Der nationalistische Kandidat Calin Georgescu, der in der ersten Runde der rumänischen Präsidentschaftswahlen überraschend den ersten Platz belegte, wurde in seinem politischen Aufstieg vom Verfassungsgericht abrupt gestoppt. Der Grund: Verdacht auf russische Einmischung, die den - dem Kreml gegenüber sehr nachgiebigen - Kandidaten nach vorne getrieben hätte. Am 24. November 2024 hielt Rumänien den Atem an: Der pro-russische Kandidat Calin Georgescu, der der Öffentlichkeit noch wenige Wochen zuvor unbekannt war, führte die Wahl mit mehr als 23% der Stimmen an. Er tritt in der zweiten Runde gegen die liberale und pro-europäische Kandidatin Elena Lasconi an, doch zwei Tage vor der Abstimmung kommt es zum Eklat: Das Verfassungsgericht des Landes annulliert die Wahl - und verbietet Calin Georgescu dann im März 2025, erneut zu kandidieren. Eine eingehende Untersuchung des rumänischen Geheimdienstes brachte eine digitale Kommunikationsstrategie von bisher unbekanntem Ausmaß ans Licht, die über soziale Netzwerke orchestriert und durch massive Cyberangriffe verstärkt wurde.
Eine außergewöhnliche digitale Kampagne
In den Wochen vor dem ersten Wahlgang wurde Calin Georgescus Kampagne weitgehend über soziale Netzwerke ausgebreitet, insbesondere über TikTok, das von fast der Hälfte der Rumänen genutzt wird. Mehrere hundert Influencer beschreiben in ihren Videos, ohne seinen Namen explizit zu erwähnen, einen „idealen Kandidaten“ - dessen Porträt erstaunlicherweise in allen Punkten mit dem von Georgescu übereinstimmt. Schlüsselwörter, darunter vor allem „Gerechtigkeit“ und „Wahrheit“, tauchen immer wieder auf, sowohl in Hashtags als auch direkt aus dem Mund der Influencer - diese Wörter werden dann in den Videos des Kandidaten wiederholt. Diese digitale Strategie wurde von einer verdächtigen Mobilisierung auf TikTok begleitet: Tausende von vermutlich automatisierten Konten überfluteten die Beiträge mit Kommentaren zugunsten des Kandidaten und erhöhten so künstlich seine Popularität. Zwischen dem 13. und 26. November 2024 war sein Name unter den Trends auf der Plattform zu finden und erreichte weltweit Platz 9 - ein erstaunliches Phänomen für ein Land mit nur 19 Millionen Einwohnern.
Trübe Finanzierung
Ein weiteres Fragezeichen betrifft die Finanzierung dieser Operation. Offiziell gab Georgescu an, keinen einzigen Euro für seine Kampagne ausgegeben zu haben. Dennoch musste Georgescu allein für die Sammlung der 200.000 Unterschriften, die er für seine Präsidentschaftskandidatur benötigte, Personen mobilisieren, die diese Unterschriften sammelten, und selbst wenn diese ehrenamtlich tätig gewesen wären, musste der Kandidat Material kaufen, um die Unterschriften eintragen zu können. Eine Untersuchung des rumänischen Geheimdienstes ergab außerdem, dass mehrere Influencer über eine in Südafrika ansässige Kommunikationsagentur namens FA Agency bezahlt wurden. Den Enthüllungen der rumänischen Presse zufolge scheint es sich bei dieser Agentur jedoch um ein Phantom zu handeln: Sie wurde im Juni 2024 gegründet, ist in keinem südafrikanischen Unternehmensregister eingetragen und hat keine Präsenz in den sozialen Netzwerken.
Eine beispiellose Welle von Cyberangriffen
In den Tagen vor der Wahl und am Wahltag selbst war Rumänien das Ziel von mehr als 85.000 Cyberangriffen aus rund 30 Ländern. Diese Angriffe richteten sich insbesondere gegen die Wahlsysteme. Laut den Geheimdiensten, die dies in freigegebenen Dokumenten enthüllten, können diese Angriffe nur von einer „staatlichen“ Instanz, d.h. einem ausländischen Staat - den die Geheimdienste nicht nennen, sondern auf Russland verweisen - organisiert worden sein. Laut den rumänischen Diensten entspricht Georgescu dem Profil eines Führers, der sich an der Politik Moskaus orientiert. Er übernahm insbesondere die Rhetorik des Kremls in Bezug auf den Krieg in der Ukraine und bezeichnete das Land als „künstlichen Staat“. Darüber hinaus brachte er seine Bewunderung für Wladimir Putin und seine Unterstützung für europäische Politiker mit prorussischen Positionen zum Ausdruck, wie Viktor Orban in Ungarn und Robert Fico in der Slowakei.
Eine strategische Herausforderung für Rumänien und die NATO
Die Frage des russischen Einflusses in Rumänien ist von entscheidender Bedeutung. Das Land, das über 650 Kilometer an die Ukraine grenzt, ist eine wichtige Stütze Kiews und beherbergt den größten NATO-Militärstützpunkt in Europa. Dies wird von Moskau als direkte Bedrohung wahrgenommen und macht es strategisch interessant, einen russlandfreundlichen Führer an die Spitze des Landes zu setzen. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts, die Wahl für ungültig zu erklären, bedeutet somit einen Rückschlag für diese Dynamik. Es wird erwartet, dass eine neue Wahl abgehalten wird, während eine umfassende Untersuchung fortgesetzt wird, um die Verantwortlichkeiten und die verdeckte Finanzierung der Kampagne aufzuklären. Rumänien, das sich am Schnittpunkt der geopolitischen Spannungen zwischen Ost und West befindet, wird entschlossen auf Einmischungsversuche reagieren müssen, die seine demokratische Souveränität gefährden.
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