Einflussnahme ausländischer Akteure

Wie Desinformationen die Europawahl bedrohen

, von  Claudia Bothe

Wie Desinformationen die Europawahl bedrohen
Der Europäische Auswärtige Dienst (EEAS) hat seinen Sitz in Brüssel und ist dafür zuständig, die EU vor Desinformationen zu schützen. Foto: EEAS / Flickr / Lizenz / Logo von treffpunkteuropa hinzugefügt

Desinformationen sind Gift für Demokratien und schwächen den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sagte der EU-Außenbeauftragte, Josep Borrell, in seiner Rede Ende Januar. Dabei handele es sich um ein besonders kritisches Jahr, denn gut 60 Wahlen werden 2024 weltweit abgehalten. Dazu gehört auch die Europawahl am 9. Juni.

Das europäische Parlament fordert eine koordinierte Strategie, um besser gegen ausländische Einmischungen und Manipulationsversuche gewappnent zu sein. Denn die Beispiele von Desinformationkampagnen mehren sich: die US-Wahl im Jahr 2016, der Brexit, die Corona-Pandemie oder der Krieg in die Ukraine. Dabei handelt es bei Desinformationen um falsche oder irreführende Inhalte, die mit der gezielten Absicht verbreitet werden, öffentlichen Schaden anzurichten. Auch Fehlinformationen beinhalten falsche Inhalte, wurde aber ohne schädliche Absichten verbreitet. Desinformationen sind sozusagen absichtliche Fehlinformationen.

Um dagegen vorzugehen, rief die EU bereits im Jahr 2015 das Projekt „EUvsDisinfo“ ins Leben. Hauptaufgabe der Arbeitseinheit des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) ist es, die russische Desinformationskampagnen aufzudecken und zu dokumentieren. Informationsmanipulation durch ausländische Akteure ist also kein neues Phänomen. Ihre Verbreitung und Auswirkungen nehmen jedoch zu, besonders seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.

Desinformationen betreffen uns alle

Gerade zu Zeiten von Krisen oder Wahlen werden von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren gezielt Desinformation gestreut — nicht immer mit der Absicht eine bestimmte politische Partei zu stärken, sondern vor allem Verwirrung zu stiften und die Polarisierung in der Gesellschaft zu erhöhen. „Das Wahljahr 2024 hat gerade erst begonnen und wir haben bereits zahlreiche Fälle von Desinformation in den Ländern gesehen, wo schon gewählt wurde, beispielsweise die Manipulationsversuche Chinas bei den Wahlen in Taiwan“, sagt Raquel Miguel Serrano. Er forscht bei der Nichtregierungsorganisation „EU DisinfoLab“ zu Einflussnahmen ausländischer Akteure. Demnach sei es durchaus wahrscheinlich, dass es auch bei den Europawahlen zu Manipulationsversuchen und Desinformationskampagnen kommen wird.

Doch nicht nur Abgeordnete in Brüssel sind mit Fehlinformationen konfrontiert. Mehr als jeder Zweite stößt im Internet zumindest gelegentlich auf politisch motivierte Desinformationen. Das ergab eine Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2023, die im Auftrag der Medienanstalt NRW durchgeführt wurde. 85 Prozent der befragten Internetnutzer*innen gaben an, dass diese Desinformationen die Demokratie gefährden könnten. Dabei werden diese falschen Inhalte zwar häufiger erkannt, aber immer seltener gemeldet.

Haben im Jahr 2021 noch gut die Hälfte der 14- bis 24-Jährigen eine Falschnachricht oder deren Verfasser*in bei der entsprechenden Plattform gemeldet, so waren es im Jahr 2023 nur noch 36 Prozent. Dafür gleichen die jungen Internetnutzer*innen Nachrichten häufiger mit anderen Informationen im Internet ab. Bei den 45-bis 59-Jährigen hat sich sowohl die Bereitschaft Informationen und Quellen im Internet zu überprüfen als auch gegen falsche Inhalte vorzugehen zwischen 2021 und 2023 erhöht. Insgesamt gaben deutlich weniger Befragte an, Fehlinformationen zunächst für wahr gehalten und dann auch geteilt zu haben. Das spricht für ein wachsendes öffentliche Bewusstsein für die Gefahr von Desinformationen.


Zentrale Akteure, wenn es um Wahlmanipulation und Desinformationen geht, sind Russland und China. Dabei sind laut dem Bericht des Sonderausschusses zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union nicht nur Mitgliedstaaten ein potentielles Ziel, sondern auch Länder, die der EU beitreten möchten — beispielsweise die Westbalkanstaaten.

Im Rahmen des zweiten jährlichen Desinformationsberichts der EU wurden 750 Fälle gezielter Desinformationskampagnen und Manipulationsversuche durch ausländische Akteure im Jahr 2023 dokumentiert. Das häufigste Zielland war die Ukraine mit 160 Fällen, gefolgt von den USA mit 58 dokumentierten Ereignissen. In Deutschland wurden 31 Desinformationskamapagnen gezählt. Neben Ländern und deren Regierungen können aber auch Organisationen oder Einzelpersonen Opfer von Manipulationsversuchen werden. Am häufigsten wird hier die EU zur Zielscheibe mit 19 Prozent der Fälle, gefolgt von der NATO (15 Prozent), aber auch Medienhäuser wie Reuters oder die New York Times gehören dazu.


Auch die Plattformen stehen in der Verantwortung

Des Weiteren sprechen sich die EU-Abgeordneten für ein Verbot von TikTok auf den Regierungsebenen aller Mitgliedstaaten sowie in den EU-Institutionen aus. Serrano vom EU DisinfoLab sieht solche Verbote kritisch: „Verbote wie das von TikTok sind im Allgemeinen nicht sehr sinnvoll, da sie zu Unverständnis und einem Gefühl der Zensur führen können.“ Aber man könne diesen Plattformen mit Regulierungen begegnen wie dem kürzlich in Kraft getretenen Gesetz für Digitale Dienste.

Das EU-Gesetz für Digitale Dienste (Digital Sevices Act, DAS), verpflichtet besonders große Online-Plattformen und Suchmaschinen wie beispielsweise Google oder Facebook dazu, konsequenter gegen Falschinformationen und Hassrede vorzugehen. Seit Febraur sind nun auch kleinere Plattformen dazu verpflichtete gegen illegale Inhalte vorzugehen. Das Gesetz für Digitale Dienste soll also dem Schutz von Internetnutzer*innen dienen, unter anderem durch mehr Transparenz und konkrete Anlaufstellen für Beschwerden und Verstöße.

In Zukunft werde die EU immer mehr Zeit und Ressourcen in die Bekämpfung von Desinformationen investieren müssen, sagt Serrano. „Mit Blick auf die Wahlen kommt es aber darauf an, erst einmal die vorhandenen Instrumente einzusetzen." Gleichzeitig sei es wichtig, die Bürger*innen für die Gefahren von Desinformationen weiter zu sensibilisieren. Hier können beispielsweise Initiativen zur Verbesserung der Medienkompetenz sinnvoll sein.

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