Für einen Moment konnte die Sonne die dunklen, Unheil verkündenden Wolken über Ungarns politischen Himmel durchbrechen. Die mehrheitlich von jungen Menschen gegründete neue Partei Momentum demonstrierte am 1. Mai auf dem geschichtsträchtigen Heldenplatz in Budapest. Eine junge promovierte Politologin aus der Führungsriege, die ihr Geld vor nicht allzu langer Zeit in London als Fahrradkurier verdient hatte, geißelte Orbáns Regierungspartei Fidesz: „Egal was passiert, für sie trägt die Schuld immer jemand anders, doch gegen das Taschengeld aus Brüssel haben sie nichts einzuwenden.” Sie wies damit hin auf die circa sieben Milliarden Euro, die Ungarn aus dem Strukturfonds der Europäischen Union für den wirtschaftlichen Aufholprozess jährlich erhält. „Die Folge ist, dass unser Land immer weiter von Europa wegtreibt”, führte sie weiter aus. Daraufhin begann die Menge zu skandieren „Bör-tön-be!” (In-den-Knast!). Leider fuhr die Rednerin gleich fort, so, dass das Skandieren verstummte. Ähnlich wie ich, wollen vermutlich viele die Vertreter des Regimes und ihre Hauptkomplizen hinter Gitter wissen. Leute, die mit der illiberalen Demokratie Orbáns das Land jetzt in den Abgrund stoßen. Ungarn weist immer mehr die Merkmale einer Diktatur auf.
Manche Oppositionellen wären schon zufrieden, wenn diese Leute endlich verschwänden, sodass Frieden und Normalität die Oberhand gewinnen würden. Doch das sind rosarote Mädchenträume. Ohne rechtmäßige Verurteilung der heutigen Führungsclique können weder Normalität noch Friede in Ungarn einkehren. Auch zwischen 2002 und 2010 war Orbán mit seiner Fidesz (EPP) in der Opposition weder friedlich noch demokratisch. Die Hauptbeschäftigung seiner Partei war das Hetzen. Ihre Mitglieder lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei, steckten Gebäude in Brand. Sollte die Partei Orbáns 2018 abgewählt werden, wäre sie in der Opposition noch weniger friedfertig als sie es zwischen 2002 und 2010 war.
Es geht nicht bloß ums schlechte Regieren und falsche Entscheidungen, sondern um das planmäßige Verhindern des Aufschließens zu Westeuropa. Die Beweggründe sind Machterhalt und eigene Bereicherung. Einzige Ausnahme ist der Sport. Er ist wie unter der kommunistischen Herrschaft wieder das Symbol nationaler Einheit und internationaler Anerkennung geworden. Indes verkümmern das Gesundheits-und Bildungswesen, die für die Zukunft Ungarns tausendmal wichtiger sind als der Sport. Während selbst der schlechteste Platz im Sport nichts über Lebensqualität, wirtschaftliche und intellektuelle Leistungen eines Landes aussagt, werden in den Grundschulen des EU-Mitglieds Ungarn massenhaft Analphabeten und nicht wettbewerbsfähige Diplome kreiert, was den raschen Verfall des Landes unter Viktor Orbán begünstigt. Genauso, wie das vorzeitige Sterben in maroden Krankenhäusern, mit immer weniger Ärzten und Krankenschwestern.
Außer einigen, dank EU-Geldern entstandenen Makrodaten deutet alles auf ein Land hin, das mit seinen Produkten auf dem Weltmarkt kaum bestehen kann. Die Zerstörung des Rechtsstaates, des demokratischen Wahlsystems rückt die Gefahr einer putinschen Diktatur immer näher.
Welche Daseinsberechtigung hätte diese durch und durch verdorbene politische Führungsgarde in einem neuen, demokratischen Ungarn? Das Skandieren von „In-den Knast!“ auf dem Heldenplatz in Budapest war lediglich der Ausdruck jenes normalen gesellschaftlichen Anspruchs, wonach die Sünde nach Strafe ruft.
„Die Strafe ist Gerechtigkeit für die Ungerechten“, sagte Augustinus von Hippo, der römische Kirchenlehrer und Philosoph. Der ungarischen Gesellschaft gebührt in der Tat Gerechtigkeit. Obwohl das Volk dagegen nicht energisch genug protestiert, verdient das Volk nicht, was das Orbán-Regime ihm angetan hat. Die Ungarn haben viele Gründe, um auf Rechenschaft und Bestrafung der Schuldigen zu bestehen. Kleine Auswahl: Die Hälfte der Bevölkerung lebt in bitterer Armut und ausgeschlossen von Bildung. Rentner wurden ihres Ersparten beraubt. Angestellte in Behörden und Medien wurden aus politischen Gründen in die Wüste geschickt, Gesetze und Verfassung zwecks Zementierung der eigenen Macht umgeschrieben, die öffentlich-rechtlichen Medien enteignet. Andauernd hetzt die Regierung gegen die EU und Flüchtlinge. Täglich werden tonnenweise Lügen über das Volk gekippt. Eine Liste ohne Ende. Diese immer mehr an Orwell erinnernde ungarische Realität ruft nach anständigen, dem demokratischen Rechtsstaat verpflichteten Staatsanwälten und Richtern.
Sollte die demokratische Opposition die Wahlen 2018 gewinnen, so ist es leider nicht ausgeschlossen, dass sie die Konfrontation mit den abgewählten jetzigen Machthabern meiden und auf die Bestrafung der Sünder verzichten will. Mit dem Motto „Wir sollten nicht so sein, wie sie waren“, würden sie – wie ich meine – ihr eigenes Todesurteil unterschreiben. Denn mit Hilfe ihrer unrechtmäßig erworbenen Reichtümern, und mit ihren mit viel krimineller Energie hergestellten Netzwerken, würde die Fidesz-Partei in der Opposition bald Chaos stiften, die neue Regierung allmählich lahmlegen, Neuwahlen fordern, um danach sich erneut als Retter der Nation aufzuspielen mit dem Anspruch auf die totale Herrschaft.
„Wir wollen keine Budapester Minipartei werden“, erklärte der 1989 geborene Jurist, András Fekete Györ, Parteichef von Momentum noch vor dem Wahlsieg von Emmanuel Macron. Er ist zehn Jahre jünger als der neue französische Staatspräsident. Sein Alter kann für den Posten des Ministerpräsidenten angesichts der aktuellen Verhältnisse in Ungarn kaum als ideal bezeichnet werden. Trotzdem: Große Zeiten können dann und wann Großes zu Wege bringen.
Altgediente Politiker der jetzigen Opposition tun so, als ginge es 2018 lediglich um einen gewöhnlichen Regierungswechsel, bei dem gesetzestreue, demokratische Parteien einfach die Plätze wechseln und ansonsten ginge das Leben weiter. Als wüssten sie nicht, dass sie nach einem Wahlsieg nur dann bestehen könnten, wenn sie sich fest entschlössen, Ungarn vom Orbán-Regime gänzlich zu befreien, und somit alles beseitigen, was eine Wiederherstellung des demokratischen Rechtsstaates verhindern könnte.
Mit seiner illiberalen Demokratie hat Orbán Ungarn aus seinem natürlichen, politischen Umfeld im Grunde genommen herausgerissen und den gesamten demokratischen Aufbau der Gesellschaft derart entstellt, dass kaum noch etwas übrig geblieben ist, was an die politische Wende von 1989/90 erinnert. Das Schiff Ungarn treibt unaufhaltsam zu den Hoheitsgewässern von Despoten. Bei ihnen ist das Regieren auf Grundlage der Rechte und Bedürfnisse des Individuums längst eingestellt, das Schicksal des Volkes wird nur noch von der jeweiligen Laune der Machthaber bestimmt. Die Zeichen, dass Orbán und seine Regierung für sein Volk eine solche Zukunft vorsehen, sind klar erkennbar. Das ist kein Kavaliersdelikt. Diejenigen, die zur stetig wachsenden Entfernung des Landes vom Westen gegenwärtig aktiv beitragen, dürfen nach einer demokratischen Machübernahme nie wieder gleichberechtigt am öffentlichen Leben Ungarns teilnehmen.
Die Parlamentswahlen in 2018 sind die letzte Hoffnung für die Ungarn, um in ihrem Land die Demokratie wieder herzustellen und sich von Viktor Orbán zu befreien, der immer engere Beziehungen zu den Diktatoren Putin, Erdogan und Lukaschenko knüpft.
Es ist noch knapp ein Jahr bis zu den Wahlen. Dem jungen Emmanuel Macron ist es gelungen, das politische Leben Frankreichs innerhalb eines Jahres auf den Kopf zu stellen. Von der jungen Partei Momentum wird in Ungarn nicht weniger erwartet.
1. Am 11. Juni 2017 um 00:01, von Konius Als Antwort Ungarn: Sünde ruft nach Strafe
Betrachten sie es doch mal anders: „András Bruck nach 2018 aus öffentlichem Leben entfernen“
Was haben sie eigentlich vorzuweisen? Ein „Schriftsteller“ diktiert nun wo es langgeht? Sie würden so viel Gegenwind bekommen, dass ihr tolles lockiges Haar einer Glatze weichen würde. Ich hoffe, dass solche Leute wie sie nach den Wahlen verschwinden und unterstütze mit voller Kraft Herrn Orbán!
Kommentare verfolgen: |