Brief an Europa

Stellt euch vor, es ist Wahl und jeder geht hin

, von  Manuel Gath

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Stellt euch vor, es ist Wahl und jeder geht hin
„Das ist die Zeit für pro-europäische Akteure der Zivilgesellschaft, also auch die Jungen Europäischen Föderalisten, noch aktiver zu werden.“ Foto: JEF Deutschland/ treffpunkteuropa.de zur Verfügung gestellt

Stellt euch vor, es ist Wahl und jeder geht hin - dafür gibt es noch viel zu tun. Ein leidenschaftlicher Brief an Europa von Manuel Gath, Bundesvorsitzender der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF).

Liebe Europäerinnen und Europäer,

eine gute Nachricht ging in den letzten Wochen in der Berichterstattung fast unter: Griechenland hat nach acht Jahren offiziell den europäischen Rettungsschirm verlassen. Das ist ein gutes, wenn auch kleines Zeichen dafür, dass sich die wirtschaftliche Lage langsam zum Besseren wendet. Wachstumsraten steigen moderat, man ist fast gewillt, sich von der ökonomischen Dauerkrise in Europa zu verabschieden. Nachdem nach der langen Regierungsbildung in Deutschland „Ein neuer Aufbruch für Europa“ als großer Erfolg gefeiert wurde, sahen Viele Morgensonne am europäischen Reformhimmel. Endlich eine Antwort auf Macron! Endlich Bewegung in der Debatte darüber, wie wir Europa für die Zukunft aufstellen müssen! Ist das die Zeit für grenzenlosen Optimismus?

Gemach, gemach: Nicht nur steht die deutsche Regierung auf der Reformbremse, die gekaufte Zeit der vergangenen Jahre wurde letztlich teuer bezahlt. In Österreich regiert nun die rechts-nationalistische FPÖ mit, in Italien wurde die populistische Fünf-Sterne-Bewegung stärkste Kraft und regiert nun mit der rechts-nationalistischen Lega Nord und in Ungarn konnte Victor Orban mit seiner Partei erneut knapp eine Zweidrittelmehrheit erreichen, um den illiberalen Umbau Ungarns voranzutreiben. Und da sprechen wir noch nicht von der nächsten Wahl in Polen, die 2019 ansteht. Demokratisch legitimiert und mit parlamentarischen Mehrheiten ausgestattet speisen sich diese europakritischen Parteien aus der Unzufriedenheit der Bevölkerung und einem Ohnmachtsgefühl in der Gesellschaft. In der Folge wird der Ton zwischen vormalig engen Partnern rauer, Visionen wird eine Absage erteilt und nationales Anspruchsdenken feiert Renaissance.

Welche Chancen bieten sich vor dem Hintergrund nun uns allen mit der Europawahl, die im Mai 2019 stattfinden wird? Die klar Antwort lautet: eine Menge! Alle fünf Jahre richtet sich der Fokus der Aufmerksamkeit also noch stärker auf die EU und die damit verbundenen Zukunftsfragen. In ganz Europa wird in absehbarer Zeit wieder systematisch diskutiert, vor welchen Herausforderungen wir als Europäerinnen und Europäer gemeinsam stehen und welche Reformen, Weiterentwicklungen und Verbesserungen die verschiedenen Parteien in Europa versprechen.

Das ist die Zeit für pro-europäische Akteure der Zivilgesellschaft, also auch die Jungen Europäischen Föderalisten, noch aktiver zu werden und auf der Arbeit der letzten Jahre aufzubauen. Wir müssen unsere Ideen und Lösungen nach vorne zu stellen und zeitgleich alle Bürgerinnen und Bürger in Europa dazu zu bewegen, von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen. 2014 waren Mitglieder der JEF als Europaretterinnen und Europaretter deutschlandweit unterwegs, um Europa zu retten. 2019 sollte Mitglieder der JEF europaweit als Europamacherinnen und Europamacher unterwegs sein, um eine klare Botschaft an alle pro-europäischen Parteipolitiker zu senden: „Europa kommt von Machen“! Und zwar „besser Machen“.

Es ist Aufgabe der Parteien, wirklich europäische Wahlkämpfe zu organisieren. Plakatiert die europaweiten Spitzenkandidaten, auch wenn sie nicht aus Deutschland kommen! Assoziiert eure Partei klar mit den europäischen Parteienfamilien durch gemeinsame Veranstaltungen, Wahlkampfevents und Parteilogos auf allem, was im Wahlkampf zu sehen ist! Demgegenüber sollten alle Bürgerinnen und Bürger klare Antworten auf lange gestellte Zukunftsfragen einfordern: Wie machen wir die Eurozone für die Zukunft krisenfest? Wie kommen wir schnellstmöglich zu einer solidarischen, nachhaltigen und humanen Asyl- und Migrationspolitik? Wann werden wir die Grenzkontrollen innerhalb der EU wieder los? Wie investieren wir am besten in unsere Zukunft? Welche öffentlichen Aufgaben kann und soll die EU übernehmen? Welche Mittel braucht sie dafür? Wie lässt sich die Demokratie in der EU noch weiter verbessern? Welche Rolle kann die EU für soziale Kohäsion innerhalb der Union spielen? Wie behaupten wir uns als politische Union gegenüber anderen Akteuren auf globaler Ebene? Wahlkampfzeit muss Antwortzeit sein. Die Unzufriedenheit gegenüber der Art und Weise, wie die EU funktioniert und wo sie das eben nicht tut, hat genau hier ihren Ursprung. Wenn Defizite aufgezeigt werden, dann müssen Lösungen die Antwort sein.

Es ist unser aller Verantwortung, im Vorfeld der EP-Wahlen dafür sorgen, dass die Zeit der Lippenbekenntnisse, der geduldigen Papierberge und des zögerlichen Zeitkaufens vorbei sein muss und wir jetzt konkrete politische Vorstöße sehen wollen. Dabei wird nämlich deutlich, um was es eigentlich geht – um die Art und Weise, wie wir auf diesem Kontinent in Zukunft zusammenleben wollen. Ich bin mir sehr sicher, dass man mit dieser Motivation auch eine ganze Menge Menschen zur Wahl bringen kann. Die Botschaft muss sein: Wählen gehen gegen das Ohnmachtsgefühl, denn Wählen ist Macht! Lasst uns laut sein, lasst uns vorangehen und lasst uns Europa gemeinsam machen.

Mit föderalistischen Grüßen

Manuel Gath

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