British Council veröffentlicht Studie über 18- bis 30-Jährige in Deutschland

Next Generation Germany: Zufrieden im Jetzt, ängstlich in der Zukunft

, von  Marie Menke

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Next Generation Germany: Zufrieden im Jetzt, ängstlich in der Zukunft
Porträt einer jungen Generation. Foto: Unsplash / Jens Johnsson / Unsplash License

Für ihre Studienreihe Next Generation hat das British Council eine national repräsentative Auswahl 18- bis 30-Jähriger in Deutschland zu ihrem Alltag, ihren Ängsten und ihren Wünschen befragt. Entstanden ist das Bild einer Generation, die mit ihrem Leben jetzt durchaus zufrieden ist, aber ängstlich in die Zukunft blickt. Darüber hinaus geht es um europäische Identitäten, Haltungen zum Brexit und Geschlechtergerechtigkeit. Ein Blick in die Ergebnisse.

Die deutsche Jugend findet, dass es ihr gutgeht, so das Gesamtergebnis der Studie. Die Befragten zeigten sich stolz auf das deutsche Bildungssystem, das qualitativ hochwertige, aber zugleich kostenlose Bildung ermögliche. Sie sprachen von vergleichsweise niedriger Einkommensungleichheit und einem starken und unterstützendem Sozialsystem. Die Ergebnisse klingen nach einer Mischung aus bescheidenem Bewusstsein für die Vorteile einer Jugend in Deutschland, Stolz auf das System, in dem die Teilnehmer*innen aufgewachsen sind, und daraus erwachsener Gemütlichkeit. Soweit scheint alles okay zu sein.

Ein Blick in die Zukunft wendet das Blatt jedoch: Zum einen zeigten sich die Befragten besorgt, ob Deutschland für die Zukunft gewappnet sei. Gerade für sie typisch deutsche Kompetenzen wie Fleiß und Sorgfalt sowie Charakteristika wie Genauigkeit und Stabilität seien in der Zukunft weniger gefragt. An deren Stelle müssten beispielsweise Kreativität und Schnelligkeit treten: Den Befragten zufolge sind beides nicht unbedingt typisch deutsche Eigenschaften. Zum anderen zeigten sich die Befragten besorgt über ihre eigene Zukunftsplanung: Auch wenn sie das Bildungssystem positiv bewerteten, befürchteten sie beispielsweise, dass dieses nicht innovativ genug sei, sie unter anderem nicht für eine digitale Arbeitswelt vorbereiten könne.

Politik: Gerne, aber anders.

Für die Politik ist die Studie ein Schlag ins Gesicht: Nur die Hälfte der Männer und etwas mehr als ein Drittel der Frauen fühlten sich „etwas“ oder „sehr“ politisch involviert. Nur ein Drittel fand das politische System effektiv, weniger als ein Viertel hatte Vertrauen in die Regierung und für über 70 Prozent stand die Regierung für „keine“ oder nur für „einige“ der Dinge, die ihnen wichtig sind. Kurzum: Politisch repräsentiert fühlen sich die 18- bis 30-Jährigen noch lange nicht.

Die Lösung: Laut der Studie würden junge Menschen gerne mehr an Politik teilhaben, wären politische Themen, Sprache und Formate näher an ihren persönlichen Lebensrealitäten. Eine Mehrheit zeigte sich dabei nicht abgeneigt der Idee, sich politisch zu engagieren, sondern wusste vor allem nicht, wie und wo sie anfangen sollte. Dazu kam eine gehörige Portion Frustration: Von steigenden Hauspreisen über mangelnde Integrationsarbeit für Menschen, die noch nicht lange in Deutschland sind, bis zu technischen Innovationen – die Liste mit Dingen, bei denen Befragte das Gefühl hatten, dass die deutsche Regierung diese nicht im Griff habe, war lang.

Europa und die Welt: Zwischen europäischer Identität und britischem Klischee

Weiter zeigten sich insbesondere im Vergleich zu den Ergebnissen derselben Studie im Vereinigten Königreich die Identitäten junger Deutscher deutlich vielseitiger: Einige identifizierten sich mit ihren Regionen innerhalb Deutschlands, andere eher als europäisch, ganze 77 Prozent identifizierten sich stark mit ihrer Stadt. Deutschland als Nationalstaat schien eine untergeordnete Rolle zu spielen. Über nationale Grenzen hinaus fühlten sich jedoch viele unwohl mit der Rolle, die Deutschland global einnimmt: Sie sahen die deutsche Außenpolitik als zu vorsichtig und auf Konsens ausgerichtet an. Einige sahen den Grund darin, dass Deutschland in der Selbst- und Außenwahrnehmung vor allem mit dem Zweiten Weltkrieg verbunden werde.

Zugleich zeigten sich starke Klischees. Mit dem Vereinigten Königreich assoziierten die Befragten primär drei Dinge: den Brexit, die Queen sowie Tee und Bier. Der Brexit war dabei für fast alle Befragte ein Gesprächsthema, wurde aber vor allem als Enttäuschung und Fehler des Vereinigten Königreichs gesehen. 82 Prozent glaubten, dass der Brexit auch Konsequenzen für Deutschland haben würde, wovon wiederum 62 Prozent glaubten, dass diese Konsequenzen negativ ausfallen würden. Das Vertrauen junger Deutscher in die EU hat der Brexit dabei aber nicht beeinträchtigt.

Geschlechtergerechtigkeit: Differenzen tun sich auf

Regionale Differenzen ließen sich in der Studie kaum beobachten - weder zwischen Norden und Süden, noch zwischen Westen und Osten. Dafür tat sich eine andere Grenze auf: Unter den Männern bezeichneten sich fast ein Sechstel mehr als unter den Frauen als „etwas“ oder „sehr“ politisch engagiert. Frauen gaben öfter an, die Auswirkungen von Gewalt, Rassismus und finanzieller Ungleichheit zu spüren. Darüber hinaus waren unter denen, die selbst schon einmal Opfer von Gewalt geworden waren, weitaus mehr Frauen als Männer.

Die Studie befragt dabei ausschließlich die Selbstwahrnehmung junger Menschen: Andere Studien bestätigen jedoch, dass diese weitgehend mit der Realität übereinstimmen. Darüber hinaus zeigt die Studie des British Council aber, dass diese längst die Art und Weise, die junge Frauen ihren Alltag und die Welt darüber hinaus wahrnehmen, beeinflussen. Die Studie zeigt damit deutlich, dass es an Geschlechtergerechtigkeit für 18- bis 30-Jährige in Deutschland mangelt.

Wir brauchen Mut zu Neuem

An vielen Stellen ist die Studie ein Punkt, an dem es gilt anzuschließen: Sie bietet unzählige Zahlen, die zeigen, wie junge Menschen in Deutschland sich fühlen. Was genau diese Sorgen und Wünsche auslösen, bedarf weiterer Forschung. Ähnlich interessant für anschließende Forschungen könnten von der Altersgruppe selbst vorgeschlagene Lösungsvorschläge beispielsweise für das oft angeprangerte Problem mangelnden Wohnraums sein.

Insgesamt sind die Ergebnisse ein Weckruf: Sie porträtieren eine Generation, der es im Heute gut geht, die das System um sie herum aber zunehmend kritisch sieht. Das weitgehend konservative Bildungssystem, mangelnder Mut zu Innovation und fehlende staatliche Unterstützung, um finanzielle Sicherheit und eine stabile Wohnsituation zu erreichen, sind nur drei Punkte, die die Generation zunehmend pessimistisch in die Zukunft blicken lassen. Darüber hinaus fehlt es ihr maßgeblich an Wissen, Fähigkeiten und Möglichkeiten, um sich auf politischer Ebene Gehör zu verschaffen und ihre Interessen dort zu vertreten. Eins ist damit klar: Die Ergebnisse der Studie fordern nicht nur politische Bildungsarbeit, um jungen Menschen zu ermöglichen, ihre Bedürfnisse einzufordern, sondern auch mutige Schritte, um die Zukunft herauszufordern.

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