Nach der Pandemie – ist vor der Wirtschaftskrise?

, von  Axel Legoupil, Lucas Nitzsche, übersetzt von Marlene Willimek

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Nach der Pandemie – ist vor der Wirtschaftskrise?
Kommt eine neue Wirtschaftskrise nach Pandemie auf uns zu? Foto: pixabay/geralt/Lizenz

„Der große Lockdown“ ist schon jetzt eine der prägendsten Krisen unserer Wirtschaftsgeschichte. Kommen wir gemeinsam auf ihre Ursprünge zurück und auf das wirtschaftliche „Danach“, auf das sich die Europäische Union derzeit fieberhaft vorbereitet.

Zu den Ursprüngen der Krise des „Großen Lockdowns“

Die weltweit getroffenen gesundheitlichen Maßnahmen im Rahmen der Covid19-Krise haben zum Stillstand jeglicher nicht systemrelevanter wirtschaftlicher Aktivität geführt (Einzelhandel, Behörden). Der Lockdown hat sich durch einen negativen Nachfrageschock ausgedrückt - Wir konsumieren weniger. Die wirtschaftlichen Akteure sind eingeschränkt in ihrem Handeln, was den Konsum und Investitionen schwächt. Die Maßnahmen verlangsamen auch den internationalen Handel und die Industrie, vor allem im Ölsektor und im Bereich des Tourismus. Die optimistischsten Zahlen der WTO (Welthandelsorganisation) prognostizieren einen Sturz des Weltwarenhandels um 13% für das Jahr 2020.

Ebenso ist die Wirtschaft von einem negativen Angebotsschock betroffen - Wir produzieren weniger. Die Epidemie, unter der zuerst China litt, hat die Produktion in der „Fabrik der Welt“ aus dem Gleichgewicht gebracht. Genau wie der Rest der wirtschaftlichen Akteure weltweit, hat China Schwierigkeiten Lieferfristen einzuhalten und die Nachfrage zu stillen. Denn es sind die Arbeitskräfte, die durch die Pandemie an ihrer Arbeit gehindert werden. Dasselbe trifft auf Europa zu, wo das gesamteuropäische BIP im Jahr 2020 um 7,4% fallen soll.

Diese Krise hat zudem einen planerischen Charakter. Die wirtschaftliche Aktivität scheint vielmehr in einen Tiefschlaf versetzt als grundsätzlich angehalten worden zu sein. Denn der Konsum ist durch die Maßnahmen des Lockdowns beschränkt worden, und nicht durch individuelle Entscheidungen der Konsumenten. Handelt es sich also um eine temporäre Krise? Dies wird von den zukünftigen Entwicklungen abhängen.

Europaweite Antworten

Als die Aufhebung der 3%-Defizit-Regel nicht ausreichte, wurde eine Antwort der Union erwartet. Nach zahlreichen Verhandlungsrunden einigten sich die europäischen Finanzminister auf die Freigabe von 550 Milliarden Euro für Europa, um der Wirtschaftskrise entgegenzutreten. Eine Summe, die hauptsächlich durch den Einsatz dreier Akteure entstehen konnte.

Zunächst soll in den Mitgliedsstaaten die Kurzarbeit durch 100 Milliarden Euro von der EU Kommission finanziert werden, was für das Überleben zahlreicher Unternehmen unverzichtbar ist. Die Mitgliedsstaaten werden außerdem durch die Europäische Investitionsbank (EIB) unterstützt, die bis zu 200 Milliarden Euro mobilisieren wird. Die Frage nach der Konditionalität in Bezug auf den Zugang zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), die 2012 während der Griechenland-Krise eingeführt wurde, bleibt dennoch ungelöst. Der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra fordert Wirtschaftsreformen in Austausch gegen den Zugang zum ESM, wie es 2012 bereits der Fall war.

Die am stärksten durch das Virus betroffenen Länder, wie Italien, haben diesbezüglich darauf verwiesen, dass die Krise durch äußere Faktoren entstanden ist. Die Finanzminister der EU Mitgliedsstaaten verständigten sich schließlich auf ESM-Zuschüsse, die ohne vorhergehende Bedingungen bis zu 2% des jeweiligen BIP und insgesamt 240 Milliarden Euro betragen können.

Welche wirtschaftlichen Perspektiven?

„Autant la profondeur de la récession que la rapidité de la relance seront asymétriques“

„Sowie die Tiefe der Rezession als auch die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Erholung werden asymmetrisch sein“, warnte der EU-Kommissar für Wirtschaft Paolo Gentiloni. Wir erleben bereits einen Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität in der EU um 7,4%, mehr ist als in der Krise von 2008. Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, würde bei einer Aufhebung des Lockdowns in der zweiten Jahreshälfte eine teilweise Wiederaufnahme des wirtschaftlichen Aktivitätslevels im Jahr 2021 möglich sein. Die wirtschaftliche Aktivität könnte demnach eine spektakuläre Erholung nach seiner aktuellen Schlafphase erfahren. Die Kommission schätzt das mögliche wirtschaftliche Wachstum auf 6,1%. Dennoch stellen zahlreiche Faktoren, wie die Länge des Lockdowns und die Art und Menge der wirtschaftlichen Unterstützung diese Prognosen noch in Frage.

Wie dem auch sei, ist eine der größten Herausforderungen, die vor uns liegt, die Rolle der Europäischen Union in der Welt. Die Gelegenheit zu ergreifen, innovativ vorauszugehen, unsere Produktionsweise und unseren Konsum neu zu denken, sind laut dem Wirtschaftswissenschaftler Yves Perez, die zukünftigen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Zahlreiche Stimmen befürworten bereits eine Wiederansiedlung mehrerer Wirtschaftsstränge zurück in die EU, um eine Unabhängigkeit, vor allem gegenüber China, zu erlangen. Darüber hinaus muss es der Union gelingen, ihre innere Spaltung zu überwinden und ihren Platz in der Weltwirtschaft neu zu behaupten. Manche sehen hierin die Chance, auf die sogenannten „Coronabonds“ zurückzugreifen, (Schulden, die im Namen der EU aufgenommen werden) - eine bisher jedoch ungelöste Frage.

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