Federalism is the solution, we´ve got.
So singen wir bei der JEF – ein bisschen kitschig zwar, aber wir singen es gerne und sind uns nicht einmal im Klaren darüber, wie viel Wahrheit dieser Satz enthält. Vor kurzem durfte ich bei einer Veranstaltung des Europäischen Liberalen Forums (ELF) in Bulgarien zur „EU Strategie für den Donauraum“ teilnehmen. Ihr mögt euch fragen, warum ich als Brite mich nun dazu äußere, aber manchmal ist es eben gerade das „ungetrübte Auge“ eines unbeteiligten Dritten, das neue Lösungen für verzwickte Situationen erkennt.
Auf der Veranstaltung berichteten Politiker, NGO-Aktivisten, Wissenschaftler, örtliche Behördenvertreter und junge Menschen von den Chancen und Herausforderungen, die die Region ihnen bietet. Vertreter zahlreicher Donau-Anrainerstaaten waren anwesend. Allein die Politiker der bulgarischen Regierungspartei hatten ihre zunächst gegebenen Zusagen nach und nach zurückgezogen. Ihr Fehlen war ein eindrückliches Beispiel für die Schwierigkeit, die das bulgarische politische System noch immer mit positiven Veränderungsansätzen hat. Hiervon kann übrigens auch der letzte bulgarische Zar und ehemalige Ministerpräsident Bulgariens ein Lied singen, der mit seiner Partei NDSW seit zehn Jahren neuen Schwung ins politische System bringen möchte. Gleichzeitig weist es auch auf die wichtige Rolle hin, die die JEF und die Europäische Bewegung spielen könnten, wenn es darum geht, verschiedene Leute an einen Tisch zu bringen. Aber das ist noch nicht alles.
Das Engagement der Jugend
Spannend war, was die Jugendorganisationen über ihren Versuch berichteten, länderübergreifend zu arbeiten. Trotz der ständigen Herausforderung, auf lokaler Ebene Projekte zu finanzieren und Freiwillige zu rekrutieren, konnten sie untereinander eine Art Verband schaffen. Sie streben Kooperation an, wo es möglich ist, aber ermuntern die Mitglieder gleichzeitig, eigeninitiativ tätig zu werden – eine Simultanität, die nicht immer leicht zu erreichen ist.
Eine Umfrage, die von den Referenten zitiert wurde, hatte ergeben, dass Deutsche, die in Städten an der Donau lebten, kaum etwas über ihre Nachbarn am weiteren Flusslauf wüssten. Stattdessen scheinen abgedroschene westliche Vorurteile mit einer latenten Angst vor der politischen Instabilität auf dem Balkan zusammenzutreffen. Nicht nur eine Wissenslücke wird hier offenbar, sondern der Bedarf nach einer verbesserten Bildung der Menschen; denn viel zu wichtig ist die Donau als „gemeinsame Lebensader“ ihrer Völker.
Dabei weist zivilgesellschaftliches Engagement um die Donau bereits ganz konkrete Erfolge auf. Wir hörten von privatwirtschaftlichen Bemühungen, die ökologische Situation zu verbessern, um die Region für den Tourismus attraktiver zu machen. Hier ist Bewusstseinsbildung wichtig, denn entlang eines Flusses haben die Entscheidungen am oberen Flusslauf immer auch Konsequenzen für die Menschen am unteren Flusslauf. Wer sich für seinen Einsatz also fragt, was für ihn konkret „dabei heraus springt“, erhält in Bezug auf die Donau ganz konkrete Antworten.
Aber warum sollte Föderalismus die Lösung sein?
Nun, dieser bündelt Kräfte, ohne Individualität zu zerstören. Er vergrößert die politische Effektivität, ohne Beteiligungschancen aufs Spiel zu setzen. Die verschiedenen Gruppen bleiben weiterhin im Rahmen ihrer individuellen Problemstellungen aktiv und bewegen auf diese Weise viele junge Menschen zur Wahrnehmung ihrer politischen Teilnahmemöglichkeiten. Gleichzeitig wird für die politische Lobbyarbeit das Gewicht der einzelnen Gruppen gebündelt und der Dachorganisation die Aufgabe übertragen, die gemeinsamen Ziele bestmöglich zu vertreten. Ein solches Arrangement, das möglicherweise zunächst eher konföderativ denn föderativ beginnen sollte, könnte mit der Zeit das nötige Vertrauen, die Kenntnisse und das gegenseitige Verständnis herstellen, mit denen Vorurteile langsam aber nachhaltig abgebaut werden. Von den Synergieeffekten bei der Wirksamkeit von Projekten und der effizienteren Verwendung von Finanzmitteln soll hier gar nicht die Rede sein.
Beispielhaft fügten sich die Bemerkungen ins Bild, die die jungen Aktiven zur „EU-Strategie für den Donauraum“ machten: Frustration mache sich breit, da sie es zwar einerseits geschafft hätten, einige ihrer Anliegen auf politischer Ebene publik zu machen und diese auch durchaus ernst genommen würden, doch die „Donauraumstrategie“, mit der der Diskurs und das politische Handeln geleitet wird, sei in gewisser Weise von der EU monopolisiert worden. Die NGO-Vertreter empfinden die Strategie nicht als ihre, sondern als ein EU-Programm, das die Nicht-EU-Mitglieder zwar einbeziehe, aber nicht auf Augenhöhe beteilige. Sie klagten darüber, dass zwar einige Entscheidungen getroffen und Ideen verfolgt würden, die Handlungsmacht und die Ressourcen jedoch oftmals nicht zur untersten Ebene durchdrängen, wo sie einen wirklichen Unterschied machen könnten. Damit dies sich bei der Umsetzung der Strategie ändert, könnte ein konzentriertes Lobbying Sinn machen.
Ist das wirklich, was Föderalismus meint?
Es darf nicht vergessen werden, dass Entscheidungen, die auf höherer föderaler Ebene gefällt werden, ohne die Umsetzung durch die darunter liegenden Ebenen wertlos wären. Wir bei der JEF wissen das. Wir wissen, dass wir auf dem Europäischen Kongress die Arbeit des Verbandes zwar in eine bestimmte Richtung lenken können, dass es die Sektionen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene aber sind, die diesen Beschluss mit Leben füllen. Dennoch ist Föderalismus flexibler als das.
So wie wir inhaltliche Themen im Rahmen der Arbeitsgruppen sektionenübergreifend diskutieren, wäre es ebenfalls im Sinne der Föderalismus, Aufgaben an NGOs oder Private abzugeben, die in bestimmten Bereichen spezialisiert sind. Natürlich braucht es Vorkehrungen und sollte eine Unterstützung nicht blind erfolgen, doch ist das Subsidiaritätsprinzip eine große Motivation. Es ist wichtig, Dinge aus der Hand zu geben und anderen Menschen vertrauen zu lernen.
Man kann also sagen, wir Föderalisten träumten von einem Zustand, in dem Entscheidungen auf der sinngemäßesten Ebene getroffen werden und dann – das sollte niemals vergessen werden, da es die Verteilung von Handlungskompetenzen voraussetzt – auch auf der zweckdienlichsten Ebene umgesetzt werden.
Als Europäer sind wir uns im Klaren darüber, dass die EU nicht alles richten kann. Zwar mag die EU (nach eigener Aussage) „als unabhängiger Akteur mit einer respektierten Autorität in der Position sein, Kooperation zu erleichtern“, so kann sie nicht und sollte sie nicht ausschließlich auf eigene Faust agieren.
Wahrscheinlich sind es gerade solche Herausforderungen und Chancen wie an der Donau, bei denen wir unsere föderalistischen und europäischen Werte zum Nutzen aller vereinen können. Föderalismus ist die Lösung, die wir in den Händen halten. Sie hat das Potential, Vertrauen zwischen den Menschen zu stärken. Die NGOs entlang der Donau haben die Chance, Vertrauen in die Idee zu entwickeln – und dann auch zu verbreiten.
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