Jung und chancenlos: Jugendarbeitslosigkeit bleibt ein Problem in Europa

, von  Lea-Verena Meingast

Jung und chancenlos: Jugendarbeitslosigkeit bleibt ein Problem in Europa
Jugendarbeitslosigkeit bleibt trotz einer positiven Entwicklung des Arbeitsmarktes in der EU ein drängendes Problem. © Flickr /Adolfo Lujan / Attribution-NonCommercial-NoDerivs 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0)

Im Euro-Raum gibt es so wenig Arbeitslose wie seit vier Jahren nicht mehr. Die Jugendarbeitslosigkeit ist aber weiterhin ein großes Problem in Europa. Jeder fünfte junge Europäer bleibt ohne Job. Eine Studie geht den Ursachen in sieben EU-Ländern nach. Ein Ergebnis: Auch in Deutschland läuft einiges schief.

Die Arbeitslosigkeit ist im Euro-Raum auf den niedrigsten Stand seit knapp vier Jahren gesunken. Laut des Europäischen Statistikamts Eurostat lag die Quote in den 19 Euro-Ländern im September nur noch bei 10,8 Prozent. Das heißt, 17,3 Millionen Menschen sind ohne Job. Das sind 1,2 Millionen weniger als noch im Monat zuvor.

Griechenland hat im europäischen Vergleich nach wie vor mit der höchsten Arbeitslosenquote zu kämpfen. Nach den jüngsten Zahlen vom Juli lag die Quote bei 25 Prozent. In Deutschland lag sie hingegen nur bei 4,5 Prozent. Deutschland verzeichnet die wenigsten Arbeitslosen im europäischen Vergleich. Die positivste Entwicklung innerhalb eines Jahres hat Spanien erzielt. Die Arbeitslosenquote ging von 24,0 im September 2014 auf 21,6 im September 2015 zurück.

Rund 7,5 Millionen junge Europäer ohne Job

Ein großes Problem in ganz Europa bleibt aber die Jugendarbeitslosigkeit. Rund 7,5 Millionen junge Europäer sind erwerbslos. Statista veröffentlichte die Jugendarbeitslosenquoten der EU-Mitgliedsstaaten vom September 2015. Die Quote drückt allerdings die Zahl der Arbeitslosen zwischen 15 und 24 Jahren als Anteil der Arbeitenden im gleichen Alter aus. Die Quote zeigt also nicht den Prozentsatz der arbeitslosen 15-Jährigen bis 24-Jährigen an der Gesamtbevölkerung.

In Deutschland, dem Land mit den wenigsten jungen Arbeitslosen, liegt die Quote bei sieben Prozent. In Frankreich sieht es mit 24,4 Prozent schon deutlich schlechter aus. Besonders südliche Länder haben unter der Wirtschaftskrise gelitten. Dort bleiben viele junge Menschen erwerbslos. In Italien liegt die Jugendarbeitslosenquote bei 40,5 Prozent und in Spanien bei 46,7 Prozent. Griechenland ist mit 48,6 Prozent das Schlusslicht im europäischen Vergleich.

Berufsausbildung zu wenig geschätzt

Die Studie "Berufsausbildung für Europas Jugend" des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) untersuchte, unterstützt durch mehrere Stiftungen, die Ursachen für die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Die Studie bezieht sich auf sieben europäische Staaten, nämlich Deutschland, Großbritannien, Italien, Polen, Portugal, Schweden und die Schweiz.

Die Forscher analysierten die Ausbildungssysteme der Länder, werteten Statistiken aus, untersuchten Reformbemühungen und sprachen mit Experten. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Berufsausbildungen in den europäischen Gesellschaften oft zu wenig geschätzt werden. Die Jugendlichen lernen an Schulen statt in Werkstätten. Die jungen Europäer lernen die Betriebe, bei denen sie später arbeiten wollen, also nicht vorher kennen und hätten so Schwierigkeiten, sich mit den richtigen Voraussetzungen für einen Beruf zu qualifizieren.

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass Länder mit dualen Systemen Jugendliche besser und schneller in den Arbeitsmarkt integrieren. Die parallele Ausbildung in Betrieb und Berufsschule gelinge gerade in Deutschland und der Schweiz gut. Dieses System lasse sich aber nicht so einfach auf andere Länder übertragen, räumten die Forscher ein.

In Deutschland fehlt Durchlässigkeit

Gerade in Italien oder Portugal sei die Jugendarbeitslosigkeit so hoch, weil die Ausbildung vor allem am Schreibtisch stattfindet. Weil Berufsausbildungen oft zu wenig erkannt seien, wollen junge Europäer lieber studieren, weil sie sich dadurch bessere Chancen erhoffen.

Das treffe auch auf Deutschland zu. Hier ist die Jugendarbeitslosigkeit zwar vergleichsweise gering, Lehrstellen bleiben aber trotzdem unbesetzt. Den Ausbildungen mangele es an Durchlässigkeit. Wer nach einem Berufsabschluss an die Uni will, muss zunächst drei Jahre Berufserfahrung in einem verwandten Gebiet sammeln. Laut der Studie sei es in Polen und Portugal für Auszubildende leichter, sich nach ihrer Berufsausbildung an einer Universität einzuschreiben.

Unterschiedliche Ansätze gefordert

Auch in anderen Ländern gebe es erfolgreiche Ansätze. Schweden und Großbritannien können viele differenzierte Ausbildungsangebote für Leistungsstärkere und Leistungsschwächere vorweisen. Großbritannien bietet seit 2012 auch eine umfangreiche Berufsberatung an. In Italien ist das System regional flexibel, da nationale Mindeststandards nur allgemein formuliert sind. Damit diese Ansätze auch in anderen Ländern erfolgreich sein können, müssten sie allerdings an die dortigen Strukturen und Institutionen angepasst werden.

Die Studie besagt auch, dass Auszubildende mobiler werden sollten. Während Studierende in Europa bereits in den ersten Semestern an der Universität Kurse in unterschiedlichen Ländern besuchten, würden deutsche Jugendliche oft nicht einmal wenige Hundert Kilometer vom Heimatort entfernt eine Lehre beginnen. Unternehmen sollten bei ihrer Suche nach Auszubildenden also ihren Radius vergrößern. In ganz Europa sollte die Politik eine neutrale und hochwertige Berufsberatung fördern und gemeinsam mit Unternehmen für eine Berufsausbildung werben.

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