Die Wahl, migrations- und sicherheitspolitische Fragen in einen Topf zu werfen, ist daher mehr als unglücklich. Dieses politische Manöver wurde bereits in den vergangenen Jahren eingehend behandelt und ausgiebig kritisiert. Es nun wieder hervorzubringen ist, ehrlich gesagt, ein leicht zu vermeidender Fehler und außerdem Vorreiter schlechter Entwicklungen in der öffentlichen Debatte.
Während das Wort „Verteidigung“, wie die Ressortbeschreibung im Englischen lautet, also sicherlich als schlecht gewählt betrachtet werden darf, bedarf der Ausdruck „European Way of Life“ vielleicht noch einer ausführlicheren Behandlung. Es scheint mir dabei tatsächlich gar keine schlechte Idee zu sein, einmal zu definieren, wer eigentlich die Europäer sind, welche Charakteristika sie ausmachen und was unter ihrer gemeinsamen Identität zu verstehen ist.
Ein Individuum, das Schwierigkeiten hat seine eigene Identität zu definieren und die eigenen Grenzen zu erkennen, wird generell als problematisch, wenn nicht sogar als krankhaft eingestuft. Warum sollte also eine Gemeinschaft wie Europa, oder im besonderen Falle die Europäische Union, nicht auch ihre eigene Identität anerkennen können?
Die politische Debatte über Identität den nationalistischen und identitären Flügen zu überlassen wäre mehr als eine verpasste gute Möglichkeit. Es wäre auch eine politische Niederlage für all jene, die an die Werte glauben, die nicht nur die Grundlage für die Verträge über die Europäische Union, sondern auch für viele nationale Verfassungen, einschließlich der italienischen, sind.
Ein European Way of Life müsste sich auf eine plurale Identität mit einer Vielzahl von Ebenen stützen, die die besten Elemente der Vergangenheit nutzt, um die Zukunft zu gestalten.
Europäisch, das ist der Umweltschutz, europäisch, das ist der Sozialstaat, europäisch, das ist der Rechtsstaat, europäisch sind der säkulare Staat und die Religionsfreiheit, europäisch, das ist sicherlich die Verteidigung einer multilateralen internationalen Systems, das auf Regeln basiert, die die Gemeinschaftsinteressen und nicht fortwährende Machtkämpfe in den Mittelpunkt rücken.
Die Europäische Union muss sich aller ihr verfügbaren Mittel bedienen, um dieses Modell zu festigen und weiterzuentwickeln - im Inneren wie im Äußeren. So wird sich die supranationale Institution noch ein wenig mehr an das weit größer angelegte Konzept von „Europa“ annähern.
Um mit Zygmunt Baumans Worte zu sprechen: man ist nicht europäisch, weil man auf einer Halbinsel des asiatischen Kontinents geboren wurde, man ist es durch die Entscheidung, die eigene Geschichte zu teilen, um einen gemeinsamen Weg zu beschreiten.
Europa ist keine Gemeinschaft der Geburt, sondern vor allem eine Gemeinschaft des Schicksals.
Elemente dieser Auffassung, die sicherlich nicht von den von einigen als faschistisch bezeichneten Strömungen geteilt werden, waren durchaus im Programm der Präsidentin Von der Leyen präsent. Aber im Anbetracht der Geschehnisse sollte diese sicherlich genauer dargestellt werden.
Auf dass durch die Diskussion des Portfolios von Margaritis Schinas also eine neue Möglichkeit entstehe. Auf dass das Europäische Parlament den eigentlichen Sinn des European Way of Life erörtere und diskutiere, welche politischen Implikationen aus einer solchen Redewendung entstehen können.
Auf dass Klarheit geschaffen werde und dass, ein für alle Mal, auf Worte auch passende Taten folgen.
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