Crashkurs Europageschichte
Bevor wir diese Fragen beantworten können, braucht es erst einmal einen kleinen Überblick über die Geschichte der EU. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde immer klarer, dass sich die Länder in Europa durch Zusammenarbeit gegenseitig stärken können. Vor allem die westeuropäischen Staaten, allen voran Deutschland und Frankreich, gründeten in dieser Zeit Wirtschaftsgemeinschaften, wie die „Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ (1951) oder die „Europäische Atomunion“ (1957). In den Folgejahren intensivierte sich die Arbeit dieser Europäischen Gemeinschaften immer mehr. Aus wirtschaftlichen Abkommen wurde spätestens 1993 mit der Gründung der Europäischen Union eine echte Europapolitik. Um den Handel zu vereinfachen und soziale Unterschiede innerhalb der Union abzubauen, förderte man relativ schnell eine gemeinsame Geldpolitik. So wuchs die Idee des „Euro“ als gemeinsame Währung, die 2002 eingeführt wird.
EZB als Kontrollorgan
Aber wer kontrolliert überhaupt, wie viel Euros im Umlauf ist? Wer sorgt dafür, dass es nicht plötzlich viel weniger wert ist? Da es ab den frühen 2000ern eine europäische Währung gab, brauchte man auch eine europäische Institution dafür. Ihr Name - „Europäische Zentralbank“. Ihre Hauptaufgaben sind folgende:
– Verwaltung des Euro
– Gewährleistung der Preisstabilität (möglichst geringe Inflation oder Deflation)
– Umsetzung der Wirtschafts- und Währungspolitik der EU
Praktisch heißt das, dass die EZB kontrolliert, wie viele Euros es in Europa überhaupt gibt. Damit sorgt sie für einen stabilen Europreis, auch auf internationaler Ebene. Kommt es etwa zu hoher Inflation, also ist der gleiche Betrag an Geld plötzlich viel weniger wert, hat das negative Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft. Auch Deflation schadet Europa, wenn das Geld plötzlich einen sehr hohen Wert hat.
EZB-Präsidentin Lagarde bei einer Befragung im EU-Parlament. Foto: EU Parlament / Multimedia Centre / Licence
Natürlich verfolgen die EZB und ihre derzeitige Präsidentin Christine Lagarde dabei politische Ziele. Ihre Währungspolitik müssen sie dabei eng mit den Mitgliedsländern und anderen EU-Institutionen abstimmen. Grundsätzlich hat die EZB verschiedene Möglichkeiten, ihre Entscheidungen umzusetzen.
Wie Geld in der EU entsteht
Im gemeinsamen Währungsraum der EU, der „Eurozone“, hat die EZB die Aufgabe, zu kontrollieren, wie viel Geld in Umlauf gebracht wird. Hierzu beauftragt sie die Zentralbanken der Mitgliedsländer, Geld zu drucken. Außerdem gibt sie Geldmittel an Geschäftsbanken ab. So kommen „klassische“ Banken, bei denen EU-Bürger:innen Kredite abheben, zu ihrem Geld. Kontrolliert werden kann aber nicht nur, wie viel Geld es überhaupt gibt. Die EZB kann durch einen Zinssatz, mit dem sie das Geld den Geschäftsbanken zur Verfügung stellt, auch die Wirtschaft aktiv mitbeeinflussen. Dieser Zinssatz nennt sich „Leitzins“. Während der Inflationssteigerung nach Ausbruch des Ukrainekriegs erhöhte die EZB den Leitzins mehrmals. Durch einen höheren Leitzins werden höhere Zinsen von den Geschäftsbanken an die EU-Bürger:innen weitergegeben. Dadurch lohnt sich Sparen mehr. Die Folge: es wird weniger Geld ausgegeben. Folglich ist auch weniger Geld im Umlauf und die Inflation sinkt.
Der EZB-Rat als Akteur der Währungspolitik
Ihre Entscheidungen über die Währungspolitik in der EU darf die EZB nicht alleine treffen. Um den Mitgliedsländern eine ausreichende Mitbestimmung zu ermöglichen, ist die EU-Geldpolitik im „Europäischen System der Zentralbanken“ organisiert. Gemeint sind hierbei die Zentralbanken der Länder, also zum Beispiel die Bundesbank in Deutschland. Die Chef*innen der Zentralbanken treffen sich alle sechs Wochen zusammen mit sechs Mitgliedern des EZB-Direktoriums, die vom Europäischen Rat ernannt werden, im EZB-Rat. Dort beurteilen sie die wirtschaftliche Entwicklung der EU und fassen Beschlüsse über die Geldpolitik. Neben der Steuerung der Inflation beraten sie auch über drohende wirtschaftliche Einbrüche in einzelnen Mitgliedsländern.
Ganz wichtig bei der Arbeit der EZB ist, dass sie unabhängig von anderen Gremien der EU agieren kann. Weder ist sie der Europäischen Union unterstellt, noch sind die eigenen Mittel abhängig von Beschlüssen des Europäischen Parlaments. So wird sichergestellt, dass die angestrebte Preisstabilität des Euro nicht von der jeweiligen Politik abhängt, sondern auch über Wahlperioden hinweg bestehen bleibt.
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