Dekarbonisierung

Grüner Wasserstoff - eine realistische Energiealternative für Europa?

, von  Antonia Kranz

Grüner Wasserstoff - eine realistische Energiealternative für Europa?
Foto von Windrädern in Portugal. Foto: Unsplash/Nuno Marques/Unsplash Lizenz

Den Klimawandel und seine Folgen abzumildern, ist die größte Herausforderung der Europäischen Union (EU). Zu diesem Zweck strebt sie im Rahmen des European Green Deals Klimaneutralität bis 2050 an. Um die damit verbundene drastische Emissionsreduktion zu erreichen, müssen alle Wirtschafts- und Industriesektoren grundlegende Umstrukturierungen durchlaufen.

Während die Energiewende insbesondere im Stromsektor bereits spürbar ist, lassen sich Fortschritte in den schwer zu elektrifizierenden Industriezweigen kaum erkennen. Als ein potenzieller Baustein der europäischen Energiewende in diesen Sektoren gilt grüner Wasserstoff. Doch ist grüner Wasserstoff eine realistische Energiealternative?

Während erneuerbare Energien in den Stromsektoren der europäischen Mitgliedsländer bereits eine immer wichtigere Rolle spielen, sieht die Situation in schwer zu elektrifizierenden Sektoren düster aus. Zu diesen schwer zu dekarbonisierenden Sektoren werden u.a. neben dem Schwerlasttransport auch die Schwerindustrie mit ihren Sektoren - wie der Stahl-, Zement- sowie der petrochemischen Produktion - gezählt.

Dabei gilt die Schwerindustrie mit ihren hochtemperaturigen Prozessen, die jährlich Millionen Tonnen an CO2-Emissionen verursachen, als eine der entscheidenden Akzeleratoren des Klimawandels. So sind diese industriellen Prozesse innerhalb der EU für ca. 7% aller Treibhausgase verantwortlich. Daher ist es für die EU unerlässlich, Mittel und Wege zu finden, diese Bereiche zu dekarbonisieren.

Denn im Rahmen des Europäischen Green Deals (2019) bekennen sich die europäischen Mitgliedstaaten zur Klimaneutralität bis 2050, zur Förderung einer effizienten Ressourcennutzung durch den Übergang zu einer kreislauforientierten Wirtschaft sowie zum Stopp des Klimawandels. So verpflichteten sich die Länder in einem ersten Schritt, bis 2030 ihre CO2-Emissionen um 55% im Vergleich zu 1990 zu reduzieren.

Als potenziell aussichtsreicher Ersatzenergieträger zu den vorherrschend eingesetzten fossilen Brennstoffen gilt vor diesem Hintergrund Wasserstoff. Denn aufgrund seiner hohen Energiedichte kann dieser auch in den schwer zu elektrifizierenden Sektoren eingesetzt werden.

Was ist grüner Wasserstoff und was macht ihn so wertvoll?

Wasserstoff wird durch Elektrolyse hergestellt, indem Wasser mithilfe von Elektrizität in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Im Gegensatz zu den anderen Produktionsarten von Wasserstoff wird die Energie für die Herstellung von grünem Wasserstoff rein aus erneuerbaren Energien gewonnen. Bei dieser Herstellungsart werden also - rein in der Produktion - keine Emissionen ausgestoßen.

Zusätzlich eignet sich das Elektrolyseverfahren aufgrund der Eigenschaft von Wasserstoff als effizientem Energieträger auch zur Speicherung von Strom und für die Rückverstromung. Wasserstoff bietet darüber hinaus mannigfaltige Anwendungsbereiche - sowohl als Energieträger sowie auch als Brenn- oder Treibstoff. Mithilfe von grünem Wasserstoff können so emissionsreiche Verfahren und Anwendungen innerhalb der Industrie dekarbonisiert werden.



Europäische Wasserstoffstrategie als Stimulus einer europäischen Wasserstoffwirtschaft?

Aufgrund dieser wertvollen Eigenschaften hat auch die EU das Potenzial von Wasserstoff für ihre Dekarbonisierungsbemühungen entdeckt. Dies wird in der von der der Europäischen Kommission am 08. Juli 2020 vorgestellten Wasserstoffstrategie ’A Hydrogen Strategy for a Climate-Neutral Europe’ unterstrichen. Diese betont, dass die herausgegebenen Ziele im Rahmen des European Green Deals nur mithilfe einer breitangelegten Wasserstoffwirtschaft erreicht werden können.

Hauptaugenmerk liegt insbesondere auf der finanziellen Unterstützung von grünem Wasserstoff durch EU-Gelder. Aber auch blauer Wasserstoff, dessen Herstellungsstrom aus fossilen Energieträgern - bei einer gleichzeitigen Bindung der daraus entstandenen Emissionen - gewonnen wird, wird als wichtiger Baustein des Übergangs betrachtet.

Durch die finanzielle Unterstützung und entsprechenden Maßnahmen sollen die bis dato bestehenden Hürden bezüglich einer kommerziellen Nutzung von Wasserstoff bis 2030 abgebaut werden. Diese sind u.a. die finanzielle Wettbewerbsfähigkeit, die niedrigen Produktionskapazität sowie die bisher fehlende Infrastruktur. Daher spielt Wasserstoff und insbesondere grüner Wasserstoff bisher noch eine untergeordnete Rolle innerhalb der europäischen Energieversorgung.

Status Quo

Aktuell beträgt der Wasserstoffanteil des europäischen Energiemix ca. 2% und wird insbesondere zur Produktion von chemischen Erzeugnissen - wie Düngemittel oder auch Syntheseprodukte - benötigt. Dieser Anteil soll sich im Rahmen der Zielsetzungen der europäischen Wasserstoffstrategie bis 2050 jedoch drastisch erhöhen.

So wird in Studien davon ausgegangen, dass der Anteil von Wasserstoff im europäischen Energiemix bis 2050 insgesamt auf ca. 23% ansteigen könnte. Während sich der Anteil in der Schwerindustrie auf ca. 5% bis 20% belaufen würde, könnte dieser im Verkehrssektor sogar auf ca. 20% bis 50% anwachsen.



Der Weg zu einem europäischen Wasserstoff Ökosystem. Foto: European Commission 2020/Hydrogen Strategy/European Union 2020


Doch nicht nur der Klimawandel und seine immer stärker spürbaren Folgen verstärken die Notwendigkeit der EU hinsichtlich des Aufbaus einer Wasserstoffwirtschaft, sondern auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine.

RePowerEU als Antwort auf die russische Energieabhängigkeit

So ist vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und der daraus resultierenden europäischen Gaskrise der Ausbau einer Wasserstoffwirtschaft für die europäischen Akteure dringlicher als je zuvor. Dies wird auch durch den Vorschlag ’REPowerEU’ der Europäischen Kommission von Mai 2022 als Plan zur drastischen Reduzierung der Abhängigkeit von russischen fossilen Energieträgern deutlich. Denn dieser sieht nicht nur eine stärkere Fokussierung auf die Entwicklung von erneuerbaren Energien vor, sondern greift die Zielsetzungen der Wasserstoffstrategie von 2020 auf und verstärkt diese. So sei es laut ’REPowerEU’ u.a. nötig, die bisher geforderten 10 Millionen Tonnen an jährlicher Wasserstoffproduktion in der EU, um weitere 10 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr an ausländischen Importen bis 2030 zu erweitern. Denn die europäischen Mitgliedstaaten sind nicht imstande, den Bedarf an grünem Wasserstoff und dem zur Herstellung benötigten Strom aus erneuerbaren Energien selbst zu decken.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurde im Rahmen von ’REPowerEU’ eine Strategie für ein externes Energieengagement der EU vorgestellt. Mithilfe dieser soll die Diversifizierung der Energieversorgung und der Aufbau von langfristigen Energie-Partnerschaften - insbesondere mit Blick auf Wasserstoff - vorangetrieben werden.



Aufbau von Energie-Partnerschaften

Hinsichtlich des Aufbaus dieser Energiekooperationen und der dazugehörigen Rohstoffversorgungsketten müssen auch Aspekte der Geo-, Sicherheits-, Industrie-, sowie Ressourcenpolitik von europäischer Seite miteinbezogen werden.

Im Kontext der Reduktion der CO2-Emissionen und der energiepolitischen Abhängigkeit von Russland ist es essenziell, sich bei der Ausweitung der europäischen Wasserstoffindustrie nicht in neue potenzielle Abhängigkeiten zu begeben oder sich geostrategischen Risiken auszusetzen. Auch der aktuell bestehende Wettbewerbsvorteil der EU im Bereich Wasserstoff muss durch resiliente Energiekooperationen gewahrt werden.

Zu diesem Zweck ist auch eine Diversifizierung der energiepolitischen Partnerländer von immenser Wichtigkeit. So haben bereits mehrere Länder - u.a. Marokko, Namibia und Australien - ihren Wunsch, Produktions- und Exportdrehschreiben von grünem Wasserstoff zu werden, angekündigt. Als sehr vielversprechend in diesem Zusammenhang sind die Ambitionen von Australien zu beurteilen. Weites Land sowie eine starke Sonneneinstrahlung und gefestigte Institutionen in dem Land bieten potenziell beste Bedingungen zur Förderung von Solar- und Windkraftprojekten in großem Stil. Dieser Strom aus erneuerbaren Energien kann wiederum zur Herstellung von grünem Wasserstoff genutzt werden.

Insgesamt wird deutlich, dass die EU hinsichtlich des Aufbaus einer Wasserstoffwirtschaft vor großen Herausforderungen steht. Nichtsdestotrotz ist es für die EU zur Verwirklichung der eigenen Zielsetzungen im Rahmen des European Green Deals und der Reduktion der russischen Abhängigkeit unumgänglich, die breite Entwicklung von Wasserstoffprojekten im Ausland sowie den Ausbau von inländischen Elektrolysekapazitäten prioritär zu behandeln.

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