Green Deal: Neuanfang für europäische Klimapolitik?

, von  Juliane Miller

Green Deal: Neuanfang für europäische Klimapolitik?
Der europäische Green Deal soll innerhalb der ersten 100 Tage nach Antritt der neuen EU-Kommission vorgelegt werden. Bild: Flickr / European Parliament / CC BY 2.0 Bildbearbeitung: Anja Meunier

Es kann wahrlich nicht gesagt werden, dass bei der Wahl Ursula von der Leyens zur Kommissionspräsidentin politische Inhalte im Vordergrund standen. Wenn die neue Kommission im Dezember 2019 ihre Arbeit aufnimmt, könnte es jedoch schnell zu einigen tiefgreifenden Veränderungen kommen - sofern es von der Leyen glückt, ihr Programm durchzusetzen. Schließlich hatte Sie im Rahmen eines „European Green Deals” die Klimaneutralität Europas bis 2050 zur Priorität erklärt. Doch worum geht es eigentlich dabei?

Beim Kartenspielen verspricht ein „new deal”, dass die Karten neu gemischt werden und jede*r die Chance auf einen Neuanfang hat. So war es in den dreißiger Jahren, als der US-Präsident Franklin D. Roosevelt als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise ein umfassendes Wirtschafts- und Sozialprogramm vorstellte, welches allgemein als erfolgreich betrachtet wird.

Ähnlich tiefgreifende Veränderung erhofft man sich wohl auch von einem Green Deal - eine Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien, und damit das Entstehen von Arbeitsplätzen in „grünen“ Industrien. In ihrer Bewerbung versprach von der Leyen, nach ihrem Amtsantritt am 1. Dezember innerhalb von 100 Tagen ein Konzept für den European Green Deal vorzulegen. Das heißt, der Countdown läuft seit vergangenem Sonntag - was können wir erwarten?

Klimaneutralität bis 2050

Von der Leyen möchte bis 2030 die EU-weiten Emissionen um 50 bis 55 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren. Im Rahmen der NDCs (Nationally Determined Contributions) des Pariser Klimaabkommens hatte sich die EU lediglich zu Reduktionen um 40 Prozent im gleichen Zeitraum verpflichtet.

Seit 1990, also innerhalb von fast dreißig Jahren, hat die EU ihren Klimaausstoß um 22 Prozent reduziert - bei einem gleichzeitigen Wirtschaftswachstum von 58 Prozent, wie der Vizekommissionspräsident Frans Timmermans im Hinblick auf Sorgen der Wirtschaft bemerkte.

Über dieses Zwischenziel hinaus soll Europa bis 2050 dann komplett klima-neutral werden. Das soll wiederum in einem „Europäischen Klimagesetz“ festgeschrieben werden, dem alle Mitgliedsstaaten der EU verpflichten wären. Näheres zum Inhalt dieses Gesetzes - ob Verordnung oder Richtlinie - ist noch nicht bekannt. Allerdings soll ein Vorschlag innerhalb von 100 Tage, das heißt bis März, vorliegen.

Einen Plan hinsichtlich der geplanten Reduktionen um 50 Prozent möchte die Kommissionspräsidentin bis spätestens 2021 vorlegen. Was dieser Plan beinhalten könnte hat von der Leyen bereits angedeutet – und wird im Folgenden vorgestellt.

Reform des Emissionshandels

Seit 2005 besteht das European Union Emissions Trading System (EU ETS). Bisher sind allerdings die Bereiche Verkehr, Schifffahrt und Gebäude nicht erfasst. Wenn es nach der neuen Kommissionspräsidentin geht, wird das Programm auf den Schiffahrtssektor, Verkehr und die Bauindustrie ausgeweitet. Auch die Freibeträge für die Luftfahrt sollen nach und nach reduziert werden.

Zwar sind sowohl der gewerbliche als auch der nicht gewerbliche Luftverkehr seit 2012 Teil des ETS und sie müssen für jede emittierte Tonne CO2 eine Emissionsberechtigung abgeben, allerdings gelten noch bis 2023 einige Ausnahmeregelungen. Vor allem werden Flüge von oder zu Orten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) noch nicht miteinbezogen.

Einführung einer CO2-Grenzsteuer

Mit einer Verschärfung von EU-Regeln zum Ausstoß von Treibhausgasen in der Industrie wie durch die Ausweitung des ETS steigt die Gefahr von sogenanntem „carbon leakage“. Das heißt, dass CO2-intensive Industrien ihren Betrieb ins Ausland verlagern. Um dies zu verhindern schlägt die Kommissionspräsidentin eine CO2-Steuer (Carbon Border Tax) vor, die bei der Einfuhr in die EU erhoben wird. Damit könnte auch anderen Staaten Druck gemacht werden, ihre Klimaziele zu verschärfen. Herausforderung wird jedoch sein, die Steuer so zu gestalten, dass sie nicht WTO-Regelungen zum freien Handel widerspricht.

Fokus auf die Kreislaufwirtschaft

Die meisten Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) sollen allerdings über eine Verbesserung der Kreislaufwirtschaft eingespart werden - bis zu 50 Prozent der zur Erreichung der Klima-Ziele notwendigen Einsparungen sollen so getätigt werden.

Damit ist die Kreislaufwirtschaft auch die oberste Priorität des European Green Deal, sollen doch mit ihr Arbeitsplätze für Niedrigqualifizierte entstehen, was speziell osteuropäischen Staaten entgegenkommen soll. Tschechien, Polen, Ungarn und Estland hatten sich aus wirtschaftlichen Bedenken zuletzt gegen das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 gestellt. Vor allem eine Einbeziehung von ressourcen-intensiven Industrien wie Textil- und Bauindustrie ist vorgesehen.

Landwirtschaft und Umweltschutz

Da die Biodiversitätsstrategie der Europäischen Union bis 2020 ausläuft, soll eine neue Strategie für den Zeitraum bis 2030 als Teil des Green Deal veröffentlicht werden. Ebenso soll nachhaltige Landwirtschaft durch eine „Farm to Fork Strategie“ (F2F) gefördert werden. Dabei geht es unter anderem um eine Abkehr von Pestiziden und eine Verbesserung von Verbraucherschutzinformationen.

Investitionen für mehr Klimagerechtigkeit

Unter dem Motto „a just transition for all“ („Ein gerechter Übergang für alle“) schlägt Ursula von der Leyen einen europäischen Klimapakt und einen „Just Transition Fund“ vor. Während besonders in Westeuropa viele Bürger*innen Maßnahmen gegen den Klimawandel als politische Priorität sehen, haben Menschen in Osteuropa oft andere Sorgen.

Daher sollen verschiedene Investitionen getätigt werden, um auch wirtschaftlich schwächeren Staaten Klimamaßnahmen zu ermöglichen. Der Just Transition Fund wurde vom EU-Parlament initiiert und wird derzeit von der Kommission ausgearbeitet, wobei sein genauer Umfang noch nicht feststeht. Darüber hinaus soll ein „Sustainable Europe Investment Plan“ €1 Milliarde an Mitteln für nachhaltige Investitionen in der ganzen EU bereitstellen.

Ein Europäischer Klimapakt soll verschiedene Akteure aus Industrie, Zivilgesellschaft, Schulen, Gemeinden und den Regionen zusammenbringen, um gemeinsam Versprechen zur Reduzierung von THG-Emissionen zu erarbeiten.

Der European Green Deal könnte einen wichtigen Impuls für eine effektive Klimapolitik auf europäischer Ebene senden, allerdings ist bis jetzt wenig zur konkreten Umsetzung bekannt. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob die anvisierten Maßnahmen auch dem politischen Druck in Brüssel standhalten können.

Ihr Kommentar
Wer sind Sie?

Um Ihren Avatar hier anzeigen zu lassen, registrieren Sie sich erst hier gravatar.com (kostenlos und einfach). Vergessen Sie nicht, hier Ihre E-Mail-Adresse einzutragen.

Hinterlassen Sie Ihren Kommentar hier.

Dieses Feld akzeptiert SPIP-Abkürzungen {{gras}} {italique} -*liste [texte->url] <quote> <code> et le code HTML <q> <del> <ins>. Absätze anlegen mit Leerzeilen.

Kommentare verfolgen: RSS 2.0 | Atom