EU-Beitritt der westlichen Balkanstaaten

Klima-Außenpolitik bedeutet EU-Erweiterung

Ein Kommentar von Frenkli Prengaj

, von  Frenkli Prengaj

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Klima-Außenpolitik bedeutet EU-Erweiterung
Charles Michel, Olaf Scholz, Edi Rama und Ursula von der Leyen während des Berlin Prozess Gipfel in Tirana, Albanien. EC Audiovisual Service, 2023 / Aurore Martignoni / Lizenz

Am 16. Oktober fand in Tirana der Westbalkan-Gipfel des Berliner Prozesses statt. Albanien war damit das erste Land der Region, das die Gespräche des Berliner Prozesses ausrichtete und die Ministerpräsident*innen der sechs Westbalkanländer, den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, mehrere EU- und Finanzinstitutionen und viele andere begrüßte. Das Ziel des Berliner Prozesses ist die Verbesserung der regionalen Zusammenarbeit sowie die Förderung der EU-Integration.

Expansion in Zeiten der geopolitischen Krise

Olaf Scholz’ zentrale Aussage war: “Die Zukunft des Westlichen Balkans liegt in der Europäischen Union. Dieses Versprechen gilt. Und es gilt heute mehr denn je." Scholz gibt dieses Versprechen aus mehreren Gründen ab. Doch durch den Krieg in der Ukraine und den wachsenden russischen Einfluss besteht eine neue Dringlichkeit. Für mich als jungen Klimaaktivisten ist aber ein Punkt besonders wichtig, der in der Öffentlichkeit eher weniger Beachtung findet: das Potenzial für den Klimaschutz und die Möglichkeit, dass die EU ihre Erweiterung als wirksamen Teil ihrer Klimaaußenpolitik versteht.

Ambitionierte Klimaaußenpolitik bedeutet Erweiterung der Europäischen Union

Der Klimawandel ist eine existentiell bedrohliche Krise, die zwar von den Industriestaaten verursacht wird, aber unter deren Folgen zunächst die Länder leiden müssen, die nicht über ausreichende Ressourcen für Gegenmaßnahmen verfügen. Für die Aktivist*innen in Albanien ist der EU-Beitritt daher nicht nur ein Wunsch, sondern ein Beitrag zur Erreichung ambitionierter Klimaschutzziele und zur Sicherung ihrer Zukunft. Als junger Mensch, der Geowissenschaften und Umwelttechnik studiert hat, glaube ich, dass unsere theoretischen und wissenschaftlichen Kapazitäten erschöpft sind. Der einzige Bereich, in dem wir einen Beitrag leisten können, ist die Umwelt-Governance, ein Konzept, das vor allem auf die politischen Entscheidungsfindungsprozesse im Bereich des Klimaschutzes abzielt.

Aufgrund meiner Ausbildung und meiner Arbeit für eine der wichtigsten Umweltorganisationen des Landes, REC Albania, habe ich mich aktiv an Jugendforen und verschiedenen Konferenzen beteiligt, um die Fähigkeiten junger Menschen im Bereich der Umweltpolitik zu verbessern. Viele dieser Projekte und Initiativen werden von der EU oder nationalen Institutionen der EU-Mitgliedstaaten finanziert. Das jüngste Beispiel ist das von “Das Progressive Zentrum” organisierte Climate ConnAction Fellowship, das 25 junge Menschen aus Südosteuropa und den westlichen Balkanländern zusammenbringt, um ihre Vernetzung und die Umwelt-Governance zu fördern.

Fordern und Fördern als Leitprinzip

Vor dem Hintergrund der globalen Klimakrise gelten die Europäische Union und ihre Erweiterungspolitik in Ländern wie Albanien als Leitbild für Klimaaktivist*innen, da die EU-Mitgliedschaft als entscheidender Faktor zur Förderung des Klima- und Umweltschutzes angesehen wird. Mit dem Beitritt zur EU würden die Länder des westlichen Balkans aufgefordert, die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Union zu erreichen. Diese Verpflichtung gibt Klimaaktivist*innen die Gewissheit, dass ihre Regierungen strenge Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise durchsetzen werden, wie es in Kapitel 27 des Beitrittsprozesses vorgesehen ist.

Im Falle Albaniens war der bisher größte Erfolg die Zusage zur Klimaneutralität bis 2050 auf der COP26, die mit den Zielen der EU übereinstimmt. Darüber hinaus führt die EU-Mitgliedschaft zur Zuweisung neuer Finanzmittel für die Beitrittsländer, von denen ein Teil in die Anpassung an den Klimawandel oder in Klimaschutzmaßnahmen fließt. Diese zusätzlichen Mittel in Verbindung mit den in den Beitrittskapiteln skizzierten politischen Lösungen geben Hoffnung und die Gewissheit, dass in kleinen Ländern wie Albanien die Bewältigung der Klimakrise nicht von anderen regionalen Herausforderungen überschattet wird.

Zusammenarbeit ist der Schlüssel zu erfolgreicher Klimadiplomatie

Die Ergebnisse der diesjährigen Berliner Prozess Gespräche sind das jüngste Beispiel dafür, wie die Erweiterungsbemühungen der EU als unmittelbare Klimaaußenpolitik funktionieren können. Der Schwerpunkt wurde auf die Dekarbonisierung der Energieversorgung und den Umstieg auf erneuerbare Energien gelegt. Beschlossen wurde eine regionale „Klimapartnerschaft Deutschland-Westbalkan“, die den Kampf gegen den Klimawandel und den Einsatz erneuerbarer Energien unterstützt. Deutschland wird dieses Programm bis 2030 mit insgesamt 1,5 Milliarden Euro kofinanzieren. Darüber hinaus wird Deutschland weitere 73 Millionen Euro für das neue Projekt „Klimaprogramm Albanien“ zur Verfügung stellen, das die Integration erneuerbarer Energien vorantreiben soll.

Technische Hilfe, Zugang zu grünen Technologien und verstärkte finanzielle Unterstützung für staatliche Institutionen sowie die Zivilgesellschaft sind Puzzlesteine im Kampf gegen die Klimakrise und für eine gerechte Transformation. Ohne diese Säulen der Unterstützung werden die westlichen Balkanstaaten Schwierigkeiten haben, die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen sicherzustellen. Zudem würde die politische Motivation für mehr Klimaschutz abnehmen. Über die konkreten materiellen Unterstützungsmaßnahmen hinaus braucht der westliche Balkan den EU-Beitritt somit als regulierende und lenkende Instanz. Junge Aktivist*innen wie ich brauchen ihn zudem, damit wir unsere Netzwerke ausbauen und in naher Zukunft produktiver arbeiten können.

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