EU - Trinkwasserrichtlinie

Wie steht es um Europas Trinkwasserressourcen? Wasserknappheit kurz erklärt

, von  Sira Horstkötter

Wie steht es um Europas Trinkwasserressourcen? Wasserknappheit kurz erklärt
Droht auch Europa bald die Trinkwasserknappheit? Foto: Pixabay / Katja Just / Pixabay Lizenz

Wasser ist das Elixier des Lebens. Doch der hohe Verbrauch, der Klimawandel und das weltweite Bevölkerungswachstum setzen Europas Trinkwasserreserven unter Druck: Droht uns in Zukunft die Wasserknappheit auch in Europa? Ein FAQ.

Trinkwasser als Menschenrecht? Es kommt in Europa wie völlig selbstverständlich aus der Leitung: klares und sauberes Trinkwasser. Ein Recht oder ein Privileg? Der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist ein Menschenrecht. Dafür kämpfte die europäische Bürger*inneninitiative „Right2Water“. Die im Jahr 2013 von mehr als 1,8 Millionen Menschen unterzeichnete Initiative richtete sich gegen die EU-Konzessionsvergaberichtlinie. Der Entwurf sah vor, dass Ausschreibungen im Wassersektor nicht mehr nur kommunal, sondern auch auf dem europäischen Markt getätigt werden sollten. Sehr zum Ärger von kommunalen Verbänden und Unternehmen sowie Gewerkschaften, die eine Liberalisierung der Wasserwirtschaft fürchteten und die Bürger*inneninitiative ins Leben riefen. Mit Erfolg. Die Wasserwirtschaft wurde aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herausgenommen. Außerdem wurden die Forderungen von „Right2Water“ teilweise als Grundlage für die Überarbeitung der EU-Trinkwasserrichtlinie, die im Jahr 2018 begann, übernommen. Die Reform der EU-Trinkwasserrichtlinie wurde im Dezember 2020 vom Europäischen Parlament beschlossen.

Auch die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Menschenrecht auf Wasser im Jahr 2010 in einer Resolution anerkannt. Die Realität sieht in vielen Weltregionen noch anders aus – auch in Europa. Nach Angaben von Statista hatten im Jahr 2017 acht Prozent der Europäer*innen keinen sicheren Zugang zu Trinkwasser. Im weltweiten Vergleich ein niedriger Wert, so haben laut dem aktuellen Wasserbericht der Vereinten Nationen 2,2 Milliarden Menschen weltweit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Doch auch hierzulande könnte das blaue Gold bald ein knappes Gut werden.

Wie steht es aktuell um die europäische Wasserpolitik? Europa verfügt über eine Fülle von Süßwasserquellen in Form von Seen, Flüssen, Bächen und dem Grundwasser, für deren Schutz die EU, die Mitgliedstaaten, Regional- und Kommunalregierungen verantwortlich sind. Diese Aufgabe ist vielfältig – so betrifft sie sowohl die Qualitätssicherung der Gewässer als auch den Zugang zu Trinkwasser, etwa durch die passende Infrastruktur oder den Schutz vor Verunreinigung, das Abwassermanagement oder das Festlegen von Richtwerten für Schadstoffbelastungen. Die EU-Wasserpolitik zielt unter anderem auf eine Verbesserung der Qualität der europäischen Gewässer und den Zugang zu sicherem Trinkwasser ab und umfasst eine Vielzahl von Richtlinien und Regulierungen. Da es sich um eine geteilte Gesetzgebungskompetenz handelt, obliegt die Verantwortung sowohl der EU als auch den Mitgliedstaaten.

Ein Beispiel für die EU-Wasserpolitik ist die EU-Trinkwasserrichtlinie. Sie wurde erstmals 1998 verabschiedet und auf Basis der Initiative von „Right2Water“ überarbeitet. Im Oktober 2020 wurde die Richtlinie vom Umweltrat der EU beschlossen und schließlich, kurz vor Jahresende, im Dezember 2020 vom EU-Parlament angenommen. Sie formuliert unter anderem höhere Qualitätsstandards für Trinkwasser und fördert den Zugang im öffentlichen Raum, z.B. indem sie den Bau von Trinkwasserspendern an öffentlichen Orten vorsieht. Nun sind die Mitgliedsstaaten am Zug, die die Richtline noch innerstaatlich umsetzten müssen.

Woher kommt das Trinkwasser in Europa? Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur wurde europaweit ca. 61,9 Prozent des Trinkwassers aus Flüssen bezogen. 24,5 Prozent aus Grundwasser und künstlichen Reservoirs, wie z.B. Talsperren.


Aus diesen Quellen kommt das europäische Trinkwasser. Europäische Umweltagentur 2018 | Common common license .

Was bedeutet Wasserknappheit? Nach Angaben des UN-Wasserberichts 2019 leiden mehr als zwei Milliarden Menschen unter hohem Wasserstress. Wasserstress bezeichnet einen Zustand, in dem einem Menschen weniger als 1.700 m³ pro Kopf im Jahr zur Verfügung steht. Wasserknappheit liegt vor, wenn die zur Verfügung stehenden Ressourcen auf unter 1000 m³ fallen. Bei weniger als 500 m³ spricht die UNESCO von absoluter Wasserknappheit. Dieses Problem betrifft insbesondere Länder des globalen Südens. Zum Vergleich: Nach einem Bericht der Europäischen Umweltagentur standen im Jahr 2017 einer Person in Europa im Durchschnitt 4 560 m³ jährlich zur Verfügung. Allerdings gibt es erhebliche regionale Unterschiede.

Den Malteser*innen stehen mit 1200 m³ pro Kopf deutlich weniger Trinkwasser zur Verfügung als dem europäischen Durchschnitt, wohingegen Norwegen mit durchschnittlich 7000 m³ pro Kopf deutlich darüber liegt. Wasserknappheit kann sich durch zwei Faktoren ergeben: Erstens durch eine schlechte Infrastruktur, die den Zugang zu sauberem Wasser verhindert. Zweitens kann in einer Region oder einem Staat eine zu geringe Menge an Süßwasser zur Verfügung stehen, um die Bevölkerung ausreichend zu versorgen. Weltweit sind die Süßwasserressourcen sehr ungleich verteilt. Dieses Problem wird durch zwei Faktoren verschärft: Der Nachfrage nach Trinkwasser, die vom Bevölkerungswachstum abhängt und klimatischen Faktoren, insbesondere dem Klimawandel.

Als Folge von Wasserknappheit fehlt es im privaten Verbrauch dann an Trinkwasser, welches z.B. zum Trinken, Kochen und für die Körperhygiene genutzt wird. Auch für die Wirtschaft ist Wassermangel ein Problem: In der Landwirtschaft wird viel Wasser eingesetzt z.B. für die Bewässerung und die Viehzucht. Für den Anbau von einem Kilogramm Baumwolle werden laut WWF etwa 11.000 Liter Wasser benötigt. Auch im Mittelmeerraum werden noch viele wasserintensive Pflanzen wie Mais oder Zuckerrüben angebaut. Dementsprechend wirkt sich Wassermangel unmittelbar auf die Nahrungsmittelproduktion aus.

Wie viel Wasser verbraucht Europa? Europas Wasserverbrauch ist im weltweiten Vergleich hoch. Dies liegt neben einem hohen Lebensstandard nicht zuletzt auch an der industriellen Nutzung. Laut der Europäischen Umweltagentur verbrauchte die Landwirtschaft mit rund 40 Prozent die meisten Süßwasservorräte in Europa. Auf dem zweiten Platz landet die Energiewirtschaft mit rund 28 Prozent. Darauf folgen der Bergbau und das produzierende Gewerbe mit 18 Prozent und private Haushalte mit rund 12 Prozent. Jedoch lohnt sich auch ein Blick hinter die übergreifenden Zahlen, denn die Wassernutzung variiert je nach Region enorm. In den südeuropäischen Staaten ist die Agrarwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftszweig, sodass hier auch die höchste Wasserabschöpfung erfolgt. In den Nord- und osteuropäischen Staaten dominiert hingegen die Wasserentnahme in der Energiewirtschaft und anderen Industriesektoren, wo Wasser etwa zu Kühlungszwecken eingesetzt wird.


Die Entwicklung der Trinkwasserentnahme in Europa seit den 1990er-Jahren. Europäische Umweltagentur | Common common license .


Zudem verbrauchen nicht alle Produkte gleich viel Wasser. Wie viel Wasser bei der Herstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung verbraucht wird, wird durch den Begriff des „virtuellen Wassers“ ausgedrückt. Ein Beispiel hierfür ist der Wasserverbrauch eines Kilogramms konsumfertigen Schweinefleischs: Laut WWF werden hierfür im Schnitt 15.500 Liter virtuelles Wasser unter Einbezug des wasserintensiven Anbaus der Futtermittel Soja und Mais verbraucht.

Welche Folgen hat der Klimawandel für die europäische Wasserversorgung? Der diesjährige September war der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnung, die letzten drei Jahre wurden als „Dürrejahre“ bezeichnet, Landwirt*innen klagen über Missernten. Der Anstieg des Meeresspiegels führt dazu, dass in Küstenregionen das Grundwasser versalzen kann: Bei einer Entnahme von Trinkwasser aus den Grundwasserspeichern drängt hier Meereswasser nach mit der Folge, dass das Grundwasser für den Menschen ungenießbar wird. Diese Beispiele machen deutlich, welche Auswirkungen der Klimawandel auf Süßwasserressourcen hat. Er wirkt als Beschleuniger, da durch ihn Extremwetterereignisse zunehmen werden: Dürreperioden werden durch geringen Niederschlag häufiger und länger, ehemals fruchtbare Böden vertrocknen, Süßwasserquellen können austrocknen und an anderer Stelle können sich heftige Regenfälle häufen – um nur einige der Folgen zu nennen. Dies wirkt sich auch auf die Lebensmittelproduktion aus, da aus den Starkwetterereignissen Missernten resultieren.

Wo das Wasser bereits knapp ist: Sterbende Felder im „Gemüsegarten Europas Die Probleme, denen die Wasserpolitik in der EU ausgesetzt ist, sind so divers wie die Mitgliedstaaten selbst. Die Regionen, die viel Süßwasserressourcen benötigen, sind bisher stärker vom Wassermangel betroffen. Gerade in den südeuropäischen Staaten muss mit Blick auf die Folgen des Klimawandels viel getan werden, um den Zugang zum Trinkwasser auch in Zukunft zu gewährleisten. Die wasserreicheren Mittel-, Ost- und Nordeuropäischen Staaten sind vergleichsweise vom Wassermangel betroffen. Andererseits hängt ihre Lebensmittelversorgung zu einem großen Teil von der Landwirtschaft in den südeuropäischen Staaten ab. Andalusien, die südlichste Provinz Spaniens, gilt auch als der „Gemüsegarten Europas“, da hier ein Großteil der Gemüsesorten für europäische Bürger*innen angebaut werden. Doch in der Region wird das Wasser immer knapper. Dies hat Folgen für die Landwirt*innen, die immer häufiger über schlechte Ernten klagen.

Das Problem mit den Nitrat-Grenzwertüberschreitungen Die EU hat in den vergangenen Jahren viel getan, um die Qualität des Wassers zu verbessern. Neben der Trinkwasserrichtline existieren eine Vielzahl an anderen Richtlinien, wie die EU-Wasserrahmenrichtlinie oder die EU-Grundwasserrichtlinie. In den vergangenen Jahren wurde in Brüssel ein Risiko für die Trinkwasserversorgung besonders kritisch beäugt: Hohe Nitratwerte, die durch den Einsatz von Gülle aus Mastställen und Biogasanlagen zur Düngung der Felder eingesetzt werden, belasten das Grundwasser. Nitrat ist in großen Mengen nicht nur für die Umwelt schädlich, sondern auch für den Menschen. Das aus Nitrat entstehende Nitrit kann im Körper mit anderen Verbindungen reagieren, wobei es zu Verbindungen kommt, die sich bei Tierversuchen als krebserregend herausgestellt haben. Das Bundesamt für Risikobewertung warnt daher vor langfristigem Verzehr von großen Nitratmengen. Daher wurde in der EU-Nitratrichtlinie ein europaweit einheitlicher Höchstwert von 50 mg Nitrat je Liter festgelegt.

In einigen Staaten Europas kommt es jedoch immer wieder zu Grenzwertüberschreitungen. Nach einem Bericht der EU-Kommission von 2018 war dies zwischen 2012 und 2015 an ca. 13,2 Prozent der Messstationen der Fall. Hohe Werte verzeichneten etwa die Niederlande, Malta Spanien und Deutschland. Im medialen Diskurs stand Deutschland in den vergangenen Jahren vermehrt für die regionale Überschreitung der Nitratwerte im Grundwasser in der Kritik. Im Jahr 2018 wurde Deutschland durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes dazu angehalten, die Nitratwerte im Grundwasser zu verringern. Darauf folgte ein zweijähriges Ringen zwischen Brüssel und Berlin: Die EU-Kommission forderte die EU zur Nachbesserung auf und leitete sogar noch ein Zweitverfahren gegen Deutschland ein, welches durch die Verschärfung des Düngerrechts im Frühjahr 2020 abgewendet werden konnte. Ohne Nachbesserung hätten Strafzahlungen in Höhe von 850.000 Euro gedroht.

Und jetzt? Müssen wir nun alle sparsamer mit Trinkwasser umgehen? Vermutlich, doch ein großer Teil des Wasserverbrauches erfolgt nicht in den privaten Haushalten, sondern in der Industrie, der Energiewirtschaft und der Agrarwirtschaft. Positiv hervorzuheben ist, dass laut der Europäischen Umweltagentur die Gesamtwasserentnahme seit den 1990er Jahren durch eine effizientere Nutzung um 19 Prozent zurückgegangen ist. Erfolge konnten dabei insbesondere in der Landwirtschaft verzeichnet werden. Technologischer Fortschritt bei Maschinen und Geräten, verbesserte Bewässerungsmethoden, eine höhere Bepreisung von Wasser und Aufklärungskampagnen sind Teil der Bemühungen.

Im März 2020 verabschiedete der Rat der EU etwa eine Verordnung, die die Wiederverwendung von aufbereitetem Abwasser für die landwirtschaftliche Bewässerung erleichtern soll. Aber auch eine intelligentere Bepflanzung der Äcker könnte in Zukunft Abhilfe schaffen. So wird bereits an trockenresistenteren Kultur- und Nutzpflanzen wie z.B. Mais geforscht, die insgesamt weniger Wasser benötigen. Auch das Verfahren der Entsalzung, bei dem Meerwasser in Trinkwasser umgewandelt wird, wird bereits weltweit eingesetzt. Auch wenn die Trinkwasserqualität im weltweiten Vergleich sehr gut ist, ist nicht von der Hand zu weisen, dass die wirtschaftliche Nutzung unsere Süßwasserressourcen belastet – sowohl die Quantität als auch die Qualität. Die Qualität des Trinkwassers könnte durch die Umsetzung der revidierten EU-Trinkwasserrichtlinie und die bessere Einhaltung anderer Richtlinien noch weiter erhöht werden. Die Menge des verfügbaren Trinkwassers hängt von der Abschöpfung des verfügbaren Süßwassers ab, welche durch die Faktoren Bevölkerungswachstum und Klimawandel stark beeinflusst wird. Unausweichlich werden sich diese die bestehenden Probleme in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Ob die Trinkwasserversorgung auch künftig weiterhin gesichert werden kann, hängt also auch in Europa von effektivem Klimaschutz und der Anpassung an die neuen klimatischen Verhältnisse ab.

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