Auch in Polen beginnt die Ferienzeit. Vermutlich hielt die regierende PiS dies für den richtigen Zeitpunkt um eine weitreichende Gesetzesänderung ohne große Aufmerksamkeit durchs Parlament zu bringen. Die umstrittene Justizreform sieht eine Neuordnung des Nationalen Justizrates (Krajowa Rada Sądownictwa) und des Obersten Gerichtshofs (Sąd Najwyższy), dem zweithöchsten Gericht nach dem Verfassungsgericht vor.
Am Mittwoch beschloss die Regierungsmehrheit im Sejm eine Gesetzesnovelle über den Nationalen Justizrat. Das Gremium gewährleistet bisher die Unabhängigkeit der Gerichte und wählt Kandidaten für das Richteramt aus. Der bisherige Nationale Justizrat soll innerhalb von 30 Tagen nach Inkrafttreten des Gesetzes aufgelöst werden. Bei der Neubesetzung würden Kandidaten teils vom Sejm gewählt, teils vom Präsidenten ernannt werden. Damit wäre für die PiS der Weg frei, ihre bevorzugten Kandidaten einzusetzen.
Am Donnerstag dann wurde ein weiterer Gesetzesentwurf eingebracht, der die faktische Zerschlagung des Obersten Gerichtshofs bedeutet. Mit Inkrafttreten des Gesetzes sollen alle Richter des Obersten Gerichtshofs in den Ruhestand versetzt werden abgesehen von den „vom Justizminister ernannten Richtern“. Daneben soll der Gerichtshof in drei Kammern aufgeteilt werden.
Pierwsza strona weekendowego @DGPrawna.#DGP #media #magazynDGP pic.twitter.com/BmgU29uJW2
— DziennikGazetaPrawna (@DGPrawna) 13. Juli 2017
„Dreiteilung der Macht“ titelte heute morgen die polnische Gazeta Prawna. Auf dem Cover: Parteichef Jaroslaw Kaczynski.
Bereits wenige Wochen nach dem Regierungswechsel 2015 beschloss die PiS-Regierung einen Umbau des Verfassungsgerichtes und den Austausch der Richter. Auch damals wurden die weitreichenden Gesetzesvorhaben in eilig berufenen Sitzungen beider Kammern beschlossen und teilweise noch am selben Abend vom Staatspräsidenten unterzeichnet. Die ehemaligen Vorsitzenden des Verfassungsgerichts richten sich jetzt in einem Appell an die Öffentlichkeit. Sie warnen vor einer de facto Änderung der Verfassung und sehen die Rechte und Freiheiten der Bürger in Gefahr.
Erst wenn Staatspräsident Duda das Gesetz unterschreibt tritt es in Kraft. Der Sprecher des Präsidenten teilte mit, dass Duda den Text zuerst prüfen würde. Ungewöhnlich ist, dass es bei einem Gesetzesvorhaben dieser Tragweite keine Konsultation mit dem Staatspräsidenten gegeben haben soll.
Der Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber sagte angesichts der Justizreform in Polen, dass die „rote Linie der Rechtsstaatlichkeit überschritten“ sei. Unmittelbare Konsequenzen sind jedoch nicht abzusehen. Gegen Polen wurde bereits ein Rechtsstaatsverfahren eingeleitet. Der Entzug des Stimmrechts in der EU ist jedoch wegen der nötigen Einstimmigkeit und des drohenden Vetos aus Ungarn nicht zu erwarten. Das Aussetzen von EU-Mitteln wäre erst für den Haushalt ab 2021 denkbar.
Kommentare verfolgen: |