Wahlen in Georgien: zwischen „Frieden und Krieg“ und „Russland oder dem Westen“?

Die Perspektive einer jungen Georgierin auf die Wahl.

, von  Tekla Sigua, übersetzt von Friederike Graupner

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Wahlen in Georgien: zwischen „Frieden und Krieg“ und „Russland oder dem Westen“?
Protest in Tbilisi, Georgien gegen das ausländische Agent*innen Gesetz. Foto: Flickr / Jelger Groeneveld / Copyright

Am 26. Oktober finden in Georgien die ersten vollständig proportionalen Parlamentswahlen statt, bei denen die Bürger*innen die 150 Abgeordneten des Parlaments in Tbilisi wählen werden. Nachdem die regierende Partei „Georgischer Traum“ umstrittene Maßnahmen ergriffen hat, darunter die Verabschiedung des Gesetzes „Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“ (das sogenannte „Gesetz über ausländische Agenten“) und eine Anti-LGBTQ-Gesetzgebung, die zur vorübergehenden Aussetzung des Beitritts Georgiens zur Europäischen Union führte, finden die Wahlen inmitten erhöhter politischer Spannungen und zunehmend komplizierten Beziehungen zur EU und den USA statt.

Am 26. Oktober finden in Georgien die ersten vollständig proportionalen Parlamentswahlen statt, bei denen die Bürger*innen die 150 Abgeordneten des Parlaments in Tbilisi wählen werden. Nachdem die regierende Partei „Georgischer Traum“ umstrittene Maßnahmen ergriffen hat, darunter die Verabschiedung des Gesetzes „Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“ (das sogenannte „Gesetz über ausländische Agenten“) und eine Anti-LGBTQ-Gesetzgebung, die zur vorübergehenden Aussetzung des Beitritts Georgiens zur Europäischen Union führte, finden die Wahlen inmitten erhöhter politischer Spannungen und zunehmend komplizierten Beziehungen zur EU und den USA statt.

Die Tatsache, dass 81 % der Georgier*innen die EU-Mitgliedschaft nachdrücklich unterstützen - was sowohl eine historische Entscheidung als auch die in der Verfassung verankerte außenpolitische Priorität (Artikel 78 der georgischen Verfassung) widerspiegelt - lässt keinen Zweifel daran, dass die außenpolitische Ausrichtung des Landes eines der wichtigsten Themen bei der Parlamentswahl ist. Dies ist von besonderer Bedeutung, da Georgien im Jahr 2023 den Status als EU-Beitrittskandidat erlangt hat und die Parlamentswahl dadurch zu einem entscheidenden Moment für den weiteren Weg des Landes zur europäischen Integration darstellt.

„Russland oder der Westen“ und „Frieden oder Krieg“? Die wichtigsten politischen Parteien und Wahlnarrative für 2024

Die Parlamentswahlen sind für Georgien von großer politischer Bedeutung. Die Wähler*innen haben die Wahl zwischen der Regierungspartei „Georgischer Traum“, die seit 12 Jahren an der Macht ist und bei der Wahl eine verfassungsgebende Mehrheit im Parlament anstrebt, und den Oppositionsparteien. Um die Wahlhürde von 5 Prozent zu erreichen und ihre Chance auf Vertretung im Parlament zu erhöhen, haben sich die Oppositionsparteien zu vier großen Koalitionen zusammengeschlossen. Die vier Bündnisse „Einheit zur Rettung Georgiens“, „Koalition für den Wandel“, „Starkes Georgien“ und „Für Georgien“ bringen dabei sowohl alte als auch neue Gesichter der georgischen Politik zusammen.

Die Kampagnen und Erzählungen der großen politischen Parteien über die Bedeutung der Parlamentswahlen haben eins gemeinsam- ihren Fokus auf die Bedeutung der Wahlen für die Beziehungen des Landes nach außen.

Die Regierungspartei „Georgischer Traum“ stellt die Wahl als eine Entscheidung zwischen „Krieg und Frieden“ dar und führt hier das Beispiel des russischen Krieges in der Ukraine an, um zu verdeutlichen, dass Georgien ein ähnliches Schicksal ereilen könnte. Die Opposition und der georgische Präsident hingegen bezeichnen die Wahlen als ein Referendum über die außenpolitische Ausrichtung des Landes. Sie sehen den Ausgang der Wahlen als entscheidend darüber, ob Georgien seinen Weg in Richtung EU-Mitgliedschaft fortführen wird oder Gefahr läuft, diese historische Chance für eine engere Anbindung an die europäischen und euro-atlantischen Strukturen zu verlieren.

Georgien am Scheideweg: Die Stimme der EU-freundlichen Jugend bei den Wahlen

Die georgische Jugend unterstützt die europäische und euro-atlantische Integration des Landes und sieht den Aufbau einer besseren Zukunft im Westen. Junge Menschen zwischen 18 und 29 Jahren machen etwa ein Fünftel der georgischen Wähler*innen aus. An den letzten Parlamentswahlen im Jahr 2020 nahmen jedoch nur 18,8 % dieser Gruppe teil, was auf die bisher geringe Beteiligung der georgischen Jugend an politischen Prozessen und staatsbürgerlichen Aktivitäten hinweist.

Doch die Ereignisse von 2023 und 2024 und insbesondere die Proteste gegen das Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme (auch als „Gesetz über ausländische Agenten“ und „russisches Gesetz“ bezeichnet) zeigen die wachsende Bedeutung einer politisierten Jugend und die Rolle, die sie bei der Gestaltung der politischen Richtung des Landes spielen können.

Eine neue, pro-europäische Generation

Besonders die Altersgruppe junger Georgier*innen, die oft als „Generation Z“ bezeichnet wird, unterscheidet sich deutliche von der älteren Generation. Sie wurde in ein freies und unabhängiges Land hineingeboren und hat gleichzeitig den russischen Krieg von 2008, die Aggression des Kremls und die andauernde Besatzung miterlebt und ist sich des Preises von Freiheit, Frieden und Demokratie bewusst.

Anders als ihre Eltern sprechen sie Englisch, nicht Russisch. Sie reisen ungehindert nach Europa und studieren an westlichen Einrichtungen und nutzen die Möglichkeiten in der EU und den USA. Sie sind überzeugt, dass die Zukunft, die sie anstreben, nur im europäischen Georgien erreicht werden kann, wo diese Ideale voll akzeptiert und geschützt werden. Ihr Denken ist von wahrhaft europäischen Werten geprägt, und sie sind entschlossen, in einem Land zu leben, das Freiheit, Demokratie und Unabhängigkeit hochhält. Für diese jungen Georgier*innen ist der Weg ihres Landes klar: Es muss europäisch sein und es muss frei sein.

Georgische Jugend: Unterstützung für den EU-Beitritt, aber nicht für die politischen Parteien

Trotz ihrer klaren pro-europäischen Haltung fühlen sich die meisten jungen Menschen von keiner politischen Partei vertreten. Viele sind der Meinung, dass keine Partei ihre Interessen voll und ganz vertritt, was zu der geringen Wahlbeteiligung in der Vergangenheit geführt hat. Die Proteste, die in Tbilisi, der Hauptstadtt Georgiens, als Reaktion auf das umstrittene „Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“ stattfanden, zeigten jedoch, wie sehr sich die jungen Menschen für die europäische Zukunft Georgiens engagieren.

Im März 2023 und erneut im April/Mai 2024 gingen zehntausende Studierende auf die Straßen und verweigerten aus Protest den Unterricht, bis die Regierung das Gesetz zurücknahm. Diese Ereignisse zeigten ihre Entschlossenheit, dafür zu sorgen, dass Georgien auf dem Weg zur europäischen Integration bleibt.

Obwohl keine politische Partei die Unterstützung der georgischen Jugend vollständig für sich gewinnen konnte, deutet ihre starke Präferenz für eine EU-Mitgliedschaft - die ihnen eine bessere Ausbildung, bessere Beschäftigungsmöglichkeiten sowie soziales und wirtschaftliches Wohlergehen verspricht - darauf hin, dass sie ihre Stimmen zunehmend Parteien mit pro-europäischen Oppositionsparteien geben könnten. Bei den Wahlen im Oktober 2024 wird diese Generation eine entscheidende Rolle spielen, da ihre Prioritäten und Werte die Zukunft Georgiens bestimmen könnten. Während das Land mit anhaltenden Herausforderungen kämpft, wird die Stimme der georgischen Jugend ein entscheidender Faktor bei der Bestimmung der Richtung seiner Demokratie und seines Platzes in Europa sein.

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