Krieg und Frieden

, von  Sebastian Gubernator

Krieg und Frieden
Der Soldatenfriedhof in Verdun. Foto: „Verdun“ © flamouroux / Flickr (https://www.flickr.com/photos/lamouroux/7980604432/) / CC BY-NC-SA 2.0-Lizenz (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode)

Ein kleiner Ort in Lothringen hat eine Symbolkraft, die kaum in Worte zu fassen ist: Verdun. Wo eine der längsten Schlachten des Ersten Weltkriegs tobte, reihen sich heute Soldatengräber aneinander. Der Friedhof ist ein Mahnmal für alle, die an Europa zweifeln.

Es ist schwierig, über Verdun zu schreiben, man könnte sagen: Es ist unmöglich, zumindest, wenn man der Sache gerecht werden will. Verdun, eine der größten Schlachten des Ersten Weltkriegs, zehn Monate, 300.000 Tote, heute eine zentrale Gedenkstätte mit Soldatenfriedhof. Verdun hat eine Symbolkraft, die zu groß ist, als dass man sie in Worte fassen könnte. François Mitterrand und Helmut Kohl haben das erkannt, als sie 1984 Hand in Hand vor den Kreuzen standen und schwiegen. Eine spontane Geste war das, ein Ausdruck der deutsch-französischen Freundschaft. Um es in den Worten von Willy Brandt zu sagen, der 14 Jahre zuvor in Warschau auf die Knie gefallen war: Mitterrand und Kohl taten, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt.

Wer in der Nähe der deutsch-französischen Grenze aufwächst und einen guten Geschichtslehrer hat, tritt früher oder später eine Klassenfahrt nach Verdun an. Meist passiert das in der neunten oder zehnten Klasse, in einem Alter also, in dem das neue Lied von Rihanna interessanter ist als das Beinhaus von Douaumont, oder sagen wir: näher an der eigenen Lebenswirklichkeit. Und dann? Steht man vor 15.000 weißen Kreuzen, die sich in perfektionistischer Gleichmäßigkeit aneinanderreihen. Geschichte wird greifbar, Sprache versagt. Wer war noch gleich Rihanna?

Soldatenfriedhöfe, Verdun ist da keine Ausnahme, haben immer eine erzieherische Funktion. Steven Spielberg hat das mit der grotesk-patriotischen Eröffnungsszene von „Der Soldat James Ryan“ gezeigt, in der ein Veteran weinend zwischen Soldatengräbern zusammenbricht. Die Botschaft: Hier liegen Helden, und wir sollten sie verehren! Für den deutschen Betrachter wirkt das wie Satire. Dass Soldatenfriedhöfe hierzulande zum Frieden mahnen und nicht zur Heldenverehrung einladen, hat gute Gründe. Einer der besten Sätze dazu stammt von Jean-Claude Juncker. 2005, er war Premierminister von Luxemburg, sagte er: „Wer an Europa zweifelt, wer an Europa verzweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen.“ In den Gräbern von Verdun liegen Franzosen und Deutsche, weil es Zeiten gab, in denen Franzosen und Deutsche aufeinander schossen. Verdun ist ein Ort des Schreckens, es ist aber auch: ein Symbol der europäischen Einheit.

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