„In Pride We Trust“

Europas Weg zur Anerkennung von LGBTQI* - ein Überblick

, von  Sophia Christoph

Europas Weg zur Anerkennung von LGBTQI* - ein Überblick

Lange Zeit stand Homosexualität in Europa unter Strafe - und wurde in der Gesellschaft oft als Krankheit angesehen. Mittlerweile ist in Artikel 21 der EU-Charta das Grundrecht auf freie sexuelle Orientierung verankert und die EU-Mitgliedsstaaten entkriminalisierten gleichgeschlechtliche Liebe auf unterschiedliche Art und Weise. Aber wie sah der Weg dahin aus? Gibt es in der EU wirklich keine Diskriminierung von LGBTQI* mehr? Und in welchen Ländern gibt es die Ehe für alle? Ein Beitrag anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie.

Frankreich, Belgien, Niederlande

Als erstes Land entkriminalisierte Frankreich die Homosexualität, und das vor mehr als 200 Jahren. 1791 wurde als eine der Forderungen der französischen Revolutionäre die Legalisierung der gleichgeschlechtliche Liebe durchgesetzt. Kurz danach folgte Belgien im Jahr 1794 und 1811 zogen die Niederlande nach. Doch im 20. Jahrhundert wurde unter dem nationalsozialistischen Vichy-Regime Homosexualität als Verbrechen wieder ins französische Strafgesetzbuch aufgenommen. Mittlerweile gibt es in Frankreich seit 2013 die Ehe für alle und auch gleichgeschlechtliche Paare können Kinder adoptieren, das war mit dem 1995 beschlossenen Pact civil de solidarité noch nicht möglich. In Belgien und den Niederlanden sind Eheschließung und Adoption ebenso für homosexuelle Paare möglich. Die Niederlande waren auch hier wieder ganz vorn dabei: 2001 ermöglichten sie die Ehe für alle als weltweit erstes Land.

Skandinavien

In Norwegen trat 1987 das erste Antidiskriminierungsgesetz der Welt in Kraft. Es soll Mitglieder der LGBTQI*-Community davor schützen, aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Diskriminierung zu erfahren. Schweden und Dänemark folgten mit ähnlichen Gesetzen. Entkriminalisiert wurde Homosexualität in den skandinavischen Ländern in der Mitte des letzten Jahrhunderts: So werden in Island seit 1940, in Schweden seit 1944 Homosexuelle oder sich als Transgender identifizierende Personen nicht mehr juristisch verfolgt. Die Ehe für Alle gibt es im Norden Europas seit den 2010ern, im EU-Staat Dänemark seit 2012.

Das europäische Mittelfeld

In den übrigen EU-Mitgliedsstaaten ist Homosexualität ebenfalls nicht mehr strafbar, doch die Lösungen zur Eheschließung sehen nicht überall gleich aus. Italien und Griechenland ermöglichen keine Ehe oder eheähnliche Partner*innenschaften. In Spanien und Portugal hingegen gibt es die Ehe für alle in Portugal gibt es anders als in Spanien jedoch kein Recht auf Adoption eines Kindes für LGBTQI*-Paare. Sogenannte Zivile Partner*innenschaften, die eine der Ehe gleichgestellte Form der Lebenspartner*innenschaft darstellen, gibt es in den EU-Ländern Tschechien, Österreich, Slowenien, Kroatien und Deutschland. Seit 2017 gibt es hierzulande das Recht auf Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare, allerdings nach viel Widerstand seitens hauptsächlich der Unionsparteien. Auch fand die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Liebe in Deutschland im europäischen Vergleich relativ spät statt: erst 1994, vier Jahre nach der Wiedervereinigung. Generell stellten die 90er Jahre für die europäische LGBTQI*-Community ein regelrechtes soziales Coming-Out dar. 1992 wurde in London das erste EuroPride-Event ausgerichtet, im Jahr darauf fand es in Berlin statt. Viele weitere europäische Städte folgten als Veranstaltungsorte, in ganz Europa fanden Mitglieder der LGBTQI*-Community die Möglichkeit auf der Straße selbstbewusst für ihre Identität und gegen Homophobie zu demonstrieren.

Sorgenkind Osteuropa

Gesellschaftliche Akzeptanz finden homosexuelle Menschen in ganz Europa jedoch immer noch nicht. Vor allem die polnische Regierung fördert Homophobie in der Gesellschaft: Sexuelle Minderheiten gelten in Polen mittlerweile als Staatsfeind*innen und Homosexualität wird mit Pädophilie gleichgesetzt. Die Intoleranz gegenüber Menschen der LGBTQI*-Community steigt in Osteuropa. In Ungarn wurden 2012 Eheschließungen von homosexuellen Paaren durch eine Verfassungsänderung verboten. In vielen osteuropäischen Regionen stagniert der Weg zur sozialen Anerkennung und Homophobie verbreitet sich. Doch auch hier kämpfen Mitglieder der LGBTQI*-Community für ihre Rechte: Immer häufiger gibt es auch CSDs in osteuropäischen Ländern, so seit 2005 in Bukarest, seit 2009 findet abwechselnd in Litauen, Lettland und Estland regelmäßig der Baltic-Pride statt. Dieser erfreut sich eines wachsenden Ansehens: Vor acht Jahren demonstrierten dabei in Riga knapp 400 Menschen , letztes Jahr teilten die Veranstalter*innen eine Teilnehmer*innenzahl von um die 10.000 mit.

Malta

Stolz sein kann die EU jedoch auf Malta. Laut dem Rainbowindex der ILGA Europe (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association) ist Malta für LGBTQI* das offenste Land Europas – obwohl der Inselstaat erst 2014 die Ehe und ein Adoptionsrecht für alle sowie ein Antidiskriminierungsgesetz beschlossen hat. Den Spitzenplatz verdient sich Malta auch durch das . Diese versprechen ihren „Patient*innen“ eine „Heilung“ der Homosexualität und haben meist einen christlichen Hintergrund. Die Methoden reichen von Gesprächen über Gebete bis hin zu Exorzismen und schaden den Betroffenen oft - ein Großteil der Behandelten leidet nach einer solchen Pseudotherapie an Depressionen oder ähnlichen psychischen Problemen. Mit ihrem Verbot folgt die maltesische Regierung einem Beschluss des Weltärztebundes: Da laut diesem Homosexualität keine Krankheit darstellt, bedarf sie auch keiner Heilung. Somit gelten jegliche Heilungsversuche als unwissenschaftliche Pseudotherapien, die den aktuellsten medizinischen Leitlinien widersprechen.

Ein europäisches Fazit

2006 wurde in der Grundrechte-Charta der EU das Recht auf freie sexuelle Orientierung verankert. Daraus folgt auch ein Asylrecht für alle Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung im Heimatland verfolgt werden. Auch sprach sich das EU-Parlament 2007 in einer Resolution dafür aus, sich stärker für die Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung von Mitgliedern der LGBTQI*-Community einzusetzen. Trotzdem werden auch noch heute Menschen in Europa aufgrund ihrer sexuellen Orientierung immer wieder Opfer von Diskriminierung. Als das EU-Parlament im Jahr 2018 für ein Verbot von Konversionstherapien stimmte, sprachen sich 435 MEP für ein solches Verbot aus. Zu den Gegner*innen der Entscheidung gehörten auch elf deutsche Abgeordnete, unter anderem auch, der bei den EU-Parlamentswahlen 2019 als Spitzenkandidat der Europäische Volkspartei in den Wahlkampf zog. Von der Heterosexualität abweichende sexuelle Orientierungen werden also teils noch von führenden Köpfen der EU als krankhaft angesehen. Wie die aktuellen Entwicklungen in Osteuropa zeigt auch diese Abstimmung, dass trotz vieler Errungenschaften auf dem europäischen Weg zur Gleichstellung und sozialen Anerkennung von Mitgliedern der LGBTQI*-Community dennoch ein konsequentes Engagement gegen Homophobie erforderlich ist. Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung darf in einer solidarischen EU keinen Platz haben.

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