Der EU-Emissionshandel
Der EU-Emissionshandel umfasst mehr als 11.000 Anlagen der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie, die gemeinsam für die Hälfte aller CO2-Emissionen in der EU verantwortlich sind [3]. Sein Grundprinzip fußt darauf, dass die größten Umweltsünder finanziell dazu angehalten werden, ihre Emissionen zu reduzieren. Dies geschieht durch die Festlegung einer Obergrenze für die Menge an Treibhausgasen, die die emissionshandelspflichtigen Anlagen pro Jahr ausstoßen dürfen. Dazu wird eine feste Anzahl an Emissionsberechtigungen an die Betriebe ausgegeben, von denen jede zum Ausstoß von einer Tonne CO2 berechtigt. Sind die Emissionen einer Anlage zu hoch, müssen sie entsprechend reduziert oder weitere Zertifikate von einem anderen Unternehmen hinzugekauft werden. Liegen die Emissionen unterhalb der festgelegten Grenze, können die Emissionsberechtigungen für das nächste Jahr aufgehoben oder weiterverkauft werden. Im Laufe der Zeit soll die Höchstgrenze herabgesetzt werden, um die globalen Emissionswerte langfristig weiter zu senken. Der EU-ETS trägt in diesem Zusammenhang dazu bei, eine grünere und CO2-reduzierte Zukunft zu schaffen, indem er flexibel ist und umweltfreundlichen Anlagen Vorteile einräumt. Das Ziel ist es, bis zum Jahr 2050 eine Verringerung um rund 90 % im Vergleich zu 2005 zu erreichen.
Das derzeitige EU ETS ist jedoch bereits an seine Grenzen gestoßen. Ursache des Problems sind die extremen Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen Klimapolitiken auf der ganzen Welt. In der Tat werden die Bemühungen der EU, eine wirksame Lösung für die globale Erwärmung zu finden, von Ländern wie den USA untergraben, die sich in die entgegengesetzte Richtung bewegen. Darüber hinaus kann das EU ETS negative Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft haben, indem es ihre Industriezweige mit Wettbewerbsnachteilen gegenüber Nicht-EU-Ländern konfrontiert. Das führt dazu, dass viele Sektoren vom Emissionshandel ausgenommen werden, um Standortverlagerungen zu vermeiden.
Eine mögliche Lösung, die auch von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wird, ist die Verknüpfung des EU ETS mit anderen Emissionshandelssystemen. Dabei soll „die Kopplung des EU-ETS mit anderen nationalen oder regionalen Deckelungs- oder Austauschsystemen die Entstehung eines großen Marktes begünstigen, und so die globalen Kosten für die Verringerung der Emission von Treibhausgasen senken“ [4]. Bislang existiert jedoch erst eine einzige Vereinbarung, die zwei dieser Austauschsysteme für Emissionsrechte miteinander verbindet; diejenige zwischen der EU und der Schweiz, die aber erst im Jahr 2019 in Kraft treten wird [5]. Keine andere Partnerschaft wurde bislang ernsthaft in Betracht gezogen.
Ein europäischer Finanz-Klima-Pakt?
Trotz seiner Qualitäten reicht das EU ETS nicht aus, um Europa im Kampf gegen die globale Erwärmung eine Führungsposition zu ermöglichen. Tatsächlich deckt es nur die Hälfte der gesamten Treibhausgasemissionen Europas ab und bietet den Unternehmen nicht genügend Anreize, in den Energiewandel zu investieren.
Jüngste wissenschaftliche Studien haben ohnehin gezeigt, dass die Emissionen in keinem Szenario schnell genug reduziert werden können, um die Ziele der EU und der Übereinkommen von Paris zu erreichen [6]. Das überschüssige Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre muss daher entfernt werden. Da es praktisch keine öffentliche Debatte darüber gibt, wie die zusätzlichen „negativen Emissionen", die zur Reduzierung des CO2-Bestandes notwendig sind, erzielt werden können, wird das Versprechen, die durch den Klimawandel verursachten Schäden zu begrenzen, bei der derzeitigen Entwicklung mit ziemlicher Sicherheit gebrochen.
Die EU muss daher in Forschungsprojekte investieren, um die beste Möglichkeit zu finden, den CO2-Ausstoß so weit wie möglich zu verringern (bis zu 810 Milliarden Tonnen in 2100, so viel wie die gesamte Weltwirtschaft in 20 Jahren produziert [7]). Zudem muss sie die Einführung und Umsetzung der entsprechenden Lösung finanzieren.
Forscher bevorzugen zumeist das Pflanzen von Bäumen en masse, den Einsatz chemischer Filter, um CO2 direkt in der Luft zu binden, sowie eine flache Bodenbearbeitung anstelle von Tiefpflügen, was dem Boden helfen würde, mehr CO2 aufzunehmen und zu speichern.
Unabhängig davon, welche Lösung letztendlich favorisiert wird: Sie erfordert unbedingt eine finanzielle Förderung von Seiten der EU. Diese Ansicht vertreten auch Jean Jouzel und Pierre Larrouturou, die Verfasser eines Aufrufs zu einem europäischen Finanz-Klima-Pakt [8]. Persönlichkeiten wie Romano Prodi, ehemaliger Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Marc Ayrault, französischer Ex-Premier-Minister und Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris, gehören zu den Unterzeichnern dieses Manifests, das auch von Nicolas Hulot unterstützt wird, der die verantwortlichen Europäer dazu aufruft, „schnellstmöglich einen Finanz-Klima-Pakt auszuhandeln, der für 30 Jahre die Finanzierung der Energiewende in Europa finanzieren kann.“
Seit Beginn des Jahres 2015 hat die Europäische Zentralbank (EZB) durch die quantitative Lockerung (englisch: quantitative easing oder QE) mehr als 2.200 Milliarden Euro an Geldmitteln geschaffen und den Banken zur Verfügung gestellt, um nach der Krise im Jahr 2008 den wirtschaftlichen Aufschwung zu fördern. Pierre Larrouturou äußerte nun den ehrgeizigen Vorschlag, die Hälfte dieser Mittel - 1000 Milliarden - in die Energiewende zu investieren. Dieses Projekt könnte zudem die negativen Effekte der quantitativen Lockerung abmildern, nämlich, dass Finanzspekulationen zunehmen, die möglicherweise zu einer neuen Wirtschaftskrise führen könnten.
Um diese Neuausrichtung des von der QE geschaffenen Haushaltsplans durchzuführen, würde die EZB schrittweise die 1.000 Milliarden Euro an die Europäische Investitionsbank übergeben, die ihrerseits in die Entwicklung erneuerbarer Energien investieren würde. Nach Angaben der Agence de l’Environment et de la Maîtrise de l’Énergie, der französischen Agentur für Umwelt und Energiemanagement, würden diese Investitionen 900.000 Arbeitsplätze in Frankreich und fast 6 Millionen in der Europäischen Union schaffen [9]. Der europäische Finanz-Klima-Pakt schlägt außerdem vor, eine „europäische Ertragssteuer“ zu erheben, von der 5 % der „Investition in die Forschung für und dem Kampf gegen den Klimawandel“ zugutekommen sollen. Das Projekt von Jean Jouzel und Pierre Larrouturou führt so über die Harmonisierung der Körperschaftssteuer in der Europäischen Union.
Folglich erfordert die Umsetzung einer echten europäischen Klimapolitik die Verbesserung des Funktionierens des Emissionshandelssystems, insbesondere die Schaffung von Partnerschaften mit anderen Handelssystemen in der ganzen Welt sowie die Schaffung eines Finanz-Klima-Pakts zur Finanzierung der Forschung, um eine Lösung für die globale Erwärmung zu finden und diese auch umzusetzen. Diese Projekte stellen wichtige Schritte auf dem Weg zu einem föderalen Europa sowie einer stärkeren europäischer Integration dar. Als Ziel haben die Verfasser des Aufrufs nämlich ein „Referendum über die Annahme des neuen europäischen Vertrags, einschließlich unserer Vorschläge“ [10]. Wir wünschen ihnen viel Erfolg dabei!
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