Willkommen in Europa

, von  Jonas Botta

Willkommen in Europa
Das Flüchtlingslager Choucha in Tunesien, nach dessen Schließung hunderte Geflüchtete sich selbst überlassen waren. Foto: „Line“ © kenny lynch / Flickr / CC BY-NC-SA 2.0

Während nach jeder politischen, wirtschaftlichen und klimatischen Krise immer mehr Menschen ihr altes Leben für eine Flucht ins Ungewisse aufgeben müssen, schottet die Europäische Union ihre Grenzen weiter ab. Ein neuer Tiefpunkt in der europäischen Asylpolitik scheint die Schaffung von Asylzentren in Nordafrika zu werden.

EU-Willkommenszentren in Nordafrika

Wenn sich der deutsche Innenminister Thomas de Maiziére (CDU) und seine italienischen und österreichischen Kollegen in der EU durchsetzen können, sollen in Zukunft sogenannte EU-Willkommenszentren in Nordafrika entstehen. Dort sollen unter der Hoheit des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) die Asylanträge der Geflüchteten beschieden werden. Das Ziel dieser Asylzentren ist es laut ihrer Befürworter, Geflüchtete ohne derzeitige Chance auf Asyl in Europa von der gefährlichen Überquerung des Mittelmeeres abzubringen und somit die Anzahl der Opfer dieser Überfahrten zu verringern. Dies soll ein erster Schritt sein, um effektiv gegen die Geschäftsgrundlage der organisierten Kriminalität in Form der Schlepperbanden vorzugehen. Zudem soll so die Gesamtanzahl der Geflüchteten in Europa reduziert werden.

Diktatoren und Kriegsverbrecher als Partner der EU

Das ist keineswegs ein neuer Gedanke. Bereits 2014 hatte sich der damals amtierende Bundesinnenminister Otto Schilly (SPD) vergeblich für die selbe Idee stark gemacht. Vier Jahre später setzte sich die EU - vor allem auf das Betreiben der damaligen italienischen Regierung unter Silvio Berlusconi - dafür ein, mit dem libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi ein Abkommen zu schließen. Dieses beinhaltete unter anderem eine verstärkte Zusammenarbeit beider Seiten in der Grenzkontrolle und eine daraus folgende Verringerung der nach Europa kommenden Geflüchteten.

Im Gegenzug sollte Libyen finanziell unterstützt werden. Die EU hielt an diesen Plänen auch fest, nachdem Libyen 2010 die Schließung des UNHCR-Büros in Tripolis durchgesetzt hatte und in Folge dessen eine Kontrolle der menschenrechtlichen Situation der Geflüchteten nicht mehr garantiert werden konnte. Letztendlich scheiterte das Abkommen jedoch am Widerstand des Europäischen Parlaments und dem Arabischen Frühling. Auch wenn bis heute keine vertraglichen Beziehungen zwischen der EU und Libyen bestehen, wurde im Mai 2013 die EU Border Assistance Mission (EUBAM) in Libyena ins Leben gerufen. Mit der Mission will die EU Libyen bei der Sicherung seiner Grenzen unterstützen. Die Berichte von Nichtregierungsorganisationen wie Human Rights Watch über massive Menschenrechtsverletzungen an Geflüchteten durch libysche Behörden bleiben dabei scheinbar bis heute unbeachtet.

Menschenrechtsverletzungen sind allgegenwärtig

Insbesondere in der aktuellen Debatte wird Libyen als mögliches Partnerland für die Etablierung von Asylzentren gehandelt. Da mag es nicht verwundern, dass der Sudan ebenfalls in Erwägung gezogen wird. Dass gegen Sudans Präsident al-Bashir ein internationaler Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen vorliegt, scheint dabei genauso wenig wie die politische Instabilität und andauernden gewaltsamen Konflikte ein Ausschlusskriterium zu sein. Nicht viel besser sieht es im Nachbarstaat Ägypten aus. Nach dem vorläufigen Scheitern des Arabischen Frühlings werden in ägyptischen Gefängnissen nicht nur zehntausende politische Gefangene inhaftiert, sondern auch Geflüchtete sind staatlichen Repressionen hilflos ausgesetzt. Insbesondere Syrer werden als angebliche Unterstützer der Muslimbrüder diskriminiert und in die Illegalität verdrängt. Es ist somit nur nachvollziehbar, dass den Menschen nur noch der Weg nach Europa bleibt, wenn sie ein menschenwürdiges Leben führen wollen.

Alternative: Gemeinsame Seenotrettungsoperation

Doch die Überfahrt ist gefährlich, die Zahl der Opfer verunglückter Boote steigt. Bei einem erneuten Bootsunglück vor der libyschen Küste sollen am Dienstag bis zu 400 Flüchtlinge ertrunken sein. Solche Katastrophen sollen die EU-Willkommenszentren zukünftig verhindern. Doch statt den Flüchtlingen zu helfen, versuchen die EU-Mitgliedsstaaten trotz ihrer Kenntnis von diversen Menschenrechtsverletzungen in den nordafrikanischen Staaten das „Flüchtlingsproblem“ für ein paar Milliarden loszuwerden. Ungelöst ist bisher auch die daraus resultierende rechtliche Problematik: nach welchem Rechtssystem können die Geflüchteten Asyl beantragen, wo können sie bei einer Ablehnung ihres Antrag Beschwerde einreichen, sollen EU-Beamte in die Zentren entsandt werden, nach welchem Prinzip sollen sie auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden? Fragen, auf die es bisher keine Antworten gibt. Eine Alternative schlägt die EU-Abgeordnete Ska Keller Bündnis 90/Grüne) vor, die für eine gemeinsame Neuauflage der italienischen Seenotrettungsoperation Mare Nostrum plädiert.

Ihr Kommentar
  • Am 16. April 2015 um 10:43, von  Ludger Wortmann Als Antwort Willkommen in Europa

    Lieber Jonas, vielen Dank für deinen Artikel. Man mag in diesen Auffanglagern vielleicht sogar die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten können, wenn sie von der EU geleitet werden, aber mir ist nicht klar, wie man verhindern soll, dass die libysche Version des IS oder das ägyptische Militär einfach drumherumstehen und die Leute aufhalten. Sie können nicht den ganzen Strand überwachen, die „Willkommenszentren“ aber schon. Außerdem ist fraglich, wie es denn weitergehen soll, wenn Menschen in diesen Zentren dann asylberechtigt sind. Nach der aktuellen Rechtslage, die ja im Moment kein Mitgliedstaat ändern will, kann man Asyl nur in dem Land beantragen, in dem man angekommen ist. Wenn man aber in Libyen angekommen ist, scheint mir das aussichtslos für Europa.

    So wäre hier mein Gegenvorschlag: Man lässt Frontex statt der Triton-Mission eine Neuauflage der Operation Mare Nostrum starten und Schiffbrüchige aus dem Wasser fischen (dafür sollte Frontex dann besser ausgerüstet werden) und richtet EU-verwaltete Auffanglager in Europa ein, in denen dann Menschen, sofern sie Asyl bekommen, nach einem Schlüssel auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden. Das Arbeits- und Ausbildungsverbot für Flüchtlinge schafft man ab, damit diese nicht mehr in dem Maße eine Bürde für die Aufnahmegesellschaft darstellen. Gleichzeitig könnte man ja Verpflichtungen zur Weiterbildung, zu Sprachkursen usw. überall da einführen, wo sie nicht schon existieren. Abschiebungen sind nur noch innerhalb eines bestimmten Zeitraums nötig, danach wird auch dann nicht mehr abgeschoben, wenn das Herkunftsland wieder sicher geworden ist, zumindest wenn sie hinreichend integriert sind.

    Mein Vorschlag würde sicher nicht alle Probleme lösen, aber wäre sicherlich besser als die aktuelle Lösung oder diese unrealistischen „Willkommenszentren“. Zwar würde durch meine Lösung der Anreiz für Schlepperbanden noch größer, aber wenn man Leute ohne Asylberechtigung relativ schnell abschiebt, spräche sich das ja vielleicht herum. Viele Leute sagen, man solle den Schlepperbanden das Handwerk nehmen, indem man einfach niemanden mehr aufnimmt, aber das ist wohl kaum mit Ethik oder den Menschenrechten vereinbar. Viele Grüße Ludger

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