Orbáns Schaukelspiele

, von  Nina Monecke

Orbáns Schaukelspiele
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán ist in der EU umstritten, in Wladimir Putin sucht er deshalb einen alternativen Partner. Foto: Viktor Orbán © European People’s Party / Flickr / CC BY-ND 2.0

Er konnte es nicht lassen. Nur zwei Wochen nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gast in Budapest war, empfing der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán den russischen Regierungschef Wladimir Putin - obwohl sich die EU-Mitgliedsstaaten darauf geeinigt hatten, angesichts der Krim-Annexion keine bilateralen Treffen mit Russland abzuhalten. Orbán sendet damit ein Zeichen in Richtung Brüssel: Für Ungarn gibt es alternative Partner zur EU – und diese sucht er gezielt.

Widerstand gegen Putin-Besuch

„Putin nein, Europa ja!“ forderten rund tausend Demonstranten am vergangenen Montagabend in Budapest. In einem symbolischen Marsch zogen sie vom Ost- zum Westbahnhof der Stadt und protestierten damit gegen den Besuch des Kremlchefs Putin und eine Ostöffnung Ungarns. Ministerpräsident Orbán zeigte sich mäßig beeindruckt: „Es ist nicht leicht, mit Russland zu kooperieren, weil das die Gefühle vieler Ungarn berührt. Das müssen wir in den Griff bekommen.“ Ausgeglichene und langfristige Beziehungen zu Russland seien für Ungarn von großer Bedeutung – insbesondere weil Orbán alternative Partner und Finanzierungsquellen braucht.

Der Vorsitzende der Fidesz-Partei habe sich auf internationaler Ebene isoliert, meint Atilla Ara-Kovács, außenpolitischer Sprecher der ungarischen Oppositionspartei Demokratische Koalition (DK). Vergeblich kämpfe er um Anerkennung und Einladungen zu Staatsbesuchen im Westen. Das deutsch-ungarische Verhältnis bildet da eine Ausnahme. Doch auch Angela Merkel kam zuletzt nur für eine fünfstündige Stippvisite nach Budapest, bei der sie Orbán zu mehr Offenheit gegenüber seinen Kritikern aufgeforderte.

Orbán macht den Putin

Innenpolitisch hat sich der rechtskonservative Orbán seit seinem Amtsantritt 2010 einiges bei seinem russischen Amtskollegen abgeschaut. Zwar bezeichnet der eine sein Land als „gelenkte“, der andere als „illiberale“ Demokratie, das Ergebnis ist jedoch dasselbe: Eine radikale Beschneidung der Pressefreiheit, der politischen Opposition und der Zivilgesellschaft.

Amnesty International dokumentiert in einem neu erschienenen Bericht das politisch motivierte Vorgehen der ungarischen Führung gegen Nichtregierungsorganisationen. Im vergangenen Jahr führten ungarische Behörden Razzien in den Büros zweier NGOs durch und beschlagnahmten das vorgefundene Material. Für 59 Organisationen, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhielten, wurden Wirtschaftsprüfungen angeordnet.

Das zentrale Bezirksgericht Buda hat die Durchsuchungen mittlerweile als rechtswidrig erklärt. Vier NGOs droht dennoch ein Prozess. Orbán hatte die zivilgesellschaftlichen Gruppen in Putin-Manier als „ausländische Agenten“ bezeichnet und diese beschuldigt „fremde und gegen Ungarn gerichtete Interessen“ zu vertreten. „Die EU darf nicht zulassen, dass russische Praktiken gegen die Zivilgesellschaft nun von einem EU-Mitgliedsstaat importiert werden“, sagt Selmin Çalışkan, Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty.

Energieabhängigkeit von Russland

Während Angela Merkel in Budapest mahnende Worte angesichts des Demokratieabbaus des Landes fand, ging es in den Gesprächen mit Putin vor allem um die für Ungarn so wichtigen russischen Gaslieferungen. Die Laufzeit des noch aus den 1990er-Jahren stammenden Vertrags muss dringend verlängert werden. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto sprach im Vorfeld des Besuchs von einer „schicksalsentscheidende Bedeutung für die Energiesicherheit“ seines Landes. Rund 60 Prozent seiner Energielieferungen bezieht Ungarn aus Russland. Dazu habe laut Orbán auch die EU beigetragen, die das Gaspipeline-Projekts Nabucco nicht ausreichend unterstützt habe. Nach dem Scheitern der South Stream Pipeline, bleibe Ungarn „keine andere Energiequelle als Russland," so Orbán.

Ungarn buhlt zudem um neue Investitionen aus dem Osten. Erst Mitte Januar sicherte sich die Administration Orbáns einen russischen 10 Milliarden Kredit. Zwei neue Reaktorblöcke sollen im etwa hundert Kilometer südlich von Budapest gelegenen Paks das einzige Atomkraftwerk des Landes erweitern. Damit begibt sich Ungarn zweifellos weiter in die energiepolitische Abhängigkeit. Orbán behauptet das Gegenteil. Bei der Auftragsvergabe wurde zudem EU-Recht unterlaufen. Eine formale Ausschreibung für das Neubauprojekt gab es nicht.

Die Gunst der Stunde

Die derzeitige weltpolitische Lage scheint günstig für Orbáns Pläne: Die zunehmende Isolation Russlands im Ukraine-Krieg macht das NATO- und EU-Land in Europas Mitte zu einem strategisch attraktiven Partner für Putin. Putins vermeintliches Ziel, den Westen zu spalten, rückt damit ein ganzes Stück näher, denn in Brüssel beobachtete man mit Argwohn die Gespräche in Budapest.

Orbán scheint ein Schaukelspiel zu spielen: Heute Russland, morgen die EU - ein einziges Hin- und Her. Zwar hat er die EU-Sanktionen gegen Russland bisher widerwillig mitgetragen, allerdings hat er diese mehrfach öffentlich als falsch bezeichnet. Mittlerweile schweigt er zum Thema. Das habe er seinen Kollegen - den anderen Ministerpräsidenten der Europäischen Union - versprochen.

Ihr Kommentar
  • Am 21. Februar 2015 um 10:34, von  duodecim stellae Als Antwort Orbáns Schaukelspiele

    Dieser kleine Möchtegernmagyarenkönig gehört von der Europäischen Kommission auf schärfste sanktioniert und hochkant aus der EVP rausgeschmissen! Und Berlusconi bei der Gelegenheit gleich mit entsorgen. David Cameron hat noch Platz in seiner Reste-Rampe-Sammelparteifamilie! Da können die dann alle gemeinsam ihren Nationaldünnpfiff absondern!

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