Israel und der Eurovision Song Contest

, von  Hendrik Heim

Israel und der Eurovision Song Contest
Der Eurovision Song Contest fand im letzten Jahr im britischen Liverpool statt, das die Veranstaltung im Namen der Ukraine austrug. Mit dem erneuten Sieg der schwedischen Sängerin Loreen geht der ESC dieses Jahr zurück nach Malmö in Schweden. Foto: Chloe Hashemi/EBU

Schon bald findet wieder der Eurovision Song Contest, kurz ESC, statt: Vom 7. bis zum 11. Mai werden 37 Länder in und um Europa ihre Musiker*innen ins schwedische Malmö senden. Diese treten dann mit je einem Song in der 68. Ausgabe des Wettbewerbs gegeneinander an. In den letzten beiden Jahren stand der größte Musikwettbewerb der Welt ganz im Zeichen der Solidarität mit der Ukraine, Russland wurde von der Teilnahme ausgeschlossen. In diesem Jahr gibt es Proteste, auch Israel auszuladen. Das Großereignis droht zum Politikum zu werden.

Grundsätzliches zum ESC

  • Den Eurovision Song Contest (früher: Grand Prix Eurovision de la Chanson) gibt es seit 1950.
  • Ausgerichtet und übertragen wird er von öffentlich-rechtlichen Sendern, die sich in der „European Broadcasting Union“ – kurz EBU – zusammenschlossen. Als Veranstalterin entscheidet sie neben den Wettbewerbsregeln auch über den möglichen Ausschluss einzelner Länder.
  • Die Teilnahme ist nicht auf europäische Länder beschränkt. So nimmt seit 1973 auch Israel am ESC teil.
  • Der Eurovision Song Contest ist unpolitisch. Im Vordergrund steht sein Motto „United by Music“.

Proteste gegen die Teilnahme Israels

Ausgerechnet aus dem diesjährigen Gastgeberland Schweden kamen viele Stimmen, die einen Ausschluss Israels vom diesjährigen Contest forderten. So taten sich mehr als 1000 schwedische Künstler*innen zusammen und unterzeichneten einen offenen Brief an die EBU. „Seit über 100 Tagen sind wir Zeuge, wie die israelische Armee das begeht, was führende Menschenrechtsorganisationen als schwere Kriegsverbrechen bezeichnen.“, heißt es da. Der Rundfunkunion wird vorgeworfen, mit einer Doppelmoral zu agieren und nicht unpolitisch zu sein. Auch aus anderen skandinavischen Staaten mehren sich Stimmen, die diese Entscheidung fordern. So starteten 1400 finnische Musikschaffende eine Petition gegen Israels Teilnahme. Derweil überlegt die isländische Rundfunkanstalt noch, überhaupt nicht an einem ESC mit Israel teilzunehmen.

Die Entscheidung: Israel darf mitmachen

Aufgrund der Proteste prüfte die European Broadcast Union den Ausschluss Israels, kam Mitte Februar jedoch zu dem Schluss, dass keine Gründe gegen eine Teilnahme des Landes sprächen. Dabei wurde geprüft, ob der israelische Rundfunksender „KAN“ gegen die EBU-Richtlinien verstoßen habe. Dies war zum Beispiel 2022 bei den russischen Anstalten der Fall, was zum Ausschluss führte. Der Generaldirektor der EBU stellte klar, dass die Rundfunksender in einem Musikwettbewerb gegeneinander anträten, nicht Regierungen mit ihren politischen Entscheidungen.

Eden Golan möchte für Israel 2024 in Malmö antreten; Foto: Wikimedia Commons / Okras / CC BY-SA 4.0 DEED

Israel droht mit Verzicht auf Teilnahme

Doch diese Entscheidung soll nicht das letzte Kapitel der Diskussion sein. Denn nach dem Einreichen des Songs, den die Gewinnerin des israelischen Vorentscheids, Eden Golan singen soll, meldete sich die EBU erneut zu Wort. Das Lied „October Rain“, welches an den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 erinnert, stelle einen Verstoß gegen die Grundregeln des ESC dar. Der Wettbewerb darf nämlich nicht für politische Ziele missbraucht werden. Nachdem ein Dialog zwischen der EBU und KAN stattfand, stellte die israelische Seite zunächst klar, dass das Lied nicht geändert werden würde, auch wenn man dadurch auf die ESC-Teilnahme verzichten müsse. Dieses Statement erntete massive Kritik. Nachdem sich auch der israelische Präsident Jitzchak Herzog für mehr Kooperationsbereitschaft aussprach, ist nun der Weg zu Änderungen im Liedtext frei.

Wie unpolitisch ist der ESC wirklich?

All diese Diskussionen werfen die Frage auf, inwiefern ein europäischer Musikwettbewerb überhaupt unpolitisch sein kann. Schließlich geht es in Liedern immer um Themen, die die Musiker*innen beschäftigen, von Liebe über Trauer bis hin zu aktuellen Ereignissen. Diesen Umstand von der nötigen Neutralität zu trennen ohne Kunst und Dialog zu zerstören, fällt nicht erst in diesem Jahr schwer. Schon 2019 in Tel Aviv wollte die US-Popsängerin Madonna mit einer Inszenierung auf der Bühne zur Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern aufrufen. Und auch in den letzten beiden Finals, in der mehrmals die Solidarität mit der Ukraine angesprochen wurde, wahrte die EBU streng genommen nicht ihre angestrebte politische Neutralität.

Es bleibt abzuwarten, welches Ergebnis es bis zum Start des ersten Halbfinals in Malmö noch geben wird, und ob der ESC sein eigentliches Ziel erreichen kann – Europa zu vereinen.

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