Einrichtung einer Zweckgesellschaft
Diese Ankündigung folgt einem Treffen mit dem iranischen Außenminister Javad Zarif am 24. September 2018. Die Vertreter*innen jener Länder, die dem Deal, dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), die Treue halten wollen, stimmten untereinander ab, als Abhilfe eine Maßnahme zu entwickeln, um weiterhin mit dem Iran Handel treiben und das Bekenntnis des Staates zum Abkommen aufrechterhalten zu können.
Genauer gesagt handelt es sich dabei um eine Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle), die dem Handel von iranischem Erdöl gewidmet ist. Ein Betrag, der der Geldsumme entspricht, die ein Teilnehmerland für iranisches Erdöl zahlt, wird anschließend im Gegenzug für Warenlieferungen an den Iran – ganz in der Logik ausgeglichenen Tauschhandels – zurücktransferiert.
Dies erlaubt es, Transaktionen in amerikanischen Dollar und somit – theoretisch jedenfalls – die damit einhergehenden Sanktionen zu vermeiden. Schließlich ist es so, dass nach Wiedereinführung der Sanktionen am 6. August 2018 als erstem Schritt der Iran ab dem 4. November in einem nächsten Schritt vom internationalen Finanzsystem ausgeschlossen wird. Jene Länder, die weiterhin Transaktionen mit dem Iran vollziehen, werden dann sanktioniert, was eben auch den Import iranischen Öls betrifft. Die einzurichtende Gesellschaft hat somit zum Ziel, diesen letzteren Schritt zu umgehen und Geldtransfers zwischen dem Iran und anderen Staaten wieder zu ermöglichen.
Einige diplomatische Quellen äußern jedoch Zweifel an diesem Plan: Wenn die USA den Gesetzgebungsrahmen ihrer Sanktionen ändern, könnten auch solche Geschäfte unter das Verbot fallen, womit betroffenen Unternehmen wiederum sehr wohl finanzielle Sanktionen auferlegt werden könnten.
Forderungen und Resultate des JCPOA
Um die aktuellen Verhandlungen verstehen zu können, muss man erst einen Blick auf das Abkommen werfen, aus dem Donald Trump ausgetreten ist. Der Atomdeal soll die Ambitionen des iranischen Atomprogramms in Schach halten. Der Iran verteidigt ebendieses und beteuert seine friedliche Natur. Die unterzeichnenden Länder (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland, China und die USA) forderten dennoch Zusicherungen im Austausch für die schrittweise Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen den Iran. Diese Zusicherungen umfassen mehrere Punkte, darunter:
• die Beschränkung neuer Zentrifugen zur Urananreicherung auf 5060 bis zum Jahr 2026 (2015 besaß der Iran 20.000) • die Beschränkung des Uranbestandes auf 300 kg bis 2031 (mit einem festgelegten Anreicherungsgrad von 3,67%) • das Zurückfahren des Forschungs- und Entwicklungsprogramms auf dem Gebiet der Kernenergie sowie dessen Beschränkung auf den Standort Natanz • der Verzicht auf den Neubau von Schwerwasserreaktoren und auf die Produktion von schwerem Wasser bis 2031 • die Autorisierung von Inspektor*innen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) zur Besichtigung und Überwachung an allen Nuklearstandorten im Land
Laut der Obama-Regierung waren die etwa 20.000 Zentrifugen und der Uranbestand des Landes ausreichend, um binnen zwei oder drei Monaten 8-10 Bomben zu bauen. In diesem Sinne erlaubte der JCPOA also gleichermaßen, den wirtschaftlichen Druck der Sanktionen zu mildern, die das Land überhaupt dazu veranlassten, nach einer Kernwaffe zu streben, als auch die Frist zum tatsächlichen Bau einer solchen Bombe auf wenigstens ein Jahr zu verlängern.
2015 erklärte der Generaldirektor der IAEO außerdem, dass selbst wenn der Iran bis 2009 an der Entwicklung eines Atomarsenals gearbeitet hätte, es seither „keinen einzigen glaubhaften Hinweis“ auf vergleichbare Aktivitäten gegeben habe. Infolge dieser Bestätigung seitens der IAEO, dass sich der Iran an den JCPOA gehalten habe, beschloss der Rat der EU am 16. Januar 2016, die Sanktionen aufzuheben. Seinem Wahlversprechen folgend, stellte US-Präsident Donald Trump das Abkommen im Mai 2018 allerdings in Frage.
Blocking Statute: von Kuba bis zum Iran
Als Reaktion auf die Haltung der Trump-Regierung entschied sich die Europäische Union zum Gebrauch einer Verordnung aus den 1990er-Jahren, die ursprünglich zur Umgehung des amerikanischen Embargos gegen Kuba gedacht war. Sie soll den Zugang zum iranischen Markt trotz der amerikanischen Kehrtwende und des hohen damit verbundenen finanziellen Risikos aufrechterhalten. Dieses sogenannte Blocking Statute ermöglicht es europäischen Unternehmen und Personen, sich den Wirtschaftssanktionen nicht fügen zu müssen – besonders in Anbetracht dessen, dass diese von der Kommission als rechtswidrig betrachtet werden. Außerdem erlaubt sie auch den dadurch geschädigten Unternehmen, ihre Verluste gegenüber dem Verursacher geltend zu machen, und hebt innerhalb der EU alle Auswirkungen von Entscheidungen auf, die aufgrund der amerikanischen Sanktionen von ausländischen Gerichtshöfen getroffen wurden.
Diese Situation kommt dem Iran wie auch europäischen Unternehmen teuer zu stehen. Zwischen 2012 und 2016 kosteten das Land die gemeinsamen Sanktionen der UN, der USA und der EU mehr als 160 Milliarden US-Dollar durch entgangene Erdölverkäufe. In Frankreich haben einige in den USA stark vertretene Industriegesellschaften beschlossen, sich vom iranischen Markt zurückzuziehen, so etwa Total oder PSA.
So wie die EU-Kommission Ende August 2018 also beschloss, dem Iran 18 Millionen Euro Finanzhilfe zu leisten, scheinen sich europäische Diplomat*innen heute einig zu sein über die Notwendigkeit, die dem JCPOA zu verdankenden Fortschritte abzusichern, sowie über die strategische Wichtigkeit, weiterhin mit dem Iran Handel treiben zu können. Die EU kämpft um den Erhalt eines prekären Gleichgewichtes in der Region und für die Eindämmung der atomaren Ambitionen des Iran, die im Nahen Osten einen extrem destabilisierenden Faktor darstellen.
Skepsis hinsichtlich der Möglichkeit, die Sanktionen zu umgehen, ist erlaubt. Der Einfallsreichtum der Finanzexpert*innen der Kommission hat jedoch nichts Lächerliches verglichen mit der bisherigen Bilanz Donald Trumps, über den man bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen offen lachte. Die diplomatischen Anstrengungen stellen jedenfalls bereits einen Sieg dar, haben es doch Frankreich, Deutschland, Großbritannien, China und Russland erreicht, geeint gegen die Entscheidung Trumps, den JCPOA infrage zu stellen, vorzugehen.
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