Ungarn: Plakat-Parodien gegen Orbán

, von  Arthur Molt

Ungarn: Plakat-Parodien gegen Orbán
Für viele ist Ungarn nicht nur an arbeitsfreien Sonntagen geschlossen. Mit beißender Ironie parodiert die Spaßpartei „Zweischwänziger Hund“ eine Plakatkampagne der ungarischen Regierung. Wikimedia / Simon Trew / Attribution-ShareAlike 4.0 International (CC BY-SA 4.0)

„Wenn Sie nach Ungarn kommen, dürfen Sie einem Ungarn nicht den Arbeitsplatz wegnehmen!“ Mit markigen Sprüchen auf Plakatwänden will die ungarische Regierung offensichtlich Flüchtlinge abschrecken. Eine ungarische Spaßpartei namens „Zweischwänziger Hund“ parodiert nun die Plakate der Orbán-Regierung und setzt einen Gegenpunkt.

Dass sich die ungarische Regierung mit ihrer Plakatkampagne tatsächlich an Flüchtlinge richtet, darf allerdings bezweifelt werden: die Warnungen sind ausschließlich auf ungarisch geschrieben. Wahrscheinlicher erscheint dagegen, dass die regierende Fidesz mit dieser brachialen Rhetorik die eigene Wählerschaft erreichen möchte. Harte Worte gegen Flüchtlinge sollen deren Ängste vor Verdrängung und sozialem Abstieg besänftigen.

Harscher Ton in Flüchtlingsfragen

Die Zahl von Flüchtlingen, die über Ungarn in die EU einreisen ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Im letzten Jahr gelangten rund 43.000 Flüchtlinge über die Westbalkan-Route und Ungarn in die EU, für 2015 wurde diese Zahl bereits Ende Mai überschritten. Dass Ungarn für die meisten Flüchtlinge lediglich ein Transitland auf dem Weg in andere EU-Länder darstellt, hält die ungarische Regierung nicht davon ab, das Thema für die Innenpolitik zu instrumentalisieren und eine europäische Flüchtlingspolitik lautstark zu boykottieren. Wer die abfälligen Äußerungen Viktor Orbáns hört, der Flucht als „heiteren Nachmittagsspaß“ und die Unterbringung von Asylsuchenden als „Wohnheimparty“ bezeichnet, fragt sich: gibt es in Ungarn keine starken Stimmen gegen Fremdenhass?

Parodie statt Parteipolitik

Es gibt diese Stimmen. Ungarns fragmentierter linker Opposition gelingt es zwar nicht, die PR der Regierungspartei Fidesz wirklich herauszufordern. Aber in der Bevölkerung wächst der Unmut über die staatliche Angstmacherei. Gergö Kovacs macht diese Meinungen sichtbar. Der Graphiker hat in diesem Jahr eine Kampagne ins Leben gerufen, die die offiziellen Plakate der Regierung parodiert. Zusammen mit dem politischen Blog „Vastagbör“ hat seine nach einem drolligen Maskottchen benannte Spaßpartei „Zweischwänziger Hund“ einen Spendenaufruf gestartet, um der „Hasskampagne“ der Regierung kreative Entwürfe entgegen zu setzen. Mit überraschendem Erfolg. Innerhalb der ersten 4 Tage waren bereits 28,9 Millionen Forint (ca. 92 100 Euro) auf ihrem Konto eingegangen.

„Sorry for our prime minister!“

Die Organisatoren sind selbst überrascht über diesen Erfolg. Slogans wie „Come to Hungary! We already got Jobs in London!“ treffen offensichtlich den Nerv vieler Ungarn, für die die Auswanderung aufgrund schlechter Jobaussichten ein viel drängenderes Problem darstellt. Für Gergö Kovacs ist die große Unterstützung auch ein Zeichen, dass viele Ungarn zeigen wollen, dass es ihnen peinlich ist, welchen Eindruck Ungarn im Ausland erweckt. In Budapest posieren Touristen bereits vor Plakatwänden mit dem Spruch „Sorry for our prime minister!“. Und an der österreichischen Autobahn beweist ein auf deutsch geschriebenes Plakat, dass nicht alle Ungarn vergessen haben, welche Bedeutung ein Europa ohne Mauern und Grenzzäune hat.

Veruntreuung bei staatlicher Anti-Migrations-Kampagne?

Für die Konservativen ist dieses Maß an internationaler Gesinnung ein Zeichen, dass die Organisatoren der regierungskritischen Kampagne im Dienst des Auslands stehen. Gergö Kovacs berichtet davon, dass die der Fidesz nahe stehende Organisation CÖF seit einiger Zeit in ihren Pressemeldungen behauptet, dass seine Spaßpartei „Zweischwänziger Hund“ vom Ausland bezahlt sei und „Hass und Chaos verbreite“. Was den unlauteren Umgang mit Finanzen angeht, möchten sich die Aktivisten jedoch nicht belehren lassen. Nur mit Spendenbeträgen – von über 7000 Kleinspendern allein in den ersten zwei Wochen – sei es ihnen gelungen bis 16. Juli 900 Plakatwände aufzustellen. „Jetzt verstehe ich endlich, warum es in Ungarn das Zehnfache kostet, wenn die Regierung etwas in Auftrag gibt!“, bemerkt Gergö Kovacs ironisch, als er die Ausgaben seiner Organisation mit den Kosten der Regierungskampagne vergleicht. Kritiker beklagen seit längerem, dass die Vergabe von öffentlichen Aufträgen der Bereicherung von regierungsnahen Kreisen dient.

Als eines ihrer ersten Ziele nennt die Spaßpartei „Zweischwänziger Hund“ den Protest dagegen, dass die Regierung öffentliche Gelder verwendet für eine Kampagne, "die den Ungarn zeigen soll, wen sie zu hassen haben“. Das klingt bei allem Sinn für Humor nach einer ernsthaften Aufgabe.

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