Von Musterschülern und Hinterbänklern

, von  Michael Vogtmann

Von Musterschülern und Hinterbänklern
Die Verantwortung für das aktuelle Desaster in der Eurozone liegt nicht nur in Griechenland, findet Autor Michael Vogtmann. Foto: © Alex Guibord / Flickr / CC-BY-ND 2.0-Lizenz

Alexis Tsipras schmeißt die Kontrolleure der internationalen Geldgeber aus dem Land und geht auf Konfrontationskurs zu den europäischen Partnern. In den anderen „Krisenländern“ der Eurozone zeichnet sich ein anderes Bild: Die Reformen wurden umgesetzt, das Wachstum ist zurückgekehrt und die politische Landschaft wirkt stabiler. Griechenland wiederum, so scheint es, will kein Musterschüler sein und bleibt lieber Problemkind. Vielleicht ist aber auch diese Sichtweise das eigentliche Problem?

Was ist bloß mit Griechenland los, dem Mutterland der europäischen Demokratie? Wieso wählen die Griechen einen linksextremen Ministerpräsidenten, der im Wahlkampf bereits mit martialischem Auftreten für Aufregung sorgte? Tsipras forderte nicht weniger als ein Aufkündigen des Konsenses mit den Partnern der Eurozone und formulierte populistische, teils anti-deutsche Positionen. Als junger Pröeuropäer fällt es leicht, derartiges Auftreten als antieuropäisch zu missbilligen. Auch die aktuelle Politik der Regierung Tsipras wirkt wie eine planlose Rebellion gegen die „Krawattenträger“ in Brüssel um jeden Preis, ohne realistischen Alternativplan. Es ist einfach eine junge, wilde griechische Regierung, die erst auf die Nase fallen muß, um vernünftig zu werden, mögen manche sagen.

Der mediterrane Kontrast

Wie schön ist es da, dass es noch andere „Krisenländer“ gibt, weniger aufmüpfige, Länder mit vernünftigen Regierungen, die die europäischen Vereinbarungen einhalten und Reformen durchführen. Irland, Portugal und Spanien werden gerne als Musterschüler bezeichnet. Die deutsche Boulevardpresse feiert bereits die Erfolge der Sparpolitik dort. Doch wieso lassen sich die Wähler Griechenlands von solchen unvernünftigen und antieuropäischen Politikern verführen und die Iren, Portugiesen und Spanier nicht? Liegt es daran, dass Griechenland ein Balkanland ist und Mythen um internationale Verschwörungen gegen die eigene Nation auf dem Balkan schlicht und einfach Tradition haben? Wurde die griechische Kultur also durch die jahrhundertelange osmanische Herrschaft auf Misstrauen und Aufmüpfigkeit geprägt? Derartig simpel ist die Geschichte nicht.

Die Krise, der IWF und die Armut

Die Krise, die Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Zypern und weitere Staaten erfasste nahm ihren Ursprung als Finanzmarktkrise in den USA. Das allgemeine Rezept des Internationalen Währungsfonds gegen Krisen ist und war schon immer simpel: Ausgaben kürzen, insbesondere “sozialen Schnick-Schnack”, wie Renten, staatliche Krankenversicherung und falls es so etwas überhaupt gibt, Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld. Insbesondere Griechenland wurde extrem hart angepackt, da auch das Defizit in Griechenland ziemlich groß war. Auf der anderen Seite muß man natürlich die Einnahmen erhöhen, also die Steuern. Da die oberen Zehntausend international recht flexibel sind und ihr Geld ins Ausland verfrachten können, um der Steuer zu entgehen, erhöht man also die Steuern für die einfache Bevölkerung. Sichere Einnahmequellen sind insbesondere Verbrauchssteuern wie Mehrwertsteuer oder Steuern auf Energieträger. Anders ausgedrückt man zieht den Leuten selbst das Geld aus den Taschen, das sie nicht haben. Wen wundert es, dass die griechischen Bürger linksextreme Parteien wählen.

Tödliche Medizin für die europäische Demokratie

Ziel dieses Artikels ist es nicht, Alexis Tsipras eine Absolution zu erteilen. Er und seine Partei haben gezeigt wessen Geistes Kind sie sind, als sie sich nationalistische und rechtspopulistische Koalitionspartner ausgesucht haben, obwohl sie durchaus mit gemäßigten Kräften wie To Potami hätten koalieren können.

Dennoch liegt die Verantwortung für das aktuelle Desaster eben nicht nur in Griechenland. Es waren Politiker wie Angela Merkel, Mark Rutte und Jyrki Katainen, die im Europäischen Rat Härte gegenüber Griechenland forderten und den IWF mit an Bord holen wollten. Die selben Rezepte, wenn auch in abgeschwächter Form wurden auch auf Portugal, Spanien und Irland angewendet. Und auch wenn die Krise an den Finanzmärkten schon vorbei zu sein scheint, die Wirtschaftskrise in den Straßen von Madrid, Barcelona, Lissabon und Nikosia ist es nicht!

Auch der Musterschüler Irland dürfte spätestens bei der nächsten Finanzkrise wieder umfallen und ganz schnell wieder zum Hilfsempfänger und Hinterbänkler degradiert werden. Der Finanzmarkt ist durch ausländisches Kapital viel zu aufgebläht für das kleine Land, zumindest war das die Argumentation bei Zypern. Außerdem gibt es einen entscheidenden Unterschied: In den anderen Ländern wurde noch nicht gewählt. In Spanien zum Beispiel steht Podemos schon in den Startlöchern.

Bei all dem Gerede von Musterschülern und Hinterbänklern drängt sich zwangsläufig eine Frage auf: Wer ist eigentlich der Lehrer?

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