Eingeladen sind Dr. Peter Jahr aus dem Ausschuss für regionale Entwicklung des EU-Parlaments. Außerdem Michael Schmitz, stellvertretender Leiter des Europabüros des Deutschen Landkreistages in Brüssel. Sowie Isolde Rieß, Präsidentin der Deutschen Delegation des Europäischen Ausschusses der Regionen (ADR).
Die Probleme der Zusammenarbeit
Die EU stellt hohe Mittel zur Förderung der Regionen und Kommunen bereit. Allein im Rahmen des EFRE-Strukturfonds, sind es im Zeitraum 2021-2027, 226 Milliarden Euro. Dabei ist das Ziel der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt innerhalb der EU. Weitere Beispiele für solche Strukturfonds sind der ESF+ und ELER. Diese Mittel müssen von den Kommunen und Regionen selbst beantragt und integriert werden, und genau dort scheinen die größten Probleme zu liegen. Peter Jahr sieht die Probleme im komplexen Verwaltungsapparat, er findet „der Bürokratieabbau bleibt völlig auf der Strecke“. Kommunen bräuchten aktuell extra eigene Angestellte, um ihre Mittel zu beantragen. Weniger Vorgaben zur Integration der Mittel und mehr „Freiheitsgrade zulassen“, würden das Projekt erfolgreicher machen. Dabei wünsche er sich mehr offenen Dialog.
„Ich glaube, dass wir insgesamt viel mehr schauen müssen, was die dringendsten Bedürfnisse vor Ort sind“ - Michael Schmitz
Auch Isolde Rieß würde dafür gerne, „nach dem Subsidiaritätsprinzip“, die Kommunen und Länder mehr mit einbeziehen und betont dessen Wichtigkeit. Gleichzeitig sieht sie im Fachkräftemangel ein großes Problem für die Umsetzung der regionalen Förderungen. Michael Schmitz merkt an, dass die Städte in Relation bis zu drei Mal mehr Geld erhalten als die Kommunen. Als Ursache dafür sieht er mehr Fachpersonal zur Beantragung der Fördermittel in den Städten.
Die Probleme der Teilhabe
Eine Publikumsfrage lenkt die Diskussion weiter auf die Frage, ob es bei den Fördermitteln zu wenig Freiräume gäbe. Dabei warnt Michael Schmitz vor zu großen Freiräumen, da diese in der Vergangenheit nicht zielführend genutzt oder ausgenutzt wurden. Auch Isolde Rieß betont: „Gelder sollten an bestimmte Kriterien gebunden sein“. Alle drei sind sich aber einig, dass es mehr Feedback von der Basis braucht, um die Mittel effektiver anzupassen.
Wäre ein Europagemeinderat sinnvoll? Michael Schmitz erläutert, dass es auf der Ebene mit knapp 11.000 Kommunen einfach zu viele gibt, als dass Abgeordnete für jede Kommune sinnvoll wären. Auf Landkreisebene fehle häufig das Geld für Europaabgeordnete. Er weist aber auf den Rat der Gemeinden und Regionen Europa (RGRE) hin, der einen Raum für Dialog und Diskussion schaffe. „So schafft man Synergieeffekte und so gibt man Kommunen, auch ohne Abgeordneten, die Möglichkeit, ein Update zu bekommen“. Isolde Rieß erklärt danach, dass Lotsen in allen Kommunen ernannt werden sollten, die für die Teilhabe verantwortlich sein könnten. „Diese sollten nichts anderes machen, als sich um Projekte in Europa zu kümmern“. So könnten diese Lotsen sich dann damit unter Umständen sogar selbst finanzieren. Aus eigener Erfahrung berichtet sie vom Erfolg dieses Vorgehens.
Die Probleme der Sichtbarkeit
Wie können die Regionen auf EU-Ebene sichtbarer werden? Peter Jahr weist auf die bestehenden Mittel hin. Man könne Europaabgeordnete aufsuchen und Petitionen schreiben. Bei öffentlichen Konsultationen (gemeinsamen Beratungen) wünsche er sich deutlich mehr Bürger*innenbeteiligung. Zudem stellt er fest, dass es schwer sei, die Entwicklung von Regionen zu messen. Hinzukommend problematisiert er, dass ärmere Regionen ihre Mittel nicht mehr erhalten, sobald sie sich entwickeln. Isolde Rieß macht deutlich, dass der ADR sichtbarer werden muss und nicht, dass es mehr Gremien braucht. Das Ziel sei es, schwache Regionen zu fördern und alle in der EU auf gleichen Lebens- und Bildungsstandard zu bringen. Zur Festlegung der Maßnahmen gibt es bereits die EU-Kommission, das Parlament, den Rat und den Ausschuss der Regionen. Zur besseren Partizipation verweist sie später auf die Europäische Bürgerinitiative, den Europäischen Petitionsausschuss und den Europäischen Bürgerbeauftragten. „Das sind alles Gremien, die vielleicht nicht so bekannt sind, aber an die man sich wenden kann“.
Wechselseitig wird noch gefragt, wie die EU-Organe präsenter und sichtbarer für die Bürger*innen werden können. Peter Jahr betont, dass er beispielsweise Schulen und öffentliche Einrichtungen besuche, „da kann man gar nicht genug durch die Kirchen ziehen“. Er kritisiert, dass Beschlüsse der Kommission manchmal nicht in allen drei Amtssprachen(Deutsch,Französisch,Englisch) erscheinen und betont, dass auf Bürger*inneninitiativen konsequenter reagiert werden muss, um mehr Vertrauen herzustellen. „Der Bürger sollte den Eindruck haben, dass seine Anliegen auch ernst genommen werden“. Er schlägt vor, dass eine Bürger*inneninitiative, welche sich dem EU-Parlament anschließt, in Zukunft von der Kommission verpflichtend umgesetzt werden muss.
Was wünschen Sie sich von Europa? Isolde Rieß verdeutlicht, dass Europa eine Wertegemeinschaft ist und appelliert an die Bürger*innen in einem bewegenden Beitrag: „Ich wünsche mir ein Europa, in dem es weniger Egoismen gibt“, und bekommt damit das Schlusswort.
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