Die italienische Regierung hat beklagt, dass die Bootsflüchtlingszahlen neuerdings wieder stark angestiegen sind. Es wird mit über 200.000 bis Jahresende gerechnet. Man drohte Boote von Nichtregierungsorganisationen nicht mehr in italienische Häfen einlaufen zu lassen. Andere Staaten sollten doch bitte auch ihre Häfen öffnen. Diese winkten sofort ab. Österreich schickte Soldaten und Panzer an den Brenner, um gegebenenfalls Migranten an der Grenzüberquerung zu hindern. Ulrich Ladurner kommentierte die neue alte Flüchtlingskrise in Italien in der Wochenzeitung Die Zeit. Auch äußert er Verständnis für die Blockade der schengenweiten Flüchtlingsverteilung durch mittelosteuropäische Mitgliedsstaaten. Die Verteilung würde nur als Pullfaktor dafür sorgen, dass mehr Migranten kämen. Ladurner holt indirekt den alten Vorwurf aus der Kiste, Italien würde seine Grenzen nicht korrekt sichern.
Derartige Äußerungen kann man als engagierter Europäer im Jahr 2017 nicht unkommentiert lassen. Um das in aller Deutlichkeit klarzustellen:
- Italien sichert nicht „seine“ Grenzen! Italien sichert unsere gemeinsamen Schengengrenzen! Was tut denn Angela Merkels Bundesregierung dafür, die gemeinsamen Schengengrenzen zu sichern?
- Was heißt „Grenze sichern“ im Mittelmeer? Soll man Flüchtlingsboote versenken? Und soll man die Flüchtlinge dann ertrinken lassen, oder soll man so gnädig sein, sie zu erschießen?
Ja genau Herr Ladurner, und alle anderen, die so argumentieren, fühlen Sie sich bitte angesprochen. Die Fragen sind ernst gemeint und an Sie gerichtet! Es handelt sich leider nicht um fiktiven Zynismus, sondern zynische Realität!
Grenzsicherung in einem humanen Kontext kann nur bedeuten, dass man Seenotrettung betreibt und die Migranten danach in Afrika wieder an Land setzt. In groben Zügen wäre das eine Kopie des Merkel-Erdogan-Flüchtlingsdeals. Selbiges wurde auch schon verfolgt mit Libyen, nur vorerst ohne Erfolg. Wie das im Detail läuft, ob man einem halbwegs demokratischen Staat Geld gibt, dass er die Migranten aufnimmt und human versorgt, oder direkt von der EU betriebene Camps unterhält, sind Detailfragen. Die Migrationskrise wird Europa viel Geld kosten. Entweder in Europa selbst, indem man die Migranten, die meist keinerlei Ausbildung und Qualifikation für den europäischen Arbeitsmarkt mitbringen mühselig integriert, oder durch Entwicklungshilfe in Afrika und einen europäischen Grenzschutz aus einer Hand, der unter die Zuständigkeit der Kommission fallen muss.
Verlangen die Italienkritiker, dass die italienische Regierung alle Probleme für uns löst? Verlangen sie, dass allein Italien ein humanistisch nicht-lupenreines Abkommen mit Libyen aushandelt und umsetzt, damit wir später unsere mitteleuropäischen Hände in Unschuld waschen können? Dies ist eine gesamteuropäische Verantwortung und hässliche Entscheidungen dürfen nicht auf die abgewälzt werden, die das Pech der Geografie hatten. Es erinnert an das Solidaritätsverständnis einer deutschen Regierung in der Eurokrise, die anstatt für einen finanziellen Ausgleich zu sorgen, lieber die Notlage verbündeter Staaten ausnutzt, um einen Reibach mit Krediten zu machen. Auch die nationalkonservativen Regierungen Polens und Ungarns offenbaren das Solidaritätsverständnis eines Parasiten - immer gern auf Solidarität pochen, wenn es darum geht, Geld aus Brüsseler Strukturfonds zu bekommen, aber bitte doch keine Solidarität in die andere Richtung.
Wieso beschäftigt sich die Bundespolizei überhaupt noch mit dem Schutz der deutschen Grenzen? Was macht die in Passau? Die Beamten sollten dort eingesetzt werden, wo die deutsche Grenze regulär kontrolliert werden muss und das ist die Schengenaußengrenze am Mittelmeer, aber auch in Osteuropa.
Wie die Währungsunion ist auch die Schengenunion ein nicht-krisenfester Hybrid, ein Schönwetterprovisorium, das in einer Katastrophe mündet, wenn es sich einer Belastungsprobe ausgesetzt sieht. Sowie der Euro eigentlich durch eine politische Fiskalunion und Eurobonds krisenfest gemacht werden müsste, so müsste Schengen krisenfest gemacht werden - durch einen paneuropäischen Schengengrenzschutz, mit Zehntausenden von Beamten und Milliarden an Investitionen in den Aufbau dieser Behörde. Um die Probleme in den Griff zu kriegen, muss europäisch geklotzt werden, nicht gekleckert. Mit einem Frontexchen in Warschau hier und einem Grenzschützchen, mit drei Beamten in Griechenland, ist dieser Herausforderung nicht beizukommen. Die Nationalstaaten, die keine Schengenaußengrenzen haben, brauchen keine Grenzschutzbehörden. Deren Personal sollte komplett in einer EU-Behörde aufgehen und deren Einsatzgebiet sollte deutlich gen Süden verschoben werden. Lasst die Außengrenzen durch eine zentrale, paneuropäische Behörde kontrollieren! Weg mit den ineffektiven, innereuropäischen, nationalen Grenzen!
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