Diplomatie mit höchstem Fingerspitzengefühl ist es, was die Kanzlerin und der französische Präsident François Hollande dieses Wochenende wohl leisten mussten. Nach fünfstündigen Verhandlungen mit dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko in Kiew flogen sie am Freitag nach Moskau, um auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu treffen. In der Tasche – eine „Friedensmission“? Die Kanzlerin und Frankreichs Präsident wollten Putin einen Plan unterbreiten, um zumindest den Waffenstillstand in der Ostukraine zu erreichen. Vorangetrieben durch das Blutvergießen im Osten des Landes kam dieser Schritt eher unerwartet als unverhofft.
Inhalt und konkrete Beschlüsse vorerst unklar
Zum Inhalt der Verhandlungen ist nur wenig bekannt. Als sicher gilt jedoch, dass dieser „neue Plan“ frischen Wind in das Minsker Abkommen – das nie umgesetzt wurde – bringen soll, oder zumindest auf diesem aufbaut. Das Abkommen vom September 2014 hatte unter anderem den sofortigen Waffenstillstand, den Abzug von schwerer Artillerie aus der Ostukraine, die Einrichtung einer entmilitarisierten Zone, sowie neutrale Beobachter zur Einhaltung der Waffenruhe zum Inhalt. All diese Punkte scheinen in den neuen Friedensverhandlungen beibehalten zu werden.
Nur soll der russisch-geprägten Separatistenregion weiter entgegengekommen werden. So wird wohl eine Verschiebung der Frontlinie, in Anbetracht der Vergrößerung des Gebietes seit September letzten Jahres, wie auch gewisse Autonomierechte diskutiert. Weiter beharrt die russische Führung auf der Notwendigkeit eines direkten Dialoges zwischen der ukrainischen Regierung und den Separatisten. Poroschenko hatte eine solche Option bis zuletzt abgelehnt.
Gemischte Gefühle bei der Beurteilung der Verhandlungen
Der deutsche Regierungssprecher bezeichnete die Verhandlungen als „konstruktiven Meinungsaustausch“, doch die Kanzlerin selbst versuchte am Samstag auf der Sicherheitskonferenz in München die Erwartungen im Zaun zu halten. Die Erfolgsaussichten seien ungewiss. Laut Frankreichs Präsident Hollande handle es sich sogar um einem drohenden Krieg vor Europas Haustür, falls die Verhandlungen scheitern sollten.
Waffen oder Worte? Diplomatie auf die Probe gestellt
Die Anspannung ist auf allen Seiten praktisch greifbar. Und als ob die Lage nicht prekär genug wäre, beschleicht einen die Tage ein unangenehmes Gefühl des Drucks, vor allem seitens der Vereinigten Staaten. Die dort geplanten Waffenlieferungen an die Ukraine, welche von der russischen Regierung zumindest als schwere Provokation, wenn nicht sogar als persönlicher Angriff aufgenommen würden, und von der Kanzlerin am Samstag vehement abgelehnt worden sind, hängen wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Beteiligten.
Immer lauter wurden in München die Stimmen, welche eine Lösung des Konfliktes der Diplomatie allein nicht mehr zutrauen. Jener Diplomatie, die vor allem die Bundesregierung mühsam aufgebaut und genauso mühsam versucht am Leben zu erhalten, auch wenn sie bei ihrem Gegenpart nicht immer auf die gleiche Kooperationsbereitschaft stößt.
Entschieden wird über nicht mehr und nicht weniger als über Krieg und Frieden
Am Samstag beschwört Frau Merkel noch den langen Atem, welchen man in solchen Situationen bräuchte und den vor allem die deutsche Geschichte gelehrt habe. Die Aussage der Bundeskanzlerin, welche damit ihrem französischen Kollegen widerspricht, beruhigt: dies sei nicht der letzte Versuch. Einer der bedeutendsten ist es allemal.
1. Am 11. Februar 2015 um 00:58, von Alexander Peters Als Antwort Zähes Ringen um den Frieden
„DIPLOMATIE“
Die Europäer „beschleicht ein unangenehmes Gefühl des Drucks, vor allem seitens der Vereinigten Staaten“? Dies ist die vielleicht „letzte Chance“ für „Diplomatie“ nach europäischen Vorstellungen?!
Na hoffentlich, denn die europäische Vorstellung von „Diplomatie“ ist nur noch verrückt und produziert einen ständig wachsendenden Leichenberg. Anders als ein Steinmeier - oder auch Autorin Yulia - es sich vorstellen, ist Diplomatie nicht eine rhetorische Zauberkunst, welche Machtmittel - und die Bereitschaft sie einzusetzen - überflüssig macht, sondern erfolgversprechende Diplomatie SETZT solche Machtmittel VORAUS. Diplomatische Verhandlungen gibt es nur zwischen Mächten, nicht zwischen Macht und Ohnmacht. Für die Meinung eines liechtensteinischen Außenministers - und wäre er an Geist ein zweiter Metternich - interessiert sich in der Staatenwelt niemand, einfach deshalb, weil man Liechtensteins Interessen gefahrlos mißachten kann.
Nun ist die EU mit ihrer halben Milliarde Einwohnern kein Liechtenstein; sie hat (etwas) Militär und sie hat vor allem großes wirtschaftliches Gewicht. Aber die EU hat sich durch ihr Verhalten zu einem zweiten Liechtenstein gemacht. Wenn der Gedanke an Waffengewalt die Europäer erschaudern läßt - was man noch verstehen kann - dann sollten Sie um so entschiedener zu wirtschaftlichen Druckmitteln gegen Putin greifen. Doch auch das wollen sie nicht. Statt den Agressorstaat konsequent vom europäischen Markt auszusperren und nach Ersatz für sein Gas zu suchen, diskutieren sie monatelang über lächerliche, bloß symbolische Personenlisten. Es ist offensichtlich, daß den Europäern völlig der Wille dazu fehlt, dem völkischen Eroberungsfaschismus des Putin-Dugin-Girkin-Barkaschow-Rußlands ernsthaft entgegenzutreten.
Solange aber, wie das Putinregime europäische Wünsche mißachten kann, ohne größeren Schaden für sich fürchten zu müssen, WIRD ES SIE MIßACHTEN, und seinen Eroberungstraum weiterverfolgen. Die europäischen „Friedensinitiativen“ für die Ukraine heute sind so sinnlos, wie es einst die der Lords Carrington und Owen für Jugoslawien waren. So etwas ist keine „Diplomatie“ - so etwas ist bloß leeres Geschwätz.
2. Am 21. Februar 2015 um 10:25, von duodecim stellae Als Antwort Zähes Ringen um den Frieden
Europa sollte es machen wie Putin: Ein paar humanitäre Hilfsgüter in die West-Ukraine liefern und dann: „Hoppla, wie ist denn da der Leopard2 zwischen die Spätzle gekommen! Wir liefern doch keine Waffen!“
3. Am 23. Februar 2015 um 14:51, von Marcel Wollscheid Als Antwort Zähes Ringen um den Frieden
Alexander Peters, der Leichenberg ist nicht der europäischen Diplomatie zuzuschreiben, dafür sind andere Akteure verantwortlich. Worin Sie Recht haben: „Solange aber, wie das Putinregime europäische Wünsche mißachten kann, ohne größeren Schaden für sich fürchten zu müssen, WIRD ES SIE MIßACHTEN“. Ich befürchte, dass auf eine Phase der Deeskalation weitere Verletzungen der territorialen Integrität der Ukraine folgen werden. Ich befürchte, die Separatisten rücken weiter nach Süden. Warum? Weil es bisher erfolgreich war.
Dazu mein Standpunkt: http://www.treffpunkteuropa.de/ende-der-illusionen
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