Kroatien wird der Eurozone beitreten

Von Kuna zum Euro

, von  Aleksandar Abramovic

Von Kuna zum Euro
Die kroatische Flagge am Nationaltheater in Zagreb Quelle: Europäische Union, 2020 / Damir Sencar / Copyright

Am 1. Januar 2023 wird der Euro das gesetzliche Zahlungsmittel in Kroatien sein. Weshalb führt das Land anders als andere mittelosteuropäische Staaten die Gemeinschaftswährung ein?

Zwanzig Jahre nach seiner Einführung ist der Euro immer noch nicht die Währung aller EU-Staaten. Vor allem Mittelosteuropa tut man sich mit der Übernahme der Gemeinschaftswährung schwer und man gedenkt hier nicht, sie auf absehbare Zeit einzuführen. Neben dem Stolz auf die nationale Souveränität trägt hierzu auch bei, dass der Euro in den zurückliegenden 15 Jahren stark an Glanz eingebüßt hat. Stichworte hier sind der Rettungsschirm ESM und die Bankenunion. Ausnahme von dieser Regel ist allerdings Kroatien, welches Mitte Juni 2022 von der EU-Kommission grünes Licht für den langersehnten Beitritt zum Euroraum erhielt. Was unterscheidet das Land von Ungarn, Polen und Tschechien?

Der kroatische Wunsch nach Zugehörigkeit zum Westen

Kroatien ist ein vergleichsweise junges Land und war wirtschaftlich gesehen ein Nachzügler unter den mittelosteuropäischen Ländern: Westliches Kapital und Unternehmertum fassten hier anders als in den Visegrad-Staaten erst seit der Jahrtausendwende Fuß. Sie trafen dabei auf ein Land, welches seit knapp 25 Jahren unter einer ökonomischen Depression stöhnte und dessen Bevölkerung nach westlichen Produkten gierte. Zudem wollten sich die Kroat*innen von den Serb*innen abgrenzen und drängten daher auf ihre Aufnahme in die westliche Welt. Und tatsächlich zahlte sich die Hinwendung zum Westen auch aus, denn westliche Banken vergaben im großen Stil Kredite im Land, wo nun der private Konsum durch die Decke ging. Kein Wunder, dass die kroatische Bevölkerung mit großer Mehrheit den Beginn der Beitrittsgespräche zur EU 2005 begrüßte.

Doch drei Jahre später begann die weltweite Finanzkrise. Die westlichen Banken vergaben nun keine neuen Kredite mehr, sondern forderten die verliehenen Gelder zurück. Zum ersten Mal entwickelte sich zwischen kroatischen Bürger*innen und westlichem Unternehmertum ein Konflikt, denn viele Kroat*innen konnten ihre aufgenommenen Darlehen nicht zurückzahlen und wurden Opfer von Zwangsräumungen und Versteigerungen. Westliche Firmen, die in Kroatien investiert hatten, zogen wie in anderen mittelosteuropäischen Ländern ihr Kapital nach Westeuropa zurück. Kroatien glitt in eine neue schwere Rezession und die EU-Euphorie ließ merklich nach.

Die politische Elite Kroatiens hielt dennoch am EU-Beitritt fest und sah in ihm das Mittel für die ökonomische Gesundung ihres Landes. Vor allem hoffte man auf die Gelder des EU-Entwicklungsfonds, welcher die kroatische Industrie und Landwirtschaft auf Vordermann bringen sollte, damit sie dem harten Wettbewerb innerhalb des europäischen Binnenmarktes gewachsen wären. Die Bevölkerung ließ sich indessen nicht mehr so leicht für die Europäische Union euphorisieren: Beim Beitrittsreferendum 2012 stimmten zwar zwei Drittel der Abstimmenden mit „Ja“, allerdings waren nur 44% der Gesamtwählerschaft an die Wahlurnen gegangen.

Tatsächlich hatte sich die politische Führung nicht ganz geirrt, denn Kroatien verzeichnete ab 2015 wieder ein Wirtschaftswachstum. Die sozialen Probleme des Landes konnte dieses aber nicht lösen. Noch heute liegt die Beschäftigungsquote unter derjenigen von 2008 und die Arbeitslosigkeit ist nur deshalb so gering, weil die Regierung Plenković die Statistik frisierte (seit 2017 gelten alle Arten zeitweiliger Beschäftigung als voll „arbeitend“) und um die 300.000 Kroat*innen in das westliche Europa ausgewandert sind. Dazu kommen noch 1,1 Mio. Rentner*innen, die ein Viertel der kroatischen Bevölkerung ausmachen und den Staat zusätzlich in finanzielle Schwierigkeiten bringen. In dieser Situation rutschte Kroatien 2020 in die Corona-Krise, zu der sich 2022 noch die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine gesellten.

Brüssel drückt ein Auge zu

Nach dem Beitritt Kroatiens zur EU verpflichtete sich das Land zur Übernahme des Euro und dem Eintritt in den europäischen Binnenmarkt. Letzteres erwies sich aber als nicht unbedingt vorteilhaft, da die einheimischen Produkte aus Industrie und Landwirtschaft mit denjenigen aus Westeuropa nicht mithalten konnten. Entsprechend sank die kroatische Produktion und das Land rutschte wieder in die Schuldenfalle. Abermals konsumierten die Kroat*innen mehr ausländische Güter als sie selbst erwirtschafteten. Westliches Kapital, dass seit 2013 nach Kroatien floss, ging zumeist in den Dienstleistungssektor, in Banken und Versicherungen. Der primäre und sekundäre Sektor des Landes blieben außen vor.

Zum Zugpferd der kroatischen Wirtschaft wurde der Tourismus, der allein ein Viertel des nationalen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftete. Für die kroatische Regierung ein Fingerzeig, diesen weiter auszubauen, damit er auch die restliche landesweite Ökonomie mitreißt. Die Förderung des Tourismus könne am ehesten geschehen, wenn Kroatien den Euro einführte: Tourist*innen würden so leichter ins Land gelangen und hier Dienstleistungen bezahlen können. Der Übergang zur Gemeinschaftswährung würde sich auch dadurch leicht gestalten, da die kroatischen Guthaben bereits seit 2002 in Euro gehalten wurden.

Die EU-Kommission attestierte Kroatien Mitte Juni 2022 die Erfüllung sämtlicher Konvergenzkriterien. Bei dieser Beurteilung ließ sie jedoch die öffentlichen Finanzen des Eurozonenneumitglieds außen vor. Zwar hatte Zagreb in der jüngeren Vergangenheit den Wechselkurs der Landeswährung Kuna zum Euro stabil bei einem Wechselkurs von 7,5:1 gehalten und die kroatischen Banken wurden seit Oktober 2020 von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigt. Auch wurde das Haushaltsdefizit unter 3% gehalten. Dafür liegt die Verschuldung Kroatiens aber trotz eines bemerkenswerten Schuldenabbaus im Jahr 2021 bei fast 80% des nationalen Bruttoinlandsproduktes und damit deutlich über der von der EU verlangten Quote von 60%. Auch die Inflation zog zuletzt in Kroatien stark an: Noch liegt sie unterhalb des europäischen Referenzwertes von 4,9%, dürfte diesen aber in den kommenden Monaten reißen. Offenkundig drückte Brüssel gegenüber Zagreb ein Auge zu, auch, weil sich die gesamte Eurozone in ähnlichen Schwierigkeiten befand wie das Euro-Neumitglied.

Die Bevölkerung reagierte auf die Einführung des europäischen Geldes eher ablehnend. 86% gaben bereits 2020 an, von seiner Einführung lediglich das Anziehen der Preise zu erwarten. Im Dezember 2019 betrug das durchschnittliche Nettoeinkommen in Kroatien um die 900€ und damit nur um ein Drittel des westeuropäischen.

Tourismus kein alleiniges Zugpferd für die gesamte Wirtschaft

Das Grundproblem der kroatischen Wirtschaft liegt wohl darin begründet, dass das Land nicht genug Gelder für Forschung und Entwicklung ausgibt, dass die westlichen Kapitalgeber*innen nicht in Industrie und Landwirtschaft investieren und, dass der Tourismus als letzte Wachstumsbranche nicht die komplette Ökonomie tragen kann. Tatsächlich ist der Fremdenverkehr sehr anfällig für regionale Schwankungen, was sich im Zuge der Reisebeschränkungen während der Corona-Pandemie gezeigt hat. Auch sind die Arbeitsbedingungen kein Grund für Arbeitnehmer*innen, im Land zu bleiben. Infolge der saisonalen Struktur der Branche herrschen hier befristete und schlechtbezahlte Jobs vor. Mittlerweile arbeitet ein Viertel aller in Kroatien tätigen Erwerbspersonen in prekären Beschäftigungsverhältnissen.

Was an Industrie und Landwirtschaft im Land noch übrig ist, ist zumeist in Staatshand und wird entsprechend der Vergabe der Managementposten nach politischer Nähe schlecht geführt. Als Erbe der sozialistischen Ära werden auch die Mitarbeitenden falsch eingesetzt oder sind für die von ihnen ausgeübten Tätigkeiten oft überflüssig. Entlassen will die konservative Regierung sie aber nicht, da man sie noch weiter als potenzielle Wähler*innen braucht. Daher stocken in Kroatien auch die Versuche, die Firmen wettbewerbsfähiger zu machen. Auch die Effizienz der öffentlichen Verwaltung und der Justiz wurden bisher kaum angegangen. Wenigstens das Anziehen der Preise will die Regierung in Zagreb verhindern. Tatsächlich konnte sie steigende Preise nicht ganz verhindern, dafür aber bislang in Grenzen halten. Ursächlich dafür war die Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie und Lebensmittel.

Insgesamt betrachtet stellt sich die Einführung des Euro zum Jahreswechsel vorwiegend als Projekt der kroatischen Eliten dar. Zum einen hoffen sie auf die unumkehrbare Integration in die westliche Staatengemeinschaft. Zum anderen sollen dem Tourismus neue Gäste erschlossen werden, um die restliche Wirtschaft des Landes voranzubringen. Ob dies gelingt, steht freilich in den Sternen und viele Kroat*innen sehen der Zukunft nicht gerade mit Zuversicht entgegen.

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