Wahlen in Slowenien: Noch ein Orbán?

, von  übersetzt von Hannah Luisa Faiß, Yaman Omar Hukan

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Wahlen in Slowenien: Noch ein Orbán?
1.43 Millionen Euro, oder 445 Millionen Forint, fließen aus dem Kreise Viktor Orbáns in die slowenischen Medien, die der Slovenska demokratska stranka/Slovenian Democratic Party (SDS) freundlich begegnen. Fotoquelle: Flickr / European People’s Party / CC by 2.0

Am Sonntag, den 03. Juni, werden mehr als 1.7 Millionen Slowen_innen die Wahlurnen aufsuchen, um zum achten Mal seit der Unabhängigkeit der Republik die neue Nationalversammlung zu wählen. Die Wahlen waren ursprünglich für den 10. Juni geplant, aber Premierminister Cerar war gegen Ende seiner Amtszeit zurückgetreten im Zuge der Annulierung eines Referendums über den Bau einer Eisenbahnlinie zwischen Koper und Divaca durch das Verfassungsgericht. Es war eines der größten Projekte seiner Regierung und führte zu den vorzeitig angesetzten Wahlen.

In einer Atmosphäre von sinkender Wahlbeteiligung und schwindendem Interesse an Politik unter den Slowen_innen, haben 25 Parteien ihre Kandidat_innenlisten vorgelegt, um zu den bereits dritten aufeinander folgenden und frühzeitig stattfindenden Wahlen anzutreten. Das slowenische Verhältniswahlsystem sieht aber nur Sitze für diejenigen vor, die die 4-Prozent-Hürde meistern. Falls sich aktuelle Meinungsumfragen als richtig herausstellen werden, erreichen maximal sieben oder acht Parteien ein solches Ergebnis.

Bis Ende April deuteten Meinungsumfragen auf einen Vorsprung der Lista Marjana Šarca/List of Marjan Šarec (LMŠ), Bürgermeister von Kamnik, hin. Im November letzten Jahres hatte er knapp die Präsidentschaftskandidatur an seinen Kontrahenten Borut Pahor, den amtierenden Präsidenten, verloren. Als Šarec 2014 die Intention seiner Partei bekannt gegeben hatte, dass sie nach der Formation auf lokaler Ebene 2014 das erste Mal auf nationaler Ebene antreten wolle, sahen die Meinungsumfragen ihn weit vor den etablierten Parteien Sloweniens. Dies mag für viele überraschend sein, scheint aber im Kontext aus historischer Sicht kein abweichendes Muster.

2011 wurde die in der politischen Mitte zu verordnende Partei Pozitivna Slovenija/Positive Slovenia (PS) von Zoran Janković, der aktuell das Amt des Bürgermeisters von Ljubljana innehat, nur zwei Monate vor den Wahlen gegründet. Diese Partei gewann dann in den Wahlen von 2011 mit 28%. 2014 wiederholte sich dieses Szenario auf ähnliche Weise, als die Partei Stranka modernega centra/Modern Centre Party (SMC) einen Monat vor den Wahlen gegründet wurde vom letzten Premierminister Miro Cerar und bei den Wahlen 34% und damit 36 Sitze einholte. Daher würde es nicht überraschen, sollte die LMŠ tatsächlich diese Wahl gewinnen. Bei genauer Betrachtung der Meinungsumfragen lässt sich jedoch eine sinkende Unterstützung für LMŠ feststellen, gleichzeitig machte es Janez Janšas liberal-konservative Slovenska demokratska stranka/Slovenian Democratic Party (SDS) an die Spitze des Rennens und scheint aktuell als Gewinner aus den Wahlen heraus gehen zu werden. Das führte zur Mobilisierung anderer Parteien gegen ihn.

Der Vorsitzende der Demokratična stranka upokojencev Slovenije/Democratic Party of Pensioners of Slovenia (DeSUS), die vermutlich die 4%-Hürde meistern wird, Karl Erjavec beschuldigte Janša in die populistischen Fußstapfen Victor Orbáns zu treten, der nämlich interessanterweise Slowenien besuchte und gemeinsam mit Janša am 11. Mai Wahlkampf machte. Erjavec warnte vor dem ungarischen Modell, welches rechtsgerichtete Parteien sich auch für Slowenien wünschen. Seine Ansicht teilten andere Parteivorsitzende bei einer Debatte von POP TV am 21. Mai, auch Dejan Židan, Vorsitzender der Socialni demokrati/Social Democrats (SD) sowie Premierminister Miro Cerar, der in Bezug auf Janšas SDS sagte: „Ich möchte in einer Regierung mit Parteien sein, die ein offenes und frei denkendes Slowenien unterstützen, nicht mit einer extremen, die Populismus verteidigt und Menschen Angst macht.“

Ein Ergebnis der kommenden Wahlen ist auf jeden Fall, dass sich keine Partei allein die Mehrheit sichern können wird und dies unvermeidbar eine Koalitionsbildung erfordert. Auch wenn die SDS sehr wahrscheinlich die Wahlen gewinnen wird, stellt dies Janša vor die schwierige Aufgabe ein Bündnis zu schmieden, denn die meisten Parteien, die Chancen auf den Einzug ins Parlament haben, schlossen eine Zusammenarbeit mit ihm aus, u.a. SD, SMC, DeSUS, die linke Levica und die Partei des vorigen Premierministers Alenka Bratušek (Stranka Alenka Bratušek/Party of Alenka Bratušek).

Selbst Marjan Šarec, der bislang die Zusammenarbeit mit der SDS nicht ausgeschlossen hatte, teilte am 25. Mai via Twitter mit, dass er nicht in „eine Koalition mit rechten Parteien“ eintreten werde. Auf die Frage, ob er an einer Koalition mit der SDS und der mitte-rechts Partei Nova Slovenija – Krščanski demokrati/New Slovenia - Christian Democrats (NSi), aber ohne Janez Janšas Beteiligung selbst partizipieren würde, antwortete er mit einem klaren „Nein“. Damit bleiben der SDS kaum Möglichkeiten, sollte sie gewinnen, denn nur NSi ist bereit für eine Regierungszusammenarbeit, die aber laut Meinungsumfragen zwischen 4-7% bei den Wahlen einholen wird und somit die Mehrheit nicht zu sichern vermag. Allerdings bleibt zu bedenken, dass slowenische Umfragen nicht die zuverlässigsten sind. Abgesehen von Vorwürfen der Voreingenommenheit und Favorisierung bestimmter Parteien, haben die Meinungsumfragen auch schon falsche Wahlprognosen für die Jahre 2004 (LDS als vorausgesagter Gewinner, tatsächlich gewann SDS), 2008 (SDS auf dem ersten Platz, SD auf dem 2., die tatsächlichen Ergebnisse waren andersherum) und 2011 (ähnlich wie 2008 wurde SDS der Sieg vorausgesagt, aber PS trug ihn davon, wie zuvor erwähnt).

Das Versagen der SDS nicht zu gewinnen in den Jahren 2008 als auch 2011 trotz klarem Vorsprung in den Umfragen, wird einer last-minute Mobilisierung der Wähler_innen gegen Janšas Partei angerechnet – ein Szenario, das sich auch am 3. Juni wiederholen könnte. Denn wie die Meinungsumfragen zeigten, sind noch 25-40% der Wähler_innen unentschlossen, für wen sie kommenden Sonntag ihr Kreuz machen werden.

Die einzige Wahl seit 2000, deren Ausgang korrekt vorausgesagt worden war, ist die von 2014, die die neu formierte SMC an die Macht brachte. Alles bisher Dargestellte ist ein deutlicher Hinweis darauf, warum man slowenische Meinungsumfragen mit Vorsicht zu genießen hat.

Aber eins scheint sicher: Die Wahlergebnisse werden lange, schwierige Verhandlungen und eine ungewisse Regierungsbildung nach sich ziehen. Die neue Regierung wird den Weg des Landes für die nächsten Jahre bestimmen und vor viele Aufgaben gestellt sein - insbesondere das Vertrauen der Menschen, vor allem der jungen Slowen_innen, in die Politik wieder herzustellen.

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