Umfragen: Europäische Sozialdemokratie in der Krise

, von  Tobias Gerhard Schminke

Umfragen: Europäische Sozialdemokratie in der Krise
Die Sozialdemokraten in Europa um Martin Schulz stehen in Umfragen so schlecht da wie nie im Nachkriegseuropa © SPD Schleswig-Holstein / Flickr/CC BY 2.0

Die Sozialdemokraten in Europa befinden sich in einer tief greifenden Krise. Der Status als Volkspartei ist mit aktuell 24 Prozent europaweitem Wähleranteil kaum mehr zu rechtfertigen. Die Sozialdemokraten verlieren seit den 1990er Jahren kontinuierlich Wähler - vor allem an rechtspopulistische Parteien.

Die Sozialdemokraten in Europa (S&D-Fraktion) liegen im neuesten europeanmeter wie schon im Vormonat auf dem schlechtesten Niveau seit dem Zweiten Weltkrieg. Im Durchschnitt kommen die Sozialdemokraten in Europa auf nur noch 24 Prozent (unverändert im Vergleich zum Vormonat). Besonders unbeliebt sind die Sozialdemokraten um Personen wie Martin Schulz oder François Hollande derweil in Irland (4 Prozent), Griechenland (5 Prozent) und in den Niederlanden (5 Prozent). Besonders viele Wähler würden in Malta (51 Prozent), in Lettland (35 Prozent) und in Portugal (35 Prozent) der Mittelinkspartei ihre Stimme geben. In den bevölkerungsreichsten Staaten Deutschland (20 Prozent) und Frankreich (15 Prozent) schneiden die Sozialisten im historischen Vergleich besonders schwach ab. Die Motive sind für die Schwäche der Sozialdemokraten sind mannigfaltig. Die Flüchtlingskrise bewirkt, dass den Flüchtlingen gegenüber offene Menschen zu Grünen (G/EFA-Fraktion) oder Liberalen (ALDE-Fraktion) abwandern, da diese Parteien eine liberalere Haltung in der Einwanderungspolitik eingenommen haben als viele sozialdemokratische Parteien in Europa. Zudem verlieren die Sozialdemokraten das klassische Arbeiterklientel und die untere Mittelschicht zunehmend an Rechts- und Linkspopulisten. Diese hatten sich insbesondere in der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht mehr von den Sozialdemokraten vertreten gefühlt. Besonders stark haben die Sozialdemokraten in den Ländern, die unter dem Euro-Rettungsschirm waren, verloren. Die Ergebnisse stützen die Theorie in der Politikwissenschaft, dass sozialdemokratische Parteien stärker in Zeiten der Globalisierung leiden als andere Parteien.

Die gemäßigteren Rechtspopulisten unter Nigel Farage und die radikaleren Rechtspopulisten unter Marine Le Pen erreichen wie schon im Vormonat fünf beziehungsweise sechs Prozent.

Ob in Deutschland, Polen oder Italien: Für die christdemokratischen Parteien in Europa (EPP-Fraktion) war es ein erfolgreicher Monat. Erstmals seit Frühjahr 2014 konnte der Parteienverbund um Jean-Claude Juncker und Angela Merkel wieder in Umfragen zulegen. Die Parteien der christdemokratischen EPP-Fraktion kämen auf aktuell rund 27 Prozent (+2 Prozentpunkte). Damit stoppen die Christdemokraten in Europa einen mehrere Monate anhaltenden Abwärtstrend zumindest vorübergehend. Verschiedene Faktoren kommen als Ursachen für das gute Abschneiden der Mitte-Rechts-Parteien infrage. Eine Erklärung ist aber, dass auch infolge des Türkeideals die Europäer den Volksparteien wieder eine höhere Lösungskompetenz im wahlentscheidendsten Thema zuschreiben: der Flüchtlingskrise.

Die liberale ALDE-Fraktion um Guy Verhofstadt verliert auf hohem Niveau und liegt nun bei zwölf Prozent (-1 Prozentpunkte). Im vergangenen Monat hatten die liberalen den höchsten Wert erreicht, der jemals für die Gruppierung in Europawahlen oder im europeanmeter ermittelt wurde. Ebenfalls einen Punkt gilt für die linksgerichte GUE/NGL-Fraktion ab, die nun nur noch acht Prozent erreicht. Als vor über einem Jahr die Ikone der europäischen Linken in Europa Alexis Tsirpas die Macht in Regierung in Griechenland übernommen hatte, stand der Parteienverbund noch auf dem historischen Höchstwert der Gruppierung von 10 Prozent. Vor allem Protestwähler in Griechenland, aber auch in Spanien, scheinen sich nun von der Linken abzuwenden. Die Parteien der G/EFA-Fraktion (4 Prozent) um Rebecca Harms und der eurokonservativen ECR-Fraktion (11 Prozent) um David Cameron und Jarosław Kaczyński bleiben unverändert.

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