Europawahlkampf 2024

Der (un)aufhaltsame Aufstieg des Rechtspopulismus

, von  Benedikt Putz

Der (un)aufhaltsame Aufstieg des Rechtspopulismus
Giorgia Meloni gewann 2022 die Parlamentswahlen in Italien und führt seitdem eine rechtspopulistische Regierung an Foto: Wikimedia Commons / Vox España / Copyright

In der EU sind die Rechtspopulist*innen weiter auf dem Vormarsch. Während Viktor Orbán in Budapest fest im Sattel sitzt, sind rechtspopulistische Parteien in den Niederlanden und Italien zuletzt als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgegangen. Auch wenn der rechte Vormarsch in Polen und Spanien vorerst gestoppt wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Rechtspopulismus in Europa besiegt ist.

Mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen zum Europaparlament im Juni rückt der Aufschwung der Rechtspopulist*innen verstärkt in den Fokus. Die Erfolge rechtspopulistischer Parteien in allen Mitgliedstaaten signalisieren eine potenzielle Verschiebung der politischen Landschaft auf europäischer Ebene. Ein stärkerer rechtspopulistischer Block könnte die Richtung der politischen Diskussionen und Gesetzesvorhaben im Europaparlament prägen, insbesondere in den Bereichen Migration, Minderheitenrechte und EU-Integration. Die Wahlen sind somit nicht nur ein Gradmesser für die Beliebtheit der rechtspopulistischen Bewegungen, sondern auch ein Weichensteller für die Zukunft der Europäischen Union.

Was bedeutet ’Rechtspopulismus’ eigentlich?

Rechtspopulismus bezeichnet eine politische Strömung, die sich durch eine starke Betonung nationaler Interessen, Skepsis gegenüber internationalen Institutionen und oft eine ablehnende Haltung gegenüber Migration auszeichnet. Rechtspopulistische Parteien und Bewegungen werben mit dem Versprechen, die Sorgen der „einfachen Leute“ gegenüber einer vermeintlich abgehobenen politischen Elite zu vertreten. Sie fordern eine Rückkehr zur nationalen Souveränität und setzen sich häufig für eine restriktive Migrationspolitik ein.

In der Praxis nutzen Rechtspopulist*innen oft soziale Medien und andere Plattformen, um ihre Botschaften zu verbreiten und Unterstützung zu mobilisieren. Ihre Rhetorik ist geprägt von einer vereinfachenden Darstellung komplexer Sachverhalte, wobei sie emotionale Appelle nutzen, um Ängste und Unsicherheiten in der Bevölkerung zu schüren. Dies führt oft zu einer Polarisierung der Gesellschaft und zu Spannungen zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen.

In welchen Ländern sind die Rechtspopulisten besonders stark?

In Ungarn hat Viktor Orbán mit seiner Fidesz-Partei ein Regierungssystem etabliert, das er selbst als „illiberale Demokratie“ beschreibt und in dem rechtspopulistische Ideen zentral sind. Orbáns Politik ist geprägt von einer starken Betonung nationaler Souveränität, einer kritischen Haltung gegenüber der EU und einer umstrittenen Migrationspolitik. Das geht so weit, dass das Europaparlament Ungarn im September 2022 den Demokratiestatus absprach.

Wie auch die inzwischen abgewählte PiS-Regierung in Polen versucht Orbán seit Jahren, die Justiz und die Medien unter seine Kontrolle zu bringen. Er folgt dabei einer Logik, die ihn als den wahren Verteidiger der Interessen des ungarischen Volkes darstellt und alle politischen Gegner als Feinde des Volkes diffamiert. Eine ausgewogene Medienlandschaft und eine unabhängige Justiz sind nach rechtspopulistischem Verständnis jedenfalls nur lästige Hindernisse auf dem Weg zur Erfüllung des ’wahren’ Volkswillens.

In Italien haben die Fratelli d‘Italia unter der Führung von Giorgia Meloni die letzte Wahl gewonnen und führen nun die Regierung an. In den Niederlanden hat Geert Wilders mit seiner ‎Partij voor de Vrijheid ähnliche Themen in den Vordergrund gerückt, einschließlich scharfer Kritik an der „Islamisierung“ und der Einwanderungspolitik. Diese Parteien haben es geschafft, erhebliche Teile der Bevölkerung für sich zu gewinnen und traditionelle Parteien zu verdrängen.

Wo haben die Rechtspopulisten zuletzt Niederlagen hinnehmen müssen?

In Polen konnte die nationalkonservative Partei Prawo i Sprawiedliwość (PiS) ihre Macht trotz der Unterwanderung der Justiz und der öffentlich-rechtlichen Medien nicht behaupten. Sie ging aus den Parlamentswahlen im Oktober 2023 zwar als stärkste Partei hervor, blieb jedoch weit von einer Mehrheit entfernt. Dies zeigt, dass es trotz des allgemeinen Trends rechtspopulistischer Zugewinne nicht ausgeschlossen ist, dass Parteien der politischen Mitte die richtigen Antworten auf die Sorgen der Menschen finden und Wahlen gewinnen.

In Spanien wiederum hat die sozialdemokratische Partei PSOE unter Ministerpräsident Pedro Sánchez wichtige Wahlen gewonnen. Insbesondere das Erstarken der rechtspopulistischen Vox-Partei, die eine strengere Migrationspolitik und ein härteres Vorgehen gegen separatistische Bewegungen fordert, hat das politische Klima in Spanien in den letzten Jahren grundlegend verändert. Ihr Vordringen in die Regierung konnte zumindest vorerst gestoppt werden.

Ein anderes interessantes Beispiel ist Dänemark. Unter der Führung von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat die sozialdemokratische Partei durch eine restriktive Einwanderungspolitik Teile der Wählerschaft zurückgewonnen. Diese Strategie, die Sorgen über unkontrollierte Zuwanderung aufzugreifen, ohne sozialdemokratische Grundwerte zu opfern, hat die rechtspopulistische Dänische Volkspartei erheblich geschwächt. Diese Beispiele zeigen, dass der Rechtspopulismus zwar eine bedeutende Kraft in Europa ist, aber nicht unbesiegbar.

Was bedeutet das für die Wahlen zum Europaparlament?

Die anstehenden Wahlen zum Europaparlament stellen daher eine entscheidende Weichenstellung dar, nicht nur für die Zusammensetzung des künftigen Parlamentes, sondern für die gesamte politische Zukunft der Europäischen Union. Angesichts einer möglichen Stärkung des rechtspopulistischen Blocks könnte die EU gezwungen sein, in zentralen Fragen wie der Migrationspolitik, der Rechtsstaatlichkeit und dem Schutz der Grundrechte neue Kompromisse zu finden. Dies könnte zu einer weiteren Verschärfung der politischen Auseinandersetzungen führen und die Fähigkeit der EU, als einheitlicher Akteur aufzutreten, auf die Probe stellen. Die Zukunft der Europäischen Union steht somit an einem Scheideweg, über dessen Ausgang die Bürger*innen vom 6. bis 9. Juni entscheiden werden.

Unklar bleibt dabei, ob die rechtspopulistischen Parteien nach der Wahl in einer Fraktion zusammenfinden werden. Aktuell gibt es im Europaparlament zwei rechtspopulistische Fraktionen - Europäische Konservative und Reformer (EKR) und Identität und Demokratie (ID). Der EKR-Fraktion gehören unter anderem die PiS, Vox und die Fratelli d’Italia an. In der ID-Fraktion sind besonders die AfD, der Rassemblement National und die Lega stark vertreten. Nach dem Treffen einiger AfD-Politiker*innen mit Rechtsextremist*innen in Potsdam stellte Marine Le Pen die Zusammenarbeit mit der AfD jedoch offen infrage. Ein starkes Abschneiden rechtspopulistischer Parteien bei der Europawahl bedeutet also nicht zwangsläufig, dass diese auch im Europäischen Parlament zusammenarbeiten werden.

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