Mit neuem Grenzschutz zur Festung Europa

, von  Gesine Weber

Mit neuem Grenzschutz zur Festung Europa
Grenzzaun im spanischen Melilla. © fronterasur / Flickr / CC BY-NC 2.0-Lizenz

Die EU plant den Aufbau einer gemeinsamen Küstenwache, um die europäischen Außengrenzen stärker zu schützen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble fordert angesichts des Flüchtlingszustroms, einen „Ring um Europa“ zu legen. Doch Abschottung ist keine adäquate Lösung des Problems.

Wenn Wolfgang Schäuble in diesen Tagen von der Europäischen Union spricht, zeigt sich ein ambivalentes Bild eines Politikers, der als bekennender Europäer gilt. Sein Ziel ist die Abriegelung der Europäischen Union nach außen für mehr Binnenstabilität. Diese Idee ist jedoch wenig von europäischen Werten geprägt. Im Vertrag über die Europäische Union werden unter anderem die Achtung der Menschenwürde und die Wahrung der Menschenrechte als Werte der EU genannt. Eines dieser Menschenrechte ist, Asyl in jedem Staat beantragen zu können. Nach Schäubles Plänen würde allerdings eine gemeinsame Küstenwache die EU-Außengrenzen in einem solchen Maße kontrollieren, dass es für Flüchtlinge nahezu unmöglich wird, über den Seeweg in die Europäische Union zu gelangen. Allein unter diesem Gesichtspunkt ist der Vorschlag eines intensivierten Grenzschutzes schon mehr als fragwürdig.

Abriegelung statt adäquater Problemlösung

Konkret sehen die von Schäuble und weiteren Politikern formulierten Ideen vor, dass ein „Ring um Europa“ gelegt werden soll. Dass ausgerechnet diese Metapher gewählt wird, ist bizarr: Während man Europa mit einem Rettungsring ausstattet, um die Interessen der eigenen Innenpolitik zu sichern und nicht alte Denkmuster über Bord werfen zu müssen, lässt man die angrenzenden Staaten allein; sie ertrinken nahezu im Flüchtlingsstrom. Zwar unterstützt die EU Länder wie beispielsweise Jordanien, die besonders viele Flüchtlinge aufnehmen, mit Finanzhilfen, aktives Engagement gibt es jedoch kaum. Bereits in einer Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts-und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen im vergangenen Mai wurden Vorschläge formuliert, welche unter anderem einen Ausbau der EU-Grenzschutzorganisation Frontex sowie eine Stärkung der Grenzmanagement-Kapazitäten in Drittstaaten vorschlagen.

Die Kursänderung in der EU-Außenpolitik zur besseren Kontrolle der Grenzen sieht zudem vor, dass weitere sogenannte Hotspots (Registrierungsstellen) dort eingerichtet werden, wo besonders viele Flüchtlinge ankommen. Diese Hotspots sollen dazu beitragen, dass Menschen mit klarem Anspruch auf internationalen Schutz schneller auf die Mitgliedsstaaten umverteilt werden können, wo ihr Asylantrag bearbeitet wird. Ein solcher Hotspot existiert bereits auf Lamepedusa, weitere sollen auf einigen griechischen Inseln eingerichtet werden. Sofern die Verfahren in diesen Registrierungsstellen wie geplant ablaufen, können sie zu einer effizienten Lösung beitragen.

Europa hat Kapazitäten – Investitionen in Grenzschutz sind nicht zielführend

Schäuble räumt ein, dass man die Situation von den Ursachen her in den Griff bekommen muss. Dass die Situation in Syrien aktuell auch mit höchsten diplomatischen Verhandlungsgeschick eine unlösbare Aufgabe ist, ist allen Beteiligten bewusst, ebenso die Tatsache, dass auch die EU begrenzte finanzielle und integrationspolitische Kapazitäten hat. Diese Kapazitäten sind jedoch nicht erreicht. Europa müsse jedoch, so Schäuble, entscheiden können, wie viele Flüchtlinge ankommen, „damit Europa generös bleiben kann“. Eine Festung Europa wolle man nicht. Die Maßnahmen, die er für die EU vorschlägt, laufen jedoch in eine Richtung, die das Gegenteil glauben lassen: Sie bekämpfen die Auswirkungen eines Bürgerkriegs, welche sich darin zeigen, dass Menschen ihre Familie, ihren Arbeit, ihre Heimat zurücklassen und sich auf lebensgefährliche Fahrten über das Mittelmeer begeben, auf eine Fahrt ins Ungewisse, an deren Ende Europa stehen soll, ein Ort frei von Anschlägen und Bürgerkrieg.

Wofür die „Festung Europa“ stehen sollte

Eine stärkere Kontrolle der EU-Außengrenzen verlagert - frei nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“ – nicht nur das Problem nach außen, sondern verschwendet Kapazitäten, die an anderer Stelle eingesetzt zu einer menschenwürdigen Flüchtlingspolitik beitragen können.

Ja, die Europäische Union sollte eine Festung sein: jedoch keine, die von Mauern und Zäunen umgeben und durch einen protektionistischen Grenzschutz abgeschirmt fliehende Menschen vor ihren Toren sterben lässt. Sondern eine Festung, die diesen Menschen gemäß europäischer Werte Schutz, Sicherheit und die Möglichkeit auf Asyl gewährt.

Ihr Kommentar
  • Am 31. Oktober 2015 um 14:07, von  duodecim stellae Als Antwort Mit neuem Grenzschutz zur Festung Europa

    „Nach Schäubles Plänen würde allerdings eine gemeinsame Küstenwache die EU-Außengrenzen in einem solchen Maße kontrollieren, dass es für Flüchtlinge nahezu unmöglich wird, über den Seeweg in die Europäische Union zu gelangen. Allein unter diesem Gesichtspunkt ist der Vorschlag eines intensivierten Grenzschutzes schon mehr als fragwürdig.“

    Diese Logik klingt menschlich, ist sie aber nicht, weil sie die Konsequenzen der illegalen unregulierten Einreise über das Mittelmeer gänzlich ausblendet. Diese Form der Einreise in den Schengenraum ist allein schon aus humanitären Gründen zu unterbinden, weil dass die einzige Möglichkeit ist, zu verhindern dass Kleinkinder im Mittelmeer ertrinken. Der Schengen-Grenzschutz muss kommen! Auf jeden Fall! Aber er muß flankiert werden mit Möglichkeiten der Asylbeantragung in der Heimat der Flüchtlinge oder in Hotspots in Afrika oder Türkei und legalen Einreise für anerkannte Flüchtlinge mittels sicherer Fähren.

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