Alexander Lukaschenko hat gewonnen. 83,5 Prozent der Wähler stimmten für ihn. So viele wie nie zuvor. Die anderen drei angetretenen Spitzenkandidaten waren von Anfang an chancenlos. Zwei regimetreue Männer mit Schnauzbart, wie der Präsident, und eine Frau. Wer die Wahl gewinnen würde, war fast allen Belarussen und der Welt bereits vor dem Ende der Auszählungen bekannt. Auch die Chefin der eigentlich unabhängigen Auszählungskommission behauptete, dass es nur einen wählbaren Kandidaten gäbe. Doch die Frage ist nur: Wird der belarussische Präsident in seiner fünften Amtszeit etwas ändern?
Traktorfahrt auf dem Land
Er ist ein Garant für Stabilität. Einer, der dem Volk nahe ist. So gibt er sich gerne, als Vater (Batka) der Nation. Der ehemalige Leiter eines staatlichen Landwirtschaftsbetriebs lässt sich am liebsten auf Traktoren Made in Belarus ablichten. Gerade in der Landbevölkerung erhält er hohe Zustimmungswerte, denn die Preise für Kartoffeln und Wodka bleiben niedrig, Korruption gibt es kaum und die meisten Menschen haben Arbeit. Doch diese wird kaum entlohnt: Das Durchschnittsgehalt liegt bei rund 365 Euro monatlich, die Rente immerhin bei 134 Euro. Auf dem Land reicht das häufig zum Leben, doch in den Städten wie der Hauptstadt Minsk oder der polnischen Grenzstadt Grodna ist vor allem Wohnraum teuer. Lukaschenkos Ideen, wie das Verbot des Applaudierens in der Öffentlichkeit, mit dem die Weißrussen ihren Protest gegen die Regierung ausdrückten, werden von vielen nur müde belächelt.
Die erste Kandidatin
Zum ersten Mal gab es in Belarus eine weibliche Präsidentschatfskandidatin. Sie bekam 4,4 Prozent der Stimmen. In Wahlveranstaltungen musste sie sich für ihre Kandidatur rechtfertigen. Immerhin hatte es die Opposition geschafft, eine gemeinsame, wenn auch unbekannte Kandidatin aufzustellen. Ansonsten ist die Opposition seit Langem zerstritten und weitgehend ausgeschaltet. Viele bekannte Politiker sind ins Exil geflohen, einige sind spurlos verschwunden. Nach der Niederschlagung der Proteste am Wahlabend im Jahr 2010 wurden Oppositionelle ins Gefängnis gesperrt. Die prominentesten unter ihnen saßen bis vor ein paar Wochen im Gefängnis. Plötzlich wurden sie entlassen, doch die Frist zu einer Kandidatur war bereits verstrichen.
Ein Ende der Sanktionen?
Daraufhin kündigte die Europäische Union an, die Sanktionen gegen den Präsidenten und seine Getreuen ab November zunächst auszusetzen und nach vier Monaten eventuell aufzuheben. Grund dafür sind auch die verstärkten diplomatischen Bemühungen gegenüber Westeuropa. Der sonst Russland gegenüber so loyale Lukaschenko verweigerte erst vor wenigen Wochen den Bau der vom Kreml geplanten Luftwaffenbasis im Westen des Landes, dabei ist das Land auf billige Energielieferungen und Kredite aus Moskau angewiesen. Bei der letzten UNO-Vollversammlung traf der Präsident zuerst die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde. Auch seit den Friedensvereinbarungen von Minsk im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland hat Lukaschenko im Westen wieder Vertrauen gewinnen können. Merkel und Hollande verhandelten in Minsk und brachen somit das Eis mit dem Präsidenten. Denn Belarus braucht frisches Geld, das Land ist ökonomisch am Ende. Seit langem unrentable Betriebe werden künstlich aufrechterhalten und die Inflation schießt seit Jahren in die Höhe.
Fair und demokratisch?
Ja, es gab dieses Mal keine Polizei, die am Wahlabend auf Demonstranten einprügelte. Einige konnten sogar auf dem zentralen Platz demonstrieren. Ja, es gab auch keine offensichtlichen Repressalien der Opposition. Dennoch war die Wahl nicht transparent. Den Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wurde immer wieder die Sicht bei der Stimmenauszählung versperrt. Auch die belarussische Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexeijewitsch moniert, dass es nach einem Spruch Stalins in ihrer Heimat nicht darauf ankomme, wer wähle, sondern wer die Stimmen auszähle.
Perspektiven für Belarussen
Auch viele ihrer Landsleute resignieren. Die Wirtschaft eines Landes, das immer noch die Todesstrafe anwendet, ist ruiniert, die Gehälter niedrig, Preise für Wohnen und Leben schießen in die Höhe, ebenso die Inflation. Für jede Reise in die EU muss aufwendig ein neues Visum beantragt werden, die Visavergabe ist dabei jedoch relativ willkürlich. Die Situation für viele Belarussen ist frustrierend. Freunde und Bekannte aus Belarus fragen sich, wie es weitergehen soll. Ihre Wünsche für die Zukunft: Reisefreiheit, Demokratie, ein kleines bisschen Wohlstand. Die Wahl bezeichnen viele als Farce.
Anstatt nur die wirtschaftlichen Sanktionen für das Regime aufzuheben, sollten endlich die Visabestimmungen gelockert werden. Dann wäre ein großer Wunsch vieler Belarussen erfüllt: die Freiheit des Reisens.
Kommentare verfolgen: |