Spanien: Das Bildungsmosaik

, von  Marie Menke

Spanien: Das Bildungsmosaik
„Schule auf Katalanisch“ fordert dieses Plakat. Die Sprachen der verschiedenen Regionen sind eine Herausforderung für das spanische Bildungssystem. © Ramon de cal Benido / Flickr/ CC BY-SA 2.0-Lizenz

Hohe Jugendarbeitslosigkeit, Lehrerstreiks und diverse Regionalsprachen: das spanische Bildungssystem steht vor großen Herausforderungen. Das Schulwesen ist und bleibt eine hochpolitische Angelegenheit in Spanien.

Seitdem ich in Spanien lebe, höre ich es immer wieder: Das Bildungssystem in diesem Land würde nicht funktionieren. Viele ärgern sich darüber, wie oft es abgeändert wird und wie wenige Konstanten es hat. Das Bildungssystem in Spanien hat in manchen Punkten Ähnlichkeiten mit dem deutschen Modell. Der Kindergarten ist auch hier nicht obligatorisch, es folgt die Grundschule, dann die Mittelstufe, dann die Oberstufe. Viele Schulen bieten alle Altersklassen vom Kindergarten bis zur Oberstufe an, andere bieten beispielsweise nur die Oberstufe an. Eine Trennung in Haupt-, Realschule und Gymnasium, wie wir es aus Deutschland gewohnt sind, kennt Spanien aber nicht. Dadurch entscheiden sich mit Sicherheit mehr Schüler für den Weg zur Universität. Ebenso gibt es hier Studiengänge, die wir in Deutschland nicht kennen: Wer Krankenschwester werden möchte, der muss in Spanien beispielsweise studieren und keine Ausbildung machen. So anders als in Deutschland klingt das alles zuerst einmal nicht, jedoch durfte ich in meinen neun Monaten in Spanien schon mehr Streiks von Schülern und Studenten mitbekommen, als mir lieb ist.

Einer der Gründe dafür ist unter anderem der immer weiter wachsende Sektor der Privatschulen. Wenn ich durch die Straßen von Madrid gehe, kommen mir zu jeder Uhrzeit Kinder in Schuluniformen entgegen und diese werden eigentlich nur in Privatschulen getragen. Modern ist es dabei, Kinder in bilinguale Schulen zu schicken: Die Deutsche Schule Madrid bietet alle Altersstufen vom Kindergarten bis zum Abitur an; hier haben schon Kinder das deutsche Abitur gemacht, die keine deutschen Eltern haben und zuhause gar kein deutsch sprechen. Ob deutsche, französische, englische oder amerikanische Schulen, das bilinguale System sehen viele als großen Vorteil für ihre Kinder. Die Angst der anderen jedoch lautet, dass das öffentliche Bildungssystem schlechter und schlechter wird und dass gute Bildung früher oder später nur noch der Oberschicht zugänglich sein wird.

Eine weitere Diskussionsfrage trifft oft den Titel „3 plus 2“, gemeint sind die drei Jahre, die seit Bologna in den meisten Jahren für den Bachelorabschluss gebraucht werden, gefolgt von den zwei Jahren, die es bis zum Master braucht. In Spanien ist dies traditionell nicht üblich: Der sogenannte „Grado“ dauert vier Jahre, der darauffolgende Master dafür nur ein Jahr. Somit verändern sich natürlich die Studien ein wenig, Spezialisierungen folgen zu anderen Zeitpunkten. Am Ende der fünf Jahre hat jedoch jeder Student, egal ob „3 plus 2“ oder „4 plus 1“ dieselbe Anzahl an Credit Points gesammelt, dazu kommt, dass die Reglung „3 plus 2“ mehr Masterstudenten, die ihren Bachelor im Ausland gemacht haben, nach Spanien bringen könnte, und generell den Austausch zwischen spanischen und weiter europäischen Universitäten erleichtern könnte. Der springende Punkt, warum Studenten in Madrid gegen die „3 plus 2“-Reglung auf die Straßen gehen, ist jedoch ein anderer: Im Gegensatz zu deutschen Universitäten erheben spanische Universitäten Studiengebühren und diese sind bei Masterstudiengängen höher als bei Bachelorstudiengängen. Nach der „3 plus 2“-Reglung befürchten viele Familien, dass die Studenten dasselbe studieren, dafür aber mehr zahlen werden.

Noch ein Punkt macht das spanische Bildungssystem kompliziert: die vielen verschiedenen Sprachen. Dank Castellano (das „typische“ Spanisch, wie es beispielsweise in Madrid gesprochen wird), Catalan, Valenciano, Gallego und Vasco sind es allein fünf ofiziell anerkannte Sprachen, die auch in Schulen gelehrt werden. Dies macht Neureglungen schwierig umsetzbar, auch befürchten Politiker, dass so viele Schüler zu Separatisten erzogen werden, insbesondere in Katalunien. Die Lehrkräfte legen regelmäßig die Arbeit nieder, um gegen Reformen zu protestieren. Hier hat somit nicht nur die Politik große Auswirkungen auf das Bildungssystem, sondern das Bildungssystem ebenso große Auswirkungen auf die Politik.

Eins wird damit klar: Als die Menschen in Spanien zuletzt im Juni 2016 wählen gingen, dachten viele mit Sicherheit auch an das Bildungssystem und fragten sich, ob dieses die Auswirkungen, die eine neue Regierung mit sich bringt, tragen kann. So kämpfen sowohl die sozialistische PSOE als auch Podemos für das Absetzen des LOMCE. Die Oppositionsparteien sehen das Gesetz als Ursache dafür, dass gute Bildung nicht jedem zugänglich gemacht und sich auf die teuren Privatschulen konzentriert, während die konservative Regierungspartei Partido Popular weiterhin an dem Gesetz festhält. Auch bei der Bildung der Jüngsten teilen sich die Meinungen: Die PP sprach sich dazu zum Beispiel in ihrem Wahlprogramm nicht aus, während Podemos und ihr Bündispartner Unidad Popular öffentliche Bildung für Kleinkinder in Form von Kindertagesstätten bieten möchten.

Offen ist, an welchen Stellschrauben eine mögliche neue Koalitionsregierung aus PP und PSOE in der Bildungspolitik drehen wird. Im Kern geht es um eine Richtungsentscheidung zwischen Kontinuität oder Veränderung. Dabei ist die Frage zentral, ob so oft angesetzte und zahlreiche Veränderungen dem Bildungssystem gut tun, oder ob es an der Zeit ist, an dem anzuknüpfen, was bereits besteht, anstatt die Pläne der Vorgängerregierung zu verwerfen.

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