Viktor Orbáns Schmiede der studentischen Marionetten

Ein Bericht über die internationale Struktur des Mathias Corvinus Collegium mit der Handschrift Orbáns

, by Magdalena Kensy

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Viktor Orbáns Schmiede der studentischen Marionetten
Viktor Orbáns Schmiede der studentischen Marionetten. Eigene Darstellung von Magdalena Kensy. Erstellt mit Canva.

Neben dem Töröcsik Mari Park und unweit des gemeinsamen Campus der Universität für Landwirtschaft und Biowissenschaften (MATE) und der Szent István Universität (SZIU) liegt das Mathias Corvinus Collegium (MCC) in Budapest. Mehr als 7000 Studenten besuchen „Viktor Orbáns Lieblingsuniversität“ (The Guardian, Great Britain) oder „Orbáns Elitefabrik“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Germany) an einem der 28 Standorte, um Teil der „Kaderschmiede des Illiberalismus“ (Tagesspiegel, Germany) zu werden und den Glauben an den „Orbánismus” (STANDARD, Austria) weiterzuverbreiten.

„Das MCC ist eine Bildungs- und Forschungseinrichtung, die sich dem Wohlstand der ungarischen Nation verschrieben hat“, heißt es auf der Website des MCC. Obwohl das MCC keine traditionellen akademischen Abschlüsse anbietet, versteht es sich als Ergänzung zum ungarischen Hochschulsystem. Wer einen der begehrten Stipendienplätze ergattert (auf einen Platz in Budapest kommen zirka zehn Bewerber), erhält eine finanzielle Unterstützung des MCC, um Teil des internationalen Netzwers zu werden. Neben den verschiedenen Instituten für Public Policy und Forschung hat das MMC 2022 ein Lehrzentrum in Brüssel (MCC Brussels) eröffnet, eine Partnerschaft mit der European School of Management and Technology Berlin (ESMT) - Deutschlands renommiertester Business School - gestartet und hält eine Mehrheitsbeteiligung an der privaten Modul University Vienna (MU Vienna). Der ehemalige Student Bence X Szechenyi nennt neben der Finanzierung und den Stipendien auch die Unterbringung, Einladungen zu üppigen Abendessen, Open-Bar-Partys und Auslandsreisen als Angebote, die man “nur schwer ablehnen” kann.

Was nach einem Netzwerk voller Chancen für eine vielversprechende Karriere klingt, ist in Wirklichkeit das Ergebnis einer regierungsfreundlichen Bildungsstruktur der Fidesz-Partei unter Viktor Orbán.

Erste Grenzschritte

Durch einer großen privaten Spende von András Tombor, einem Berater Orbáns und Anhänger der (rechts-)konservativen Parteien, öffnete das MCC 1996 seine Pforten. Ziel war es, „hochbegabte junge Menschen zu fördern und auszubilden, die zum Wohlstand Ungarns beitragen“. Anlässlich seines fünfjährigen Bestehens wurde das erste Studentenwohnheim des MCC in Budapest mit 47 Studenten eröffnet.

Seitdem hat das MCC sein Angebot und seine Themen erweitert: Zweijährige Weiterbildungsprogramme in den Bereichen Recht, Wirtschaft, Sozialwissenschaften, Internationale Beziehungen und Kommunikation.

Ungarische Minderheit

Innerhalb von 22 Jahren ist es dem MCC gelungen, sich auch über die Landesgrenzen hinaus zu etablieren. Den Anfang machte in den 2010er Jahren ein Programm für Gymnasiasten in Cluj-Napoca und Odorheiu Secuiesc in Siebenbürgen, Rumänien. Das Interesse an dem Land geht auf die 1920er Jahre zurück, als Ungarn die Region Siebenbürgen an Rumänien zurückgeben musste. Infolgedessen stellen die in dem Land lebenden Ungarn die größte ethnische Minderheit dar. Rund 15 Prozent der Menschen ungarischer Herkunft leben in Cluj (Stand 2011) und 87 Prozent in Odorheiu Secuiesc (Stand 2021).

Deutscher Einfluss

Werner Patzelt, der deutsche Politikwissenschaftler, ist Forschungsdirektor am Standort MCC Brüssel. Thema seiner aktuellen Arbeitsgruppe: „Konservatismus“. Laut Programmbeschreibung geht es darum, Argumente zu entkräften, wenn „konservativ“ als „unangenehmer Begriff“ und billige Phrase zur Etikettierung politischer Gegner verwendet wird, da dies einem rationalen politischen Diskurs abträglich sei.

Patzelts Hintergrund geht auf seine Mitgliedschaft im sehr konservativ ausgerichteten sächsischen Landesverbandes der Christlich Demokratischen Union (CDU) zurück. Damit steht er am rechten Rand und fungiert als Türöffner zur Alternative für Deutschland (AfD) - in Sachsen wird die AfD mittlerweile als gesichert rechtsextrem eingestuft. Darüber hinaus veröffentlicht Patzelt regelmäßig Artikel in rechtsgerichteten Medien wie der Jungen Freiheit und der Preußischen Allgemeinen Zeitung oder in eindeutig rechtspopulistischen Medien wie Nius.

Teil der Fidez Familie

Klare Verbindungen zu Viktor Orbán und seiner Fidesz-Ideologie bestehen bei Zoltán Szalai und Balazs Orbán. Beim MCC fungiert Szalai als Generaldirektor und ist gleichzeitig Geschäftsführer und Chefredakteur der Fidesz-nahen Nachrichtenagentur Mandiner sowie Herausgeber der Zeitschrift Der Kommentar. Eine direkte Verbindung zur Regierung besteht über den Vorsitzenden des Stiftungsrates von MCC, Balazs Orbán. Er ist Staatssekretär im Büro des Ministerpräsidenten, wo er als politischer Direktor fungiert - eine Art Visionär ohne exekutive Aufgaben. Außerdem nimmt er an den Fraktionssitzungen von Fidesz teil. Er selbst sieht seine Doppelrollenicht als kritisch an, da er laut eigener Aussage nicht in das operative Geschäft eingebunden, sondern für das Management und strategische Entscheidungen zuständig ist.

Finanzielle Macht

Im Jahr 2020 übertrug das ungarische Parlament mit seiner Fidesz-Mehrheit staatliche Mittel und Vermögenswerte in Höhe von umgerechnet 1,4 Milliarden Euro auf das MCC. 280 Milliarden Forint (666.212.300 Euro) stammen aus den jeweils zehnprozentigen Anteilen am ungarischen Öl- und Gasmulti MOL und am Pharmakonzern Gedeon Richter.



Eigene Darstellung erstellt mit Canva. Nutzung des MCC logo.


Der Öl- und Gasriese MOL hat seinen Umsatz in den letzten drei Jahren mehr als verdoppelt. Zwar konnte das Pharmaunternehmen seinen Umsatz in den letzten drei Jahren nicht verdoppeln, ist jedoch kontinuierlich gewachsen. Dementsprechend ist auch das Kapital von MCC konstant gestiegen.

Ungleichgewicht bei öffentlichen Ausgaben

Diese Anteile sind damit höher als die Gesamtsumme der staatlichen Leistungen für Behinderte und Rehabilitationsmaßnahmen oder die Summe der Leistungen für Arbeitslose und der staatlichen Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen zusammen, die beide im Jahr 2020 ausgegeben wurden. Darüber hinaus erhielt das MCC zusätzlich 94,5 Milliarden Forint (242.150.535 Euro) aus dem Wirtschaftsschutzfond, fast ein Drittel des gesamten Fondsvolumens. Damit war das Stiftungskapital 2020 höher als die Summe, die im gesamten Jahr für die Hochschulbildung in Ungarn ausgegeben wurde (Tagesspiegel, FAZ, TELEX). Des Weiteren hat das MCC im Laufe der Jahre mehrere Immobilien erworben und verfügt heute über mehrere Adressen im In- und Ausland.

Staatliche Investitionen in Unternehmen können mit dem Argument der Versorgungssicherheit gerechtfertigt werden. Sobald jedoch eine Bildungseinrichtung diese Anteile erhält, ist das Argument nicht mehr gültig. Diese Schattenfinanzierung wird besonders undurchsichtig, wenn dieses Finanzkapital aus öffentlichen Mitteln zur Übernahme marktführender Unternehmen wie dem Buchverlag Libri verwendet wird.



Ein anonymer ungarischer Instagram-Kanal hat ein Bild des Logos an der Außenseite der Buchhandlung gepostet, das so bearbeitet wurde, dass es „illibri“ lautet – ein Hinweis auf die wegweisende Rede von 2014, in der Orbán seine Absicht verkündete, „einen illiberalen Staat“ aufzubauen.

Internationaler Balanceakt

Im Mai 2023, hat das MCC 90 Prozent der Anteile der Modul-Universität Wien (MU Wien) erworben. Für Balazs Orbán ist das ein „neuer Meilenstein“ in der internationalen Expansion. Der bisherige Mehrheitseigentümer der Universität, der britische Unternehmer Suresh Sivagnanam, hatte überraschend seinen Rückzug erklärt. „Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart“, sagt Karl Wöber, Rektor der MU Wien, dem Tagesspiegel. Die restlichen zehn Prozent bleiben weiterhin im Besitz der Handelskammer. Miit derzeit rund 1.100 Studierenden und Standorten in Wien und Nanjing, China, ist die 15 Jahre alte Privatuniversität eine der bekanntesten Bildungseinrichtungen Österreichs.

Ein Jahr nach der Übernahme sprachen Mitarbeiter über ideologische Einflussnahme und ihre Bedenken. Das Klima an der Universität habe sich seit der Übernahme verändert, erzählten Mitarbeiter dem STANDARD. Sie sprechen von subtiler Einflussnahme, wobei die Mitarbeiter gebeten werden, sich politisch zurückzuhalten. Schließlich trage man als Modul-Uni dazu bei, die Ideologie des MCC zu legitimieren – „und da wollen wir nicht mitmachen“, ärgert sich der Mitarbeiter gegenüber dem Standard. Was bedeutet es für die Studierenden und ihre weitere akademische Laufbahn, wenn sie plötzlich den Orbán-Stempel tragen?

Medienpräsenz

Anfang Juni 2023 berichtete auch das ZDF in einem Bericht über den ideologischen Einfluss des MCC in Europa über die MU Wien. „Kurz nach der Übernahme haben sich Leute mit doch recht extremen und merkwürdigen politischen Einstellungen bei der Modul Uni beworben, sich beim Vorstellungsgespräch gebrüstet, eine pro-Putin und pro-Orbán Haltung zu haben. Solche Forscher sind jetzt Lehrkräfte und unterrichten und wurden vom Dekan eingestellt“, zitiert der Sender einen anonymen Mitarbeiter. Universitätsrektor Wöber erklärt auf Anfrage von STANDARD dass die Betroffenen Lehrkräfte „ihm in einem persönlichen Gespräch versichert haben, dass die fraglichen Vorwürfe nicht wahr sind“. Auf Nachfrage sprach auch das MCC von „falschen Anschuldigungen“.

„Viktor Orbáns Lieblingsuniversität“?

Das MCC kreuzt zunehmend die Wege von Rechtspopulisten und antidemokratischen Inhalten. Es ist fraglich, welche Inhalte das MCC vermittelt, wenn sich die Fidesz-nahe Führung wie Szalai klar auf der Seite der Wertegemeinschaft positioniert und die Ideen des Individualismus und Hedonismus strikt ablehnt. Auf der MCC Website heißt es weiter: „[...] wir sind nicht wertneutral. Das Umfeld, das am MCC gefördert wird, ist eines, das Patriotismus, Respekt vor Traditionen, einen realistischen Ansatz in globalen Angelegenheiten und Fürsorge für die ungarische Nation und die Zukunft der westlichen Welt fördert.“

This article is part of the project „Newsroom Europe“ which trains young Europeans from three EU Member States (Belgium, Germany and Hungary) in critical and open-minded media reporting and on the functioning of European decision-making. The project is carried out jointly by the Europäische Akademie Berlin e.V., the Center for Independent Journalism, and the Friedrich Naumann Foundation, and is also co-financed by the European Union. Treffpunkteuropa.de is media partner of the project.

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