Und ewig lockt Europa: Albanien auf dem Weg zum EU-Beitritt

, von  Sabrina Vorbau

Und ewig lockt Europa: Albanien auf dem Weg zum EU-Beitritt
Kurz nach der Entscheidung der EU, Albanien den Status als Beitrittskandidat zu verleihen, besuchte EU-Kommissionspräsident Barroso die albanische Hauptstadt Tirana. Foto © European Commission 30/06/2014

Die Europäische Union hat Albanien Ende Juni offiziell den Status des Beitrittskandidaten verliehen. Bis zur vollen Mitgliedschaft ist es aber noch ein langer Weg: Korruption, Kriminalität und Rechtsbeugung gilt es zu bekämpfen. Dafür benötig das Land die Unterstützung der EU. Doch wie sehr braucht die Staatengemeinschaft Albanien?

Seit der Gründung 1957 hat sich die EU von sechs auf 28 Mitgliedstaaten erweitert – Albanien möchte Nummer 29 werden. Mit der Verleihung des Status als offizieller Beitrittskandidat am 24. Juni ist das Land diesem Wunsch einen Schritt näher gekommen. Damit verbunden sind bereits jetzt einige Vorrechte: So kann Albanien zum Beispiel an Sitzungen als „aktiver Beobachter“ teilnehmen und dort seine Positionen deutlich machen.

Auf den Kandidatenstatus hat das Land fünf Jahre warten müssen. In dieser Zeit hat die EU-Kommission drei Mal den Antrag Tiranas abgelehnt. Korruption, Vetternwirtschaft und organisierte Kriminalität belasteten den Prozess der Demokratisierung. Weiterer Grund des Wartens war die starke Polarisierung zwischen den zwei Volksparteien, der demokratischen und der sozialistischen, die in den letzten 23 Jahren im ehemals kommunistischen Land im Wechsel regierten. Immer wieder wurden Private- und Parteieninteressen über das Wohl des Landes gestellt: Die Veröffentlichung eines Videos, das einen ehemaligen stellvertretenden Premierminister und Energieminister bei der Manipulation einer öffentlichen Ausschreibung für den Bau eines Wasserkraftwerkes zeigt, löste große Empörung in der Bevölkerung aus. Bei einer Demonstration gegen die Korruption kamen vier Menschen ums Leben.

Auf Druck der EU hat das Land 2010 einen nationalen Aktionsplan beschlossen. Dieser beinhaltet unter anderem die Gewährleistung eines funktionierenden Parlaments und entsprechender parlamentarischer Verfahren sowie eine Reform des Wahlrechts, der öffentlichen Verwaltung, die Stärkung der Rechtstaatlichkeit sowie die Bekämpfung der Korruption und organisierten Kriminalität.

Damit die Beitrittsverhandlungen nun tatsächlich beginnen können, fordert die EU weitere Anstrengungen: eine Justizreform, den Schutz von Minderheiten sowie den verstärkten Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen. Albanien muss zudem die Verwaltung reformieren und sich auf die Einhaltung von Recht und Gesetz konzentrieren. Die albanische Ministerin für europäische Integration Klajda Gjosha betont, dass der Kandidatenstatus automatisch eine strengere Überwachung der Regierung und allen anderen Institutionen mit sich bringe. Für sie steht fest: Albanien braucht diesen Druck der EU.

EU- Perspektiven für Albanien

Nicht nur politisch ist noch eine Menge zu tun: Das Sozialprodukt liegt bei rund einem Drittel des EU-Schnitts, der Durchschnittslohn bei 300 Euro. Das Bildungssystem weißt große Mängel auf und hat Platz für teure Privatunis gemacht. Die wichtigsten wirtschaftlichen Ressourcen, riesige Sandstränden und eine unberührte Berglandschaft haben unter der Laissez-faire-Politik früherer Regierungen stark gelitten. Ein chaotischer Bauboom, beflügelt von Geldwäsche-Ambitionen, hat viele kleine Ortschaften zerstört.

Mit einem EU Beitritt hofft Albanien auf einen wirtschaftlichen Aufschwung, immerhin gehen rund 70 Prozent der Exporte in die europäischen Mitgliedstaaten. Dieser Anteil könnte mit der Aufnahme in den europäischen Binnenmarkt weiter steigen. Zudem sollen ausländische Investoren ins Land gelockt werden, was wiederum neue Arbeitsplätze schafft. Gleichzeitig erwartet Albanien ein stärkeres Mitspracherecht bei internationalen Angelegenheiten. Bei all diesen Hoffnungen ist es kein Wunder, dass mehr als 90 Prozent der Albaner für den Beitritt sind.

„Der nächste Bitte“

Allgemein kann jeder europäische Staat, der die Grundsätze der Freiheit und Demokratie, die Menschenrechte, Grundfreiheiten und Rechtsstaatlichkeit achtet, die Mitgliedschaft beantragen. Bevor die Beitrittsverhandlungen beginnen, müssen allerdings drei Bedingungen erfüllt sein: Erstens, institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten. Zweitens eine funktionsfähige Marktwirtschaft und die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten. Drittens die Möglichkeit, genügend Ressourcen für die Erfüllung der aus der Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen bereitzustellen.

Während die EU die Türkei immer stärker spüren lässt, dass der autoritäre und antidemokratische Führungsstil von Premierminister Erdoğan die laufenden Beitrittsverhandlungen behindert, wird den Balkanländern klar signalisiert, dass sie ein Teil Europas sind. Nach dem Beitritt Kroatiens im letzten Jahr laufen Beitrittsverhandlungen mit Montenegro, Serbien und Mazedonien. Bosnien-Herzegowina und der Kosovo warten noch darauf, in den Kreis der Kandidaten aufgenommen zu werden.

Die positiven Fortschritte des Westbalkans bezüglich Korruptionsbekämpfung und Etablierung der Rechtsstaatlichkeit wird in Brüssel hoch gelobt. Alle Länder haben eine klare Beitrittsperspektive,einen Automatismus gibt es aber nicht. So betont der österreichische Außenminister, dass es sich bei der Aufnahme neuer Länder in die EU nicht um eine “großzügige Wohltat” handelt, sondern beiden Seiten Nutzen bringen muss. Für Stefan Füle, EU-Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik, steht fest, dass eine positive Entwicklung des Balkans wichtig für die europäische Wirtschaft und Sicherheit ist. “Die EU-Erweiterung ist das mächtigste Instrument, das Europa hat, um Veränderung herbeizuführen”, betont er in diesem Zusammenhang.

Die EU zeichnet sich durch die Vielfalt ihrer Mitgliedstaaten aus. Diese bringt neben vielen positiven Impulsen, wie Kultur- und Sprachenaustausch, auch einige negativen Aspekte mit sich: Mit jedem neuen Mitgliedsland werden nationale Probleme in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zum Unionsproblem. Zeitgleich werden Abstimmungsprozesse immer schwieriger. Die Aufnahme weiterer Staaten ist damit nicht nur ein Garant für die Stabilität Europas. Vielmehr könnte die Ausdehnung der EU auch deren allmähliche Auflösung bewirken.

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