Schwieriger Start der britischen Premierministerin

Liz Truss: Eisern wie Margaret Thatcher oder glücklos wie Theresa May?

, von  Lynn Arndt

Liz Truss: Eisern wie Margaret Thatcher oder glücklos wie Theresa May?
„Wirtschaftswachstum“ lautet die Devise der britischen Premierministerin. Doch bisher kam die Politik von Liz Truss weder in ihrer Partei noch bei den Brit*innen gut an. Simon Dawson / gov.uk / Open Government Licence v3.0

Erst seit Anfang September ist die britische Premierministerin Liz Truss im Amt – und bereits jetzt gilt die Regierungschefin und Vorsitzende der Tories als glücklos und gescheitert. Ihre geplanten Steuersenkungen ernteten heftige Kritik, mitunter in ihrer eigenen Partei, versetzten die Finanzmärkte in Aufruhr und ließen die Umfragewerte der Tories einbrechen. Nach Margaret Thatcher und Theresa May ist Liz Truss erst die dritte Frau, die 10 Downing Street ihren Amtssitz nennen darf. Ist Truss wirklich eine moderne Thatcher, in dessen Tradition sie sich gerne stellt? Oder ist sie vielmehr eine zweite May, deren kurze Amtszeit oft als chaotisch und erfolglos bewertet wird?

Nach dem Rücktritt ihres Vorgängers Boris Johnson setzte sich Truss in einer mehrwöchigen Urwahl zum Parteivorsitz der Konservativen Partei, den sogenannten Tories, durch und wurde am 6. September 2022 zur Premierministerin des Vereinigten Königreichs ernannt. Überschattet wurde ihr Amtsbeginn vom Tod von Queen Elizabeth II. zwei Tage später. Nach der zehntätigen Staatstrauer, während der auch das Parlament nicht tagte, musste sich Truss drängenden Herausforderungen stellen. Denn Truss übernahm die Führung des Vereinigten Königreichs in einer schwierigen Zeit: Eine Inflation in Höhe von fast 10%, hohe Energie-, Benzin- und Lebensmittelpreise, sinkende Reallöhne und eine drohende Rezession – für die britische Wirtschaft sieht es düster aus. Fast ein Fünftel der Bevölkerung droht in die Armut zu rutschen.

Massive Kritik am „Mini-Haushalt“

Truss sieht die Lösung der wirtschaftlichen Probleme des Vereinigten Königreichs in einer Steigerung des Wirtschaftswachstums. Mit dem „Mini-Haushalt“, den ihr Finanzminister Kwasi Kwarteng am 23. September 2022 im britischen Parlament vorstellte, sollte das Wirtschaftswachstum angekurbelt und die Inflation gebremst werden. Das wirtschaftspolitische Maßnahmenpaket sah unter anderem eine Senkung des Basis-Einkommensteuersatzes und die Aufhebung der geplanten Erhöhung der Körperschaftssteuer vor.

Für den meisten Wirbel sorgte jedoch eine im „Mini-Haushalt“ vorgesehene Senkung des Spitzensteuersatzes um fünf Prozentpunkte auf 40%. Angesichts der Tatsache, dass derzeit Millionen Brit*innen von Armut bedroht sind, stieß Truss mit ihren wirtschaftspolitischen Plänen, von denen besonders Reiche profitieren würden, bei vielen auf Unverständnis. Ungeklärt blieb zudem die Frage nach der Gegenfinanzierung der Steuersenkung. Somit brach auf den Finanzmärkten das Chaos aus: Das britische Pfund stürzte auf ein historisches Tief ab, Renditen für britische Staatsanleihen stiegen sprunghaft an, die britische Zentralbank musste den Anleihenmarkt mit 65 Milliarden Pfund stützen. Sogar der ansonsten eher zurückhaltende Internationale Währungsfonds äußerte Bedenken.

Wenig Rückhalt in der eigenen Partei

Nicht nur von der (medialen) Öffentlichkeit wurde das Maßnahmenpaket scharf kritisiert, auch in ihrer eigenen Partei. Besonders in der Parlamentsfraktion der Tories wurde massiver Widerstand laut. Truss hat ohnehin einen schwierigen Stand in ihrer eigenen Partei. Viele der Tory-Abgeordneten im Unterhaus hätten lieber den ehemaligen Finanzminister Rishi Sunak als Nachfolger von Boris Johnson gesehen. Doch das Abstimmungsverfahren um den Parteivorsitz sah eine Mitgliederabstimmung vor und Truss‘ Anhänger*innen finden sich vor allem an der Parteibasis. Truss hat zwar von ihrem Amtsvorgänger eine große Mehrheit im Unterhaus geerbt, die Fraktion gab ihr jedoch zu verstehen, dass sie das Paket mit dem Spitzensteuersatz nicht unterstützen würden.

Zu Beginn des Parteitages der Tories in Birmingham vom 2. bis 5. Oktober 2022 sah Finanzminister Kwarteng sich schließlich zu einer 180 Grad-Wende gezwungen und nahm die geplante Spitzensteuersatzsenkung wieder zurück. Truss verteidigte dennoch ihre Strategie des Wirtschaftswachstums. In ihrer Rede auf dem Parteitag hielt sie an ihrer Devise „Wachstum, Wachstum, Wachstum“ fest und sprach davon, ihren Kritiker*innen – der „Anti-Wachstums-Koalition“ – nicht klein beigeben wollen. Ihren Finanzminister Kwarteng entließ Truss am 14. Oktober 2022 nach nur 38 Tagen im Amt und macht ihn somit zum Sündenbock.

Eine zweite Margaret Thatcher?

Truss präsentiert sich gerne als eine moderne Margaret Thatcher, die den Ruf einer mit harter Hand regierenden „Eisernen Lady“ hatte. Der von Thatcher in den 1980er Jahren verfolgte „trickle down“-Ansatz basiert auf der Annahme, dass der Wohlstand der Reichsten zu Wirtschaftswachstum führe und durch den Konsum und Investitionen der oberen Gesellschaftsschichten in die unteren Gesellschaftsschichten durchrieselt. Somit würden langfristig auch die Ärmeren profitieren.

Mit dem Instrument der Spitzensteuersatzsenkung stellt sich Truss in die Tradition Thatchers, denn diese kämen in erster Linie den Besserverdiener*innen zugute. Gegenfinanziert werden könnte die Maßnahme jedoch nur mit der Aufnahme weiterer Schulden oder durch Sparmaßnahmen wie der Kürzung von Sozialausgaben, zum Beispiel für Bildung, Gesundheitswesen oder Sozialleistungen. Hierbei würden besonders die unteren Gesellschaftsschichten, die bereits jetzt kaum ihre Energierechnungen und Lebensmitteleinkäufe bezahlen können, zusätzlich benachteiligt werden. Wenig überraschend also die vielstimmige Kritik an den wirtschaftspolitischen Plänen von Truss.

Ist bald Schluss mit Truss?

Truss‘ bislang chaotische Amtszeit erinnert an die von Theresa May. Mays erste Wochen als Premierministerin waren zwar nicht so holprig wie die von Truss, aber auch May stieß schnell auf Schwierigkeiten. Parteiinterne Differenzen hinsichtlich der Frage des Umgangs mit dem Brexit stellten sie vor nahezu unüberwindbare Herausforderungen und die vorgezogene Unterhauswahl im Jahr 2017 kostete den Tories die Mehrheit im Parlament. Somit gilt Mays kurze, rund dreijährige Amtszeit als glück- und erfolglos. Fest steht aber auch, dass ein Sturz von Truss einen dritten Amtswechsel binnen drei Jahren bedeuten würde. Zudem liegen die Tories in Umfragen derzeit weit hinter der Labour-Partei zurück. Für eine Neuwahl ist der Zeitpunkt für die Tories demnach denkbar schlecht.

Truss kämpft um ihr politisches Überleben: Angesichts ihres Fehlstarts und des geringen Rückhalts in ihrer eigenen Partei scheint es nicht unwahrscheinlich, dass Truss‘ Amtszeit ein ähnlich frühes Ende nimmt wie die von Theresa May.

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