selbst in dem Bündnis ehrenamtlich tätig. – Das „Bürger:innenbündnis NahFAIRkehr“ ist auch auf Instagram und Facebook aktiv. Außerdem immer erreichbar per Mail: nahfairkehr(at)gmail.com.
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