Vergangenen Sonntag sorgte der erste Wahlgang der Vorwahlen der Républicains (EPP) für Aufsehen: Nachdem François Fillon, ehemaliger Premierminister unter Nicolas Sarkozy, seit Mitte des Jahres erklärt hatte, er werde „die Überraschung der Vorwahlen“ sein, ist ihm dies eindrucksvoll gelungen. Seine Umfragewerte schnellten nach der letzten TV-Debatte nach oben, und am Sonntag holte er ein Traumergebnis: Mit 44% der Stimmen verfehlte er die absolute Mehrheit nur fast, er ließ Alain Juppé, der in den Umfragen seit September vorn gelegen hatte, mit 28% weit hinter sich, und sorgte dafür, dass Sarkozy mit 21% den zweiten Wahlgang nicht einmal erreichte und seinen politischen Abgang erklärte.
Dass sich im ersten Wahlgang der Vorwahlen, an denen jeder Wahlberechtigte teilnehmen kann, bereits über 4 Millionen Franzosen auf den Weg an die Urnen machten, ist kein Zufall: Die Vorwahl hat für die Républicains (EPP) enorme Bedeutung, da damit entschieden wird, wer für sie im Präsidentschaftswahlkampf antreten wird – und höchstwahrscheinlich in der Stichwahl Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National entgegenstehen wird. Ein Kandidat, mit dessen Vorschlägen sich viele Wählerinnen und Wähler identifizieren können, ist damit ein wichtiger Faktor, um keine Stimmen an den Front National zu verlieren.
Dass die Wählerinnen und Wähler sich im ersten Wahlgang mit so großer Mehrheit für François Fillon ausgesprochen haben, mag zwar am Sonntagabend mit Kenntnis der Umfragen der davorliegenden Monate noch überrascht haben, ist aber bei genauerem Hinsehen und einem Blick auf die anderen Kandidaten plausibel. Nicolas Sarkozy ist nicht nur in seiner Eigenschaft als ehemaliger Staatspräsident eine polarisierende Persönlichkeit. Seine scharfe Rhetorik, sein aufgedrehtes Auftreten und seine umstrittenen Vorschläge wie etwa Präventivhaft für Terrorverdächtige spalten die Franzosen, für Sympathisanten der Linken und auch für einige gemäßigte Anhänger der Républicains (EPP) war er damit unwählbar. Juppé hingegen präsentierte sich von Anfang an als „Vereiniger“ der französischen Gesellschaft, mit seinem Konzept der „glücklichen Identität“ („identité heureuse“) anstatt harter Linie erscheint er jedoch vielen Franzosen zu realitätsfern für den Job des Staatspräsidenten. Fillon bot mit seinem sehr liberalen Wirtschaftsprogramm gepaart mit erzkonservativen gesellschaftspolitischen Ansichten eine Alternative.
Hartes Reformprogramm vs. Mäßigung
Dennoch: Entschieden ist noch lange nicht, wer für die Républicains (EPP) als Kandidat für die Präsidentschaftswahlen antritt; auch auf den letzten Metern kämpfen Fillon und Juppé um jede Wählerstimme. Jetzt gilt es vor allem, inhaltlich zu überzeugen: Waren vor dem ersten Wahlgang die Kampagnen mehr auf Aufmerksamkeit für die eigene Person gerichtet, gehen sich nun die beiden Kontrahenten auch offensiv an. Juppé, der bereits französischer Außenminister war, nutzt dafür vor allem das Feld der Außenpolitik: Während er selbst für ein Wiederanwerfen des deutsch-französischen Motors sowie den Aufbau einer europäischen Verteidigungspolitik steht und die EU als solche nicht in Frage stellt, spricht sich Fillon für ein Europa der Nationen aus, dessen Kompetenzen auf einige wenige Bereiche wie etwa Wirtschaft und Sicherheit beschränkt sein sollen. Ein weiteres Thema, in dem sich Fillon und Juppé wesentlich unterscheiden und das in der französischen Gesellschaft stark polarisiert, ist der Umgang mit Russland: Juppé zeigt sich zwar dem Dialog mit Moskau gegenüber offen, gehört aber auf Grund der russischen Bombardements auf Aleppo auch zu dessen schärfsten Kritikern. Fillon hingegen spricht sich nicht nur für eine Annäherung mit Russland aus, sondern befürwortet auch eine Koalition mit Russland und dem syrischen Machthaber Baschar Al-Assad, um den sog. IS in Syrien zu vernichten.
Nicht nur im außenpolitischen Bereich schlägt Fillon härtere Töne an als Juppé: Bekannt wurde er den Franzosen vor allem durch sein Reformprogramm, mit dem er bei den Staatsausgaben Einsparungen von über 100 Milliarden Euro vornehmen will, außerdem sieht sein Programm eine Erhöhung des Renteneintrittsalters, eine Aufhebung der 35-Stunden-Woche und radikale Kürzung von Beamtenstellen. Während damit Fillon schon jetzt als „Thatcher Frankreichs“ gilt, unterscheidet sich das Programm von Alain Juppé bezüglich der Grundideen zwar kaum vom Konzept von Fillon, erscheint dagegen jedoch wie eine Light-Version; bei den vom Reformstau genervten Franzosen scheint dies allerdings nicht gut anzukommen.
Einige weitere Programmpunkte der beiden Kandidaten unterscheiden sich, wie etwa die Familienpolitik, die Fillon zu Ungunsten homosexueller Paare gestalten will, wobei Alain Juppé sich offener zeigt. Der zentrale Unterschied dürfte jedoch sein, wie die beiden sich selbst wahrnehmen und darstellen. Alain Juppé hat sich von Beginn seiner Kampagne an stets als Kandidat der Mitte präsentiert, der ganz Frankreich hinter sich versammeln und Brücken über die Gräben in der französischen Gesellschaft bauen will. Fillon hingegen vermittelte stets das Bild des modernen Wirtschaftsreformers mit traditionellen französischen Werten – was zumindest bei den Wählern der Républicains (EPP) besser ankommen dürfte.
Entscheidender Faktor: Wählermobilisierung
Derzeit ist in Frankreich die Kandidatenlage für die Präsidentschaftswahlen unübersichtlich; mit dem Brexit und der Wahl Donald Trumps zum 45. US-Präsidenten hat die Welt zuletzt zwei Beispiele beobachten können, in denen Umfragen bis zuletzt vollkommen falsch lagen. Heute daher schon prognostizieren zu wollen, wer am 7. Mai 2017 in den Elysée-Palast einzieht, ist daher ein Ding der Unmöglichkeit. Klar ist allerdings auch, dass der zweite Wahlgang der Vorwahlen für viele Franzosen eine Art inoffizielle Präsidentschaftswahl ist, weil der Kandidat der Républicain (EPP) derzeit die besten Chancen auf einen Wahlsieg hat.
Aktuell liegt François Fillon in Umfragen mit 65% weit vor Alain Juppé. Der zentrale Faktor am Tag der Stichwahl wird allerdings sein, wer es schafft, Wähler zu mobilisieren. Im ersten Wahlgang war die Teilnahme von Nicolas Sarkozy ein zentraler Mobilisierungsfaktor, sowohl für seine Unterstützer rechts im politischen Spektrum als auch für seine Gegner, die alles wollten außer eine zweite Präsidentschaft von Sarkozy. Fraglich ist, ob diese Menschen morgen ebenfalls an die Urnen gehen werden: Viele Sympathisanten der Linken werfen Fillon – nicht ganz zu Unrecht – vor, dass er ein „Sarkozy im Schafspelz“ sei, mit ähnlichen Positionen, aber gemäßigterem Auftreten. Für sie wäre es daher von Interesse, für Alain Juppé zu stimmen. Andererseits dürften viele „Sarkozystes“, deren Favorit nun aus dem Rennen ist, dennoch wählen gehen, da sich einige von ihnen mit den Positionen von Fillon ähnlich gut identifizieren können.
Wirklich sicher ist heute nur eines: Es wird spannend werden, wenn die Wahllokale am Sonntag um 19 Uhr schließen.
1. Am 26. November 2016 um 09:36, von mister-ede Als Antwort Frankreich: Inoffiziell Präsidentschaftswahl
Nachdem in der Stichwahl Marine Le Pen gegen den amtierenden Präsidenten Hollande antreten wird, passt das mit der inoffiziellen Wahl nicht.
2. Am 29. November 2016 um 11:11, von duodecim stellae Als Antwort Frankreich: Inoffiziell Präsidentschaftswahl
Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Hollande in die Stichwahl kommt. Es ist im Moment noch nicht mal klar ob er überhaupt nochmal antreten wird. In die Stichwahl kommen wahrscheinlich Fillon und Le Pen.
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