Parlamentswahlen in Zypern: Fragen und Antworten

, von  Valentin Petri

Parlamentswahlen in Zypern: Fragen und Antworten
In der Republik Zypern finden am 30.Mai Parlamentswahlen statt. Foto: Pixabay/jorono/Lizenz

In der Republik finden am 30. Mai Parlamentswahlen statt. Wer genau steht zur Wahl? Welche Themen bewegen die Zyprer*innen? Und welche Bedeutung hat die Wahl für die EU? Hier findet ihr die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick!

Was und wie wird gewählt? Gut eine halbe Million Zyprer*innen haben am 30. Mai über die Zusammensetzung des Repräsentantenhauses abzustimmen. Die 56 Abgeordneten des Einkammerparlaments werden über ein Verhältniswahlrecht für eine Legislaturperiode von fünf Jahren gewählt. Die Wähler*innen stimmen dabei für Wahllisten, die von den Parteien für die sechs Wahlkreise aufgestellt wurden, und können zudem Vorzugstimmen vergeben um den Listenplatz und damit die Chancen einzelner Kandidat*innen verbessern.

Hintergrund: Das politische System der Republik Zypern Als einziges EU-Land ist Zypern eine präsidentielle Republik: Das heißt der oder die direkt vom Volk gewählte Präsident*in ist zugleich Staatsoberhaupt und Regierungschef*in. Er oder sie verfügt über weitreichende Vetobefugnisse gegenüber dem Parlament und bestimmt die Zusammensetzung der Regierung, die in der Regel aus Angehörigen der Präsidentenpartei und ggf. anderen Koalitionsparteien besteht, die die Regierung im Repräsentantenhaus unterstützen. Die Regierung wird nicht vom Parlament gewählt und ist dementsprechend nicht zwingend auf eine feste Parlamentsmehrheit angewiesen.

Amtierender Präsident ist seit 2013 der 74-jährige Nicos Anastasiades von der liberal-konservativen Demokratischen Gesamtbewegung (DISY). Präsidentschaftswahlen finden ebenfalls aller fünf Jahre in der Mitte der Legislaturperiode statt. 2018 wurde Anastasiades mit knapp 56% im Amt bestätigt.



Nicos Anastasiades, seit 2013 Präsident der Republik Zypern. Foto: Wikipedia/European People’s Party/Lizenz


Welche Themen spielen eine Rolle? Umfragen zufolge sehen die Wähler*innen die aktuell größten Herausforderungen für Zypern in der Korruption, der Corona-Pandemie, der Wirtschaft und dem Zypernkonflikt, der seit der Teilung der Insel 1974 schwelt und bis heute ungelöst bleibt. Insbesondere im Hinblick auf Korruption herrscht in der Bevölkerung Frustration: Weniger als 40% der Zyprer*innen glauben daran, dass ein Zypern ohne Korruption möglich ist.

Zuletzt erschütterte im Herbst 2020 ein Skandal um das viel kritisierte „Golden Passport“-Programm der zyprischen Regierung die Republik und warf ein Schlaglicht auf die Problematik der Korruption und des Machtmissbrauchs bis in höchste politische Ämter. Auch der damalige Parlamentspräsident war in den Skandal verwickelt und musste in Folge des Skandals zurücktreten. Seit 2013 verkauft Zypern im Gegenzug für Investitionen in Millionenhöhe die Staatsangehörigkeit (und damit einen EU-Pass) an wohlhabende Ausländer*innen und hat auf diese Weise bereits etwa 4.000 Pässe vergeben.

Insgesamt stellen Beobachter*innen eine wachsende Politikverdrossenheit fest, die sich in vergangenen Wahlen vor allem in einer rapide abnehmenden Wahlbeteiligung niederschlug. 2016 nahmen trotz der damals formal noch geltenden Wahlpflicht nur knapp 67% der Wahlberechtigten an den Parlamentswahlen teil. Auch für dieses Jahr prognostiziert Hubert Faustmann, Politikwissenschaftler an der Universität Nicosia, eine wachsende Zahl an Nichtwähler*innen. „Die verbreitetste Art der Protestwahl ist die Nichtwahl“, konstatierte Faustmann im Gespräch mit Cyprus News Digest.

Hintergrund: Der Zypern-Konflikt Seit Zypern von Großbritannien 1960 in die Unabhängigkeit entlassen wurde, ringen griechische Zyprer*innen und türkische Zyprer*innen und ihre jeweiligen Garantiemächte Griechenland und Türkei um die Macht auf der Insel. 1974 eskalierte der Konflikt, als die türkische Armee in Reaktion auf einen von Griechenland initiierten Militärputsch den Norden der Insel besetzte. Die dort ausgerufene Republik Nordzypern wird bis heute international nur von der Türkei anerkannt. Um ein Aufflammen des Konflikts zu verhindern, hat die UN eine Pufferzone an der De-Facto-Grenze der beiden Landesteile errichtet.



Die innenzyprische Grenze verläuft direkt durch Nicosia, die Hauptstadt beider Landesteile. Foto: Wikipedia/Maximilian Dörrbecker/Lizenz


Wegen der andauernden Teilung werden lediglich 56 der eigentlich 80 Sitze im zyprischen Repräsentantenhaus gewählt. Die übrigen, verfassungsgemäß für die türkischsprachige Gemeinschaft vorgesehenen 24 Sitze bleiben, wie auch das Amt des Vizepräsidenten, vakant. Trotz vielfacher Anläufe vonseiten der internationalen Gemeinschaft ist es bislang nicht gelungen den Konflikt durch eine Wiedervereinigung oder eine Zwei-Staaten-Lösung beizulegen. Die jüngsten Friedensgespräche unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen scheiterten Ende April diesen Jahres.

Wofür stehen die Parteien?

Die Parteien im Überblick Insgesamt treten 15 Parteien mit über 650 Kandidat*innen zu den Wahlen an. Zur besseren Einordnung sind die Parteien, die in bisherigen Umfragen aufgeführt wurden, im Folgenden den Fraktionen des Europaparlaments zugeordnet, zu denen sie direkt oder indirekt in Verbindung stehen.

  • DISY – Demokratische Sammlung (EVP)
  • AKEL – Fortschrittliche Partei des arbeitenden Volkes (GUE-NGL)
  • DIKO – Demokratische Partei (S&D)
  • EDEK – Sozialdemokraten (S&D)*
  • SYPOL – Bürgerallianz (RE)*
  • KA – Solidarische Bewegung (EKR)
  • KOSP – Ökologische Bewegung (Grüne/EFA)
  • ELAM – Nationale Volksfront (NI)
  • AG – Change Generation
  • DIPA – Demokratische Front (RE)

*EDEK und SYPOL treten in einer Koalition zusammen an.

Die wichtigsten Parteien und ihre Positionen Trotz der großen wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten, mit denen Zypern seit Beginn der 2010er Jahre zu kämpfen hat, ist die Parteienlandschaft relativ stabil geblieben. Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern konnte sich keine nennenswert große Protestpartei etablieren und von der Unzufriedenheit mit der politischen Führung profitieren. Die seit Jahrzehnten dominanten Parteien sind nach wie vor die bereits erwähnte DISY von Präsident Anastasiades und die linksgerichtete AKEL.

DISY hat ein für christdemokratische Parteien typisches Profil und steht für einen wirtschaftsfreundlichen und pro-westlichen Kurs. Als Nachfolgerin der kommunistischen Partei vertritt die konkurrierende AKEL heute eher moderat linke Positionen und setzt sich beispielsweise für einen besseren Schutz von Arbeitnehmer*innenrechten ein. Beide Parteien unterstützen die Wiedervereinigung Zyperns als föderaler Staat.

Aktuelle Zusammensetzung des Parlamentes:

Traditionelle Koalitionspartnerinnen der großen Parteien sind die zentristische Demokratische Partei DIKO und die Sozialdemokratische Bewegung EDEK, die im Hinblick auf eine Wiedervereinigung mit Nordzypern allerdings für einen griechisch-zypriotisch dominierten Einheitsstaat einstehen. Umfragen prognostizieren leichte bis moderate Verluste für die vier traditionellen Parteien.

Deutlich hinzugewinnen könnten die grüne Partei KOP und die rechtsextreme, ultranationalistische Nationale Volksfront ELAM. ELAM hat enge Verbindungen zur griechischen neofaschistischen Partei Goldene Morgenröte, die im Herbst 2020 nach einem spektakulären Gerichtsprozess zu einer kriminellen Organisation erklärt wurde.

Was bedeutet die Wahl europapolitisch? Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der politischen Führung hat sich bislang kaum in den Umfragen zu den Parlamentswahlen niedergeschlagen. Wesentliche Änderungen in der Zusammensetzung des Repräsentantenhauses sind nicht zu erwarten.

Aufgrund des zyprischen Regierungssystems gelten die Parlamentswahlen im Vergleich zu den Präsidentschaftswahlen ohnehin als weniger wichtig. Da Präsident Anastasiades unabhängig vom Wahlausgang Regierungschef bleibt, könnte sich allenfalls die Zusammensetzung seiner Regierung ändern. Allerdings bleibt abzuwarten inwiefern sich ein möglicher Wahlerfolg der Grünen oder der Rechtsextremen auf die Politik von Anastasiades auswirkt.

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