Die Favoriten
Wer sich die Biographien der drei dominantesten Kandidaten für die US-Präsidentschaftswahl im November 2016 anschaut, stellt fest, dass die Kandidaten nicht unterschiedlicher sein könnten. Hillary Clinton, Kandidatin der Demokraten, arbeitete nach dem Abschluss in Jura an der Yale Law School zunächst als Anwältin für sozial Benachteiligte und Kinder. Als First Lady an der Seite ihres Mannes Bill Clinton begann ihre politische Karriere. Unter Präsident Obama war sie Secretary of State. Im Gegensatz zu Clinton verfügt der Kandidat der Republikaner, Donald Trump, kaum über politische Erfahrung, dafür allerdings, nicht zuletzt auf Grund seines millionenschweren Immobilienunternehmens, über beste Kontakte. Seit 2014 unterstützt er die republikanische Politik durch hohe finanzielle Zuwendungen; sich selbst bezeichnet er als nicht weniger als „the very definition of the American success story“. Der dritte Kandidat ist Bernie Sanders: Der parteilose „demokratische Sozialist“, wie er sich selbst nennt, ist im Bundesstaat Vermont seit 1981 in verschiedenen Funktionen aktiv, aktuell vertritt er den Bundesstaat im amerikanischen Kongress. Geschätzt wird er als pragmatischer und erfolgreicher Politiker, der guten Kontakt zu den Bürgern hält.
Inhaltlich liegen Welten zwischen den Kandidaten
An Facettenreichtum mangelt es diesem Wahlkampf schon jetzt, gut ein Jahr vor der Wahl, keinesfalls. Trump fordert eine Mauer zwischen Mexiko und Amerika, um illegale Einwanderung zu stoppen, Clinton setzt sich für eine Krankenversicherung für alle Bürger ein, Sanders erklärtes Ziel ist die Bekämpfung der wachsenden Ungleichheit. Was sie alle gemeinsam haben, ist der Glaube an ihre Fortress America: Seien die Positionen der Kandidaten in Bezug auf internationale Wirtschaft oder Klimawandel noch so unterschiedlich, stellt keiner von ihnen die weltweite Führungsrolle Amerikas auf allen Gebieten in Frage. Das Prinzip „America Number One“ ist ein zentrales Kriterium für die Gestaltung aller Politikfelder; dementsprechend spiegelt sich dieses Selbstverständnis im Wahlkampf, der bisher fast ausschließlich von innenpolitischen Themen dominiert wird.
EU im Wahlkampf kaum beachtet
Denkbare Themen wie die Beziehungen zur Europäischen Union, beziehungsweise zu einzelnen Mitgliedsstaaten, greift keiner der Spitzenkandidaten auf – vermutlich auch deshalb, weil es keine Themen sind, welche die Wählerschaft bewegen und folglich Wählerstimmen einbringen können. Verschiedene Umfragen zeigen, dass die amerikanischen Bürger die EU zwar als wichtigen Verbündeten sehen, aber nur wenige haben ein differenziertes Bild der EU. Der politische Prozess innerhalb der Europäischen Union spielt im Wahlkampf zumindest bei Clinton und Sanders keine Rolle. Zwar äußerten sich beide zum Referendum in Griechenland und den Entscheidungen der EU in diesem Zusammenhang, zum offensiven Wahlkampf nutzen sie diese Thematik jedoch nicht. Ähnlich verhält es sich mit der Situation in der Ukraine und den Beziehungen Europas zu Russland; zwar befürworten die Kandidaten geschlossen Sanktionen gegen Russland, doch sehen sie auch tendenziell zunächst Europa unter Handlungszwang, sodass das Thema im Wahlkampf zunächst nicht aufgegriffen wird.
Trump kritisiert liberale EU-Einwanderungspolitik
Anders die europäische Flüchtlingskrise in Folge des Bürgerkriegs in Syrien: Donald Trump stützt darauf seine rassistische Hetze gegen Immigranten in den USA. In einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender Fox News sagte Trump vor wenigen Tagen, „dunkelhäutige Menschen auf der ganzen Welt“ drohten, „die Komplexität westlicher Länder zu verändern.“ Die Überforderung Europas mit den Flüchtlingsströmen ist für den republikanischen Kandidaten ein Vorzeigebeispiel, mit dem er in der Heimat seine xenophoben Parolen illustriert. Für Clinton und Sanders bedeutet das, dass auch sie dieses Thema im Wahlkampf aufgreifen müssen; strategisch wäre es fatal, Trump dieses Feld allein zu überlassen, zumal gemäß der aktuellen Ankündigungen Obamas auch die USA als Asylland für syrische Flüchtlinge in Frage kommen und somit die amerikanischen Bürger vom ursprünglich europäischen Geschehen betroffen sind. Den Parolen ihres Gegners stellen sich Sanders und Clinton entschieden entgegen, beispielsweise mit der Forderung nach globaler Zusammenarbeit und Unterstützung Europas bei der Bewältigung dieser Krise.
Es gibt ihn also, den Blick über den Atlantik, auch in Zeiten des Wahlkampfs, in denen am Horizont noch mehr amerikanische Flaggen wehen als sonst. Ein europäisches Problem wird Teil des Wahlkampfs – allerdings geht es wohl weniger um die Lösung jenes Problems als um eine medienwirksame Instrumentalisierung.
Kommentare verfolgen: |