Kein Trumpf im Ärmel

, von  Marco Bitschnau

Kein Trumpf im Ärmel
Präsidentschaftskandidaten der Demokraten und der Republikaner bei der US-Präsidentschaftswahl 2016: Hillary Clinton und Donald Trump © DonkeyHotey / Flickr / Attribution-ShareAlike 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0)

Als ehemaliger Reality-TV-Star mit der besonderen Prise Geltungsbewusstsein weiß Donald Trump, wie man sich ins Gespräch bringt - aber weiß er auch, wie man ins Gespräch kommt? Am Montag stellte sich der 70-Jährige, der der EU schon den sicheren Zusammenbruch geweissagt hat, seiner demokratischen Konkurrentin Hillary Clinton schließlich zum TV-Duell. Einige Eindrücke aus New York.

Den Montagabend habe ich gemeinsam mit einigen Kollegen im Ainsworth Midtown auf der 33rd Street zwischen Madison und Park Avenue verbracht. Die Location war reizend ausgewählt und schon der erste Blick in die Zweigstelle dieses stadtbekannten Restaurant-Lounge-Bar-Hybriden ließ einen das nassgraue New Yorker Nieselwetter abschütteln. Ich überquerte die Straße, trat ein und nahm wahr: Eine Theke mit hübscher Edelholzeinlage, kräftige Tische, geschwungene Sofas, kantige Pfeiler, gedämpftes Licht, dunstige Atmosphäre, wuchtig-schweres Dekor, blitzende Cocktailgläser und spiegelnde Wandbildschirme. Und zwischen all dem natürlich eine bunte Menge an Menschen. Alte und Junge, Männer und Frauen, Schwarze, Weiße und Hispanics waren da, und fast alle trugen sie dieses verräterische kleine H auf der Brust, während sie sich mit einer Mischung aus mitteilsamer Euphorie und spürbarer Nervosität angeregt unterhielten. Kein Zweifel, es war Debattenabend und das Ainsworth definitiv Hillary-Clinton-Land. Die demokratische Präsidentschaftsanwärterin würde in wenigen Minuten gegen ihren republikanischen Konterpart Donald Trump zum verbalen Schlagabtausch ansetzen - ein Duell, das schon im Vorfeld weithin erwartet, erwünscht und herbeigesehnt wurde, zugleich aber auch schon frühzeitig einige Nerven blank legte. Denn obwohl die statistischen Effekte dieser Art von Fernsehdebatten gemeinhin überschaubar sind: Sie prägen und verstärken doch bestehende Narrative und können etwaige Charakterstärken und -schwächen der Kandidaten in der öffentlichen Wahrnehmung besonders prägnant zur Geltung bringen. Das Wissen, dass Abermillionen von US-Amerikanern live vor den Bildschirmen sitzen (diesmal über 80 Millionen) - eine Rekordzahl!) mag sein Übriges zur Eigendynamik der Show beitragen.

Wie dem auch sei. Ich war jedenfalls gerade eben erst aus dem Büro gekommen und deshalb spät dran. Also direkt durch den Eingangsbereich in die Tiefe des Raums vorgestoßen, dort zwei kämpferische Einstimmungsreden lokaler Politgrößen vernommen, mühsam einen Roosevelt-Cocktail an der Bar erkämpft - lang lebe die Wahl 1936! - und schon ging es los. Bereits beim Eintreten der Kandidaten, die sich allem Augenschein nach zu einem optischen Parteienwechsel verabredet hatten (Hillary in leuchtendem Scharlachrot; Trump mit gedeckt-blauer Krawatte) jubelte und vibrierte der Saal wie wild; ein schrilles, hin- und herspringendes Kriegsgeschrei, das mit jeder Clinton gewidmeten Halbtotalen noch weiter anschwoll. Die Stimmung war gut und sie sollte es auch bleiben. Denn wie in den vergangenen Tagen so treffend analysiert wurde, war Trump der ehemaligen Senatorin, Außenministerin und First Lady letztlich in allen Belangen hoffnungslos unterlegen. Zum Teil mag das seinem sprunghaften Naturell geschuldet sein, dem ständigen Ins-Wort-fallen und Grimassen-ziehen, zum Teil aber auch seiner beschränkten Sachkenntnis und seiner sprachlichen Inkohärenz. Clinton hatte letztlich leichtes Spiel und ließ Trump gekonnt ein ums andere Mal in die Falle tappen.

So auch auf dem Feld der Außenpolitik, wo der Blick über den Atlantik allerdings fast völlig fehlte und Europa indirekt abermals zur Nebensache degradiert wurde. Trump pöbelte zwar ein bisschen gegen Amerikas NATO-Alliierte, die seiner Ansicht nach zu wenig für die Allianz zahlten, enthielt sich ansonsten aber jedes weiteren Kommentars. Kein Geschimpfe über Flüchtlinge, die angeblich mit Massenvergewaltigungen und anderen Untaten die alte Welt heimsuchten, kein Wehklagen über schlechte Trade Deals mit den europäischen Staaten (die gab es wie üblich nur mit Mexiko oder China) und auch keine Sozialismusvorwürfe oder hinkende Sozialstaatsanalogien. Stattdessen ließ sich der sichtbar um die richtigen Worte ringende Immobilienunternehmer ausgiebig über Russland oder den sogenannten Islamischen Staat aus, hatte aber auch hier - man entschuldige den Kalauer - keinen Trumpf, sondern allenfalls eine Pik-Fünf im Ärmel.

Das sah auch das mich umringende Publikum so. „He’s such an idiot! Such stupidity...“, keifte eine ältere Dame neben mir just bei der NATO-Passage in ihr Glas und ich schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Idiot hin oder her, in jedem Fall hat Donald Trump mit seiner Debattenleistung dem Verdikt, er sei nicht nur der unbeliebteste sondern auch der unfähigste Kandidat, der je von einer großen Partei für eine Präsidentschaftswahl nominiert worden sei, weiter Nahrung gegeben. Als Herausforderer steht er angesichts einer extrem schwierigen Ausgangsposition im Electoral College, schwacher Werte in den Südatlantikstaaten und mehr und mehr republikanischer Renegaten - wie zuletzt Altpräsident George H. W. Bush - unter Zugzwang. Eine einzelne Debatte mag er mit einem solchen Auftritt eventuell noch verschenken können, bei einer ähnlichen Performance in der zweiten oder gar dritten Auflage sähe es dagegen wohl stockfinster für die Wahlchancen des gebürtigen New Yorkers aus. Im Ainsworth herrschte jedenfalls am Ende des Abends gelöste Stimmung. Es wurde kräftig applaudiert, ein Hillary!-Hillary!-Chant angestimmt und für einen kurzen Moment hätte man fast glauben können, dass Politik am Ende vielleicht doch ganz einfach ist. Natürlich ist auch für die Demokratin noch nichts gewonnen und bis zur Debatte der Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Kaine und Mike Pence diesen Dienstag ist es nur eine kurze Verschnaufpause. Dennoch war diese erste Debatte für das inhaltlich abwesende Europa ein gutes, ein bestärkendes Signal; sie zeigte nämlich, dass die populistisch-nativistischen Äquivalente zu Front National, AfD und Konsorten auch jenseits des großen Teiches vielleicht doch noch weiter von den Schalthebeln der Macht entfernt sind, als es sich einige gerne wünschen würden.

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