Europa wächst – zum Glück!

Teil 3/3 der Serie: Kroatien – das 28. Mitgliedsland der EU stellt sich vor

, von  Julius Leichsenring

Europa wächst – zum Glück!
Bereits jetzt wehen 29. Fahnen vor dem europäischen Parlamentsgebäude in Straßburg: Eine für jedes Mitgliedsland, sowie das Sternenbanner der EU. In Zukunft werden weitere dazu kommen. Foto: © European Parliament 2013

Mit der Aufnahme Kroatiens in die EU geht die Sorge einher, einen neuen Problemfall innerhalb der Union zu haben. Schon werden die reflexartigen Rufe lauter, der Staatengemeinschaft klare Grenzen zu geben. Dabei kann uns nichts Besseres passieren, als den europäischen Gedanken weiter in die Welt zu tragen. Ein Kommentar von Julius Leichsenring.

Augen zu und durch

Nun sind es 28 – mit der Aufnahme Kroatiens ist die Europäische Union in dieser Woche wieder um einen Mitgliedsstaat reicher. Eine beachtliche Zahl - und die EU soll weiter wachsen: Mit Serbien sollen ab nächsten Jahr die Verhandlungen über eine Aufnahme beginnen. Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Albanien gelten ebenso als „potenzielle Beitrittskandidaten“. Mit Island, Mazedonien und Montenegro sind die Gespräche bereits in einem fortgeschrittenen Status. Und obwohl Präsident Erdogan in den vergangenen Wochen demokratische Standards mit Füßen trat, sollen die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Herbst fortgesetzt werden. Dabei stimmen laut einer Eurobarometerumfrage nur 42 Prozent der Europäer überhaupt einer Erweiterung der Staatengemeinschaft in den nächsten Jahren zu.

Das Brüsseler Motto scheint zu lauten: wachsen um jeden Preis, auch gegen den Willen der Bevölkerung. Die Folge sind nationalistische Staaten (Ungarn), korrupte Regierungen (Bulgarien, Rumänien) und bankrotte Länder (zum Beispiel Zypern, Griechenland) innerhalb der Staatengemeinschaft. Auch beim neuen Mitgliedsland Kroatien könnte es sich um das „nächste Sorgenkind der EU“ handeln: Korruption, eine überbordende Bürokratie und eine hohe Verschuldung lähmen das Land und dessen Wirtschaft. Erneut greift die Angst um sich, dass die reichen Staaten der Union bald wieder zahlen müssen.

Europa ist ein Friedensprojekt

Die Sorge, die Staatengemeinschaft verkomme zu einer „Geldtransferunion“, mag nicht ungerechtfertigt sein. Doch Abseits des schnöden Mammons wird oft vergessen: Die EU ist ein Friedensprojekt. Keiner weiß, wie es ohne sie auf unserem Kontinent aussehen würde. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Probleme in Europa weitaus größer, deren Lösungen weitaus gewalttätiger wären. Als die Staatengemeinschaft im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis überreicht bekam, begründete das Komitee in Oslo seine Entscheidung nicht nur mit der deutsch-französischen Aussöhnung. Auch die Befriedung des Balkans, die Etablierung der Demokratie und die Verbreitung von Menschenrechten wurden als Verdienste der EU hervorgehoben. Diesem Prozess nun einen Endpunkt zu setzen, wäre nicht nur töricht, sondern fatal.

Kroatien ist hierfür ein herausragendes Beispiel. Gerade einmal 14 Jahre ist es her, dass der autokratische Herrscher Franjo Tudjman starb und der Weg für Reformen frei wurde. Im Jahr 2000 nahm die EU die Verhandlungen mit dem Land an der Adria auf. Die Folge waren freie Wahlen, eine unabhängige Justiz und der Schutz von Minderheiten – auch wenn noch nicht alle Reformen zur vollen Zufriedenheit umgesetzt sind. Noch Ende des letzten Jahrhunderts im Krieg, befindet sich Kroatien heute in einer Zeit der Aufarbeitung und Aussöhnung mit seinen Nachbarn. Das Land ist offener und toleranter als je zuvor, es nimmt eine Vorbildfunktion im Westbalkan ein - der EU sei Dank.

Die Grenze ist bereits da

Natürlich werden durch neue Beitritte die Entscheidungsprozesse in der Europäischen Kommission und im Rat der Europäischen Union nicht einfacher. Doch das waren sie noch nie und durch ein kleines Land wie Kroatien wird sich die Situation nicht verschlimmern. Kompromisse sind seit jeher ein Wesensmerkmal der Staatengemeinschaft und ein Garant für den Zusammenhalt. Eine neue Kultur kann dabei den Blick auf andere Problemfelder schärfen, neue Lösungsstrategien offenbaren und das Verhandlungsgeschick mit der restlichen Welt verbessern. Das sollte auch bei einem möglichen Beitritt der Türkei bedacht werden. Zumal Deutschland (bisher) am meisten von den Erweiterungen profitiert: Die Ausdehnung des Binnenmarktes fördert den Export, Arbeitskräfte aus anderen Staaten federn den demographischen Wandel und den Fachkräftemangel ab. Die Angst vor einer Überschwemmung des Arbeitsmarktes, vor allem mit osteuropäischen Arbeitern erwies sich hingegen als Fata Morgana.

Artikel 49 des Vertrags über die Europäische Union hält fest, dass jeder „europäische Staat“ Mitglied der Union werden kann. Was genau unter „europäisch“ zu verstehen ist, bleibt unklar. Voraussetzung für die Aufnahme „sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören.“ Der Europäische Vertrag setzt damit die Grenzen des Wachstums fest – abseits geografischer Postulate.

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