Grundideen für die Streitkräfte Europas

, von  Andreas Würth

Grundideen für die Streitkräfte Europas
Momentan haben die EU-Staaten erhebliche Militärausgaben, welche jedoch wenig effienzient ausgegeben werden, was vorwiegend auf rein nationale Beschaffungen, Extrawünsche bei nationalen Beschaffungen und erhebliche Dopplungen bei der Ausbildung zurückzuführen ist. © Luca Melloni / Flickr/ ShareAlike 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0)

Angesichts der sich verändernden sicherheitspolitischen Lage wird eine intensivere Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich zwischen den Ländern der Europäischen Union zunehmend diskutiert. Unser Verteidigungsexperte Andreas Würth versucht, föderalistische Ideale mit der Realität zu vereinen.

Da die Verfügbarkeit von Streitkräften von den Nationalstaaten als unverzichtbarer Teil ihrer Souveränität angesehen wird, ist eine vollständige Zusammenlegung von Streitkräften auf absehbare Zeit nicht in Sicht.

Das wesentliche Problem hierbei wäre der Einsatz dieser gemeinsamen Streitkräfte. Einerseits könnte der Einsatz zu zögerlich erfolgen, andererseits ist es den nationalen Öffentlichkeiten nur schwer vermittelbar, warum Landeskinder für einen Krieg fallen, für welche selbst die auf einen Einsatz drängenden Mitgliedsstaaten die Fremdenlegion oder vergleichbare Einheiten entsenden. Auch können bestimmte Vorgehensweisen im Einsatz möglicherweise nicht mit den Grundsätzen aller Nationalstaaten vereinbar sein. Die unterschiedlichen Mandate für die bisherigen Einsätze geben hier bereits einen Vorgeschmack.

Allein von der deutschen Seite her muss jegliche Entsendung der Bundeswehr vom Bundestag mandatiert werden. Weiterhin hat die Bundeswehr allein schon aufgrund der Inneren Führung eine eigenständige Führungsphilosophie, welche sich von vielen Partnern grundlegend unterscheidet. Unter der gegenwärtigen Verteidigungsministerin zeichnet sich zwar eine Öffnung der Bundeswehr für EU-Ausländer ab, welche den Traditionserlass der Säule aus den Befreiungskriegen berauben, den „Staatsbürger in Uniform“ per Definition beerdigen und die intendierte Einheit von Staatsbürger, des von diesem gewählten Parlamentes und der von diesem entsandten Armee beenden würde; jedoch ist diesbezüglich noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Die vorliegende Abhandlung muss realistischerweise aus der Sicht von Nationalstaaten, welche keine weitere Souveränität aufgeben wollen, zu lesen und zu kritisieren sein.

Grundsätzlich sollte eine gemeinsame EU-Armee auch für Nicht-EU und Nicht-NATO Staaten offen sein, welche entsprechende Kriterien erfüllen. Die Zusammenarbeit von EU und NATO ist in der Berlin-Plus-Vereinbarung geregelt, wobei die Bündnispflichten innerhalb der EU die der NATO deutlich übertreffen.

Momentan haben die EU-Staaten erhebliche Militärausgaben, welche jedoch wenig effizient ausgegeben werden, was vorwiegend auf rein nationale Beschaffungen, Extrawünsche bei nationalen Beschaffungen und erhebliche Dopplungen bei der Ausbildung zurückzuführen ist. Was sollte also getan werden?

Grundsätzlich muss bedacht werden, dass bei modernen Streitkräften nur ein geringer Teil der Truppe einen Kampf- oder einen Kampfunterstützungsauftrag hat. So hat das Heer der 180.000 Soldaten starken Bundeswehr, nur knapp 60.000 Soldaten, von denen wiederum beileibe nicht jeder einen Kampf- bzw. Kampfunterstützungsauftrag hat. Der Rest ist vorwiegend mit Logistik in der weitesten Definition beschäftigt. Dies ist grob mit zivilen modernen Wirtschaftssystemen vergleichbar, in welchen auch nur ein geringer Teil der Arbeitnehmer unmittelbar in der Produktion beschäftigt ist und die meisten in verschiedenster Weise zuarbeiten. Hinzu kommt noch eine erhebliche Anzahl Zivilangestellter.

Bei einer vertieften Kooperation der einzelnen Streitkräfte würde es demnach zunächst Sinn machen, Teile der Beschaffung und Ausbildung, welche nicht unmittelbar den Einsatz betreffen, zusammenzulegen.

Hierbei handelt es sich um zunehmend komplexe Systeme, welche über einen oftmals jahrzehntelangen Zeitraum hinweg, in welchem sich Bestellungszahlen, Anforderungen, technische Möglichkeiten wie IT, die Notwendigkeit und vieles mehr ändern können, beschafft werden. Des Weiteren sind die Anforderungen oftmals einmalig, sodass es aufgrund weniger Konkurrenten kaum Marktmechanismen gibt, welche aus politischen Gründen oft noch weiter eingeschränkt werden. Wer alleine für den deutschsprachigen Raum die Worte „Bundeswehr“ und „Beschaffungsskandal“ in die Suchmaschine eingibt, wird schon auf nationaler Ebene vom Flugzeug, über Schützenpanzer bis hin zur einfachen Mütze auf nahezu alles Denkbare stoßen, woran schon eine Nation alleine gescheitert ist.

Des Weiteren verdienen gewisse Menschen gut an dem momentanen Zustand, in welchem jedes Land für sich plant. Unter anderem jene Mitmenschen, welche sich für eine Zivilklausel einsetzen, sorgen unbewusst dafür, dass das Themenfeld der Sicherheits- und Rüstungspolitik weitgehend aus der hochschulpolitischen Öffentlichkeit verschwindet und die ohnehin im Verteidigungshaushalt veranschlagten (Dritt-)Mittel sich von der Universität zur Rüstungsindustrie verlagern, was den Markt noch weiter einengt.

Nichtsdestotrotz sollte man versuchen, zumindest die Beschaffung von Großgerät und IT zu harmonisieren. Hierzu könnte ein so weit wie möglich transparent arbeitendes europäisches Beschaffungsamt aufgestellt werden. Transparenz ist jedoch grade in der deutschen Öffentlichkeit, wie bereits beim Thema Zivilklausel dargelegt, oftmals wenig gewünscht, was sich unter anderem darin äußert, dass der gesamte Themenkomplex der Sicherheitspolitik aus der Öffentlichkeit in die Kasernen und in die Rüstungsindustrie verdrängt wird, als ob sich damit die sicherheitspolitische Lage damit verbessern lassen würde.

Politisch schon heute machbar ist die Schaffung einer einheitlichen, europäischen Logistik, sodass alle in den nationalen Armeen verfügbaren Teile durch eine einheitliche Software für alle anderen nationalen Armeen barrierefrei bereitgestellt werden können. Weiterhin wäre es ein wichtiger Schritt, eine - gegebenenfalls durch nationale Schlüssel geschützte - militärische IT-Landschaft bereitzustellen. Momentan hat vereinfacht gesagt jeder Nationalstaat sein eigenes, weitgehend nicht kompatibles Intranet, samt Hardware, was sich darin äußert, dass zu erheblichen Kosten für gemeinsame Operationen Material und Personal ausgetauscht werden müssen. Das bestehende System der NATO bietet hierfür bereits Ansätze, auf welche aufgebaut werden könnte.

Gemeinsame, europäische Projekte, wie etwa gemeinsame Satellitensysteme, sind weiter auszubauen.

Wie bereits dargelegt wird auch die militärische Ausbildungslandschaft zunehmend komplizierter und bindet somit erhebliche Kräfte in jedem Mitgliedsstaat. Neben den im Themenfeld Rüstung dargelegten Projekten könnte teilweise auch die dazugehörige Ausbildung zusammengelegt werden. Auch die Ausbildung von Piloten, Spezialkräften und teilweise von Gepanzerten Kräften sowie Infanterie könnte in entsprechend gelegenen und geeigneten Ausbildungszentren zusammengelegt werden. Hierbei bietet es sich an den bestehenden Ausbildungszentren der NATO (Centres of Excellence (COE)) anzulehnen, oder sich sogar gemeinsam dort Ausbildungsplätze einzukaufen.

Ferner könnte die Möglichkeit geprüft werden, dass Mitgliedsstaaten wie etwa Deutschland die Möglichkeit eingeräumt bekommen, auf eigene Kosten Verbände für andere Mitgliedsstaaten aufzustellen und zu finanzieren, und den eigenen Verbänden zu unterstellen, wobei das Recht zur Entsendung beim Herkunftsland verbleibt. Damit könnten finanzschwächere Mitgliedsstaaten unterstützt und die Kampfkraft erhöht werden, was jedoch aufgrund des Verbotes der Finanzierung anderer Mitgliedsstaaten und dem implizierten Druck den Verband bei Bedarf des finanzierenden Landes auch zu entsenden, problematisch ist. Projekte eigene Streitkräfte einem anderen Mitgliedsstaat zu unterstellen, jedoch ohne die alleinige Finanzierung durch eine Seite, gibt es von deutscher Seite aus etwa bereits mit den Niederlanden und Frankreich.

Würden diese Projekte die militärische Handlungsfähigkeit und Souveränität der Mitgliedsstaaten einschränken? Hier kann man aufgrund der frei werdenden Mittel sogar gegenteiliger Meinung sein, sodass man diese Schritte prüfen sollte. Eine zumindest anteilige Finanzierung aus Mitteln der EU dürfte die Bereitschaft der Mitgliedsstaaten zur Mitarbeit erheblich fördern.

Weitere sinnvolle Projekte sind die Verbesserung des gemeinsamen Grenzschutzes, der gemeinsamen Luftraum- und Seeüberwachung, des gemeinsamen Lage- und Führungszentrums und natürlich der bestehenden und zukünftigen gemeinsamen Einsätze.

Ein weiterhin diskussionswürdiges Projekt wäre die Aufstellung eines Freiwilligenverbandes aus Bürgern aller Mitgliedsstaaten, welcher jedoch auf absehbare Zeit realistischerweise lediglich für die gemeinsame Ausbildung zur Grenzsicherung und unumstrittene Einsätze genutzt werden dürfte, da alle Mitgliedsstaaten dem Einsatz zustimmen müssten. Dieser könnte jedoch einen Kern für weitere Entwicklungen bieten und würde auf jeden Fall ein Zeichen setzen. In einigen Mitgliedsstaaten ist das Dienen in Fremden Heeren jedoch verboten und kann mit Strafen bis zum Verlust der Staatsbürgerschaft geahndet werden, weswegen hier noch einige Hürden zu nehmen sind.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die vertiefte gemeinsame Zusammenarbeit schon ohne eine Europa-Armee ein erhebliches Potenzial hat, welches es zu nutzen gilt.

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