Clara Helming von abgeordnetenwatch.de im Interview

Für eine transparente Politik

, von  Marcel Kurzawiak

Für eine transparente Politik
Foto: Pixabay / sweetlouise / Pixabay Lizenz Bei abgeordnetenwatch.de wird ganz genau hingeschaut, was deutsche Politiker*innen in den Parlamenten so machen.

abgeordnetenwatch.de setzt sich für transparente Politik ein. „Bürger*innen fragen – Politiker*innen antworten“ ist das Motto der Plattform. Mit ihrem Frageportal möchte abgeordnetenwatch.de mehr öffentlichen Dialog schaffen. Clara Helming ist seit letztem Jahr Campaignerin bei abgeordnetenwatch.de. Mit ihr hat treffpunkteuropa.de über aktuelle Herausforderungen, Deutschland im europäischen Transparenz-Vergleich und die nächsten nötigen Schritte gesprochen.

Treffpunkteuropa.de: Wann hast du dich das letzte Mal über deutsche Politiker*innen aufgeregt?

Clara Helming: In der letzten Legislaturperiode gab es so viele Skandale, dass ich kurz nachdenken muss (überlegt). Am meisten haben wir uns über die Maskenaffäre aufgeregt, als Politik*innen die Coronasituation ausgenutzt hatten, um sich primär persönlich zu bereichern.

Was ist abgeordnetenwatch.de?

abgeordnetenwatch.de ist eine Internetplattform, die es jetzt seit 17 Jahren gibt. Wir machen es den Bürger*innen leichter, herauszufinden welche Landtagsabgeordnete, Bundestagsabgeordnete oder Europaabgeordnete sie vertreten. Auf unserer Plattform können an die jeweiligen Politiker*innen Fragen gestellt werden.

Außerdem hat sich unsere Plattform mit den Bereichen Recherchen und Kampagnen erweitert. Die Rechercheabteilung arbeitet investigativ zu Themen wie Lobbyismus, Transparenz oder Korruption und Parteispenden. Die Kampagnenabteilung, in der ich arbeite, stellt Forderungen in den Bereichen Lobbyismus, Transparenz und Abgeordnetenbestechung auf und organisiert dafür Unterstützung aus der Bevölkerung.



Clara Helming vor dem Deutschen Bundestag, den sie und ihre Mitarbeiterinnen genau unter die Lupe nehmen. (Foto: Bereitgestellt durch Clara Helming)


Was sind deine Aufgaben bei abgeordnetenwatch.de?

Ich bin seit letztem Jahr bei abgeordnetenwatch.de tätig. In meiner Funktion koordiniere ich unsere Kampagnen. Meine Aufgabe ist es, Forderungen an die Politik zu stellen und ihnen Handlungsmöglichkeiten mitzugeben. Außerdem starte ich zusammen mit meinen Kolleg*innen Petitionen, denen sich unsere Unterstützer:innen anschließen können. Aktuell ist das beispielsweise die Petition für eine Verschärfung der Abgeordnetenbestechung, der sich bisher fast 150.000 Bürger*innen angeschlossen haben.

Welchen Herausforderungen begegnet ihr in eurer Arbeit?

Bei unseren Themen Lobbykontrolle, Transparenz und Informationsfreiheit gab es sehr lange Blockaden von Seiten der Politik. Viele Abgeordnete fordern in öffentlichen Statements gerne Transparenz, aber wenn es um konkrete Regeln geht, die ihre eigene Arbeit betreffen, sind viele dann doch zögerlich.

Gibt es Initiativen wie abgeordnetenwatch.de auch in anderen europäischen Staaten?

Es gibt andere sogenannte “Parliamentary Monitoring”-Gruppen, die die Arbeit ihrer jeweiligen Landesparlamente genau beobachten. In Griechenland ist das beispielsweise Vouliwatch. Für Transparenz in der Politik setzt sich in vielen Ländern Transparency International ein. Auf EU-Ebene gibt es ebenfalls einige Transparenz-Organisationen, zum Beispiel der Corporate Europe Observatory (CEO).

Kannst du den Leser*innen erklären was ein Lobbyregister ist?

Ein Lobbyregister soll den Einfluss von Lobbyist:innen auf die Politik sichtbar machen. Das deutsche Register ist seit Januar 2022 unter www.lobbyregister.bundestag.de öffentlich einsehbar. Bevor Lobbyist*innen mit Politiker*innen Kontakt aufnehmen, um Ihre Interessen vorzubringen, müssen sie sich im Register eintragen. Tun sie dies nicht, droht eine Geldstrafe.

Im internationalen Vergleich schneidet das deutsche Lobbyregister aber nicht besonders gut ab. Eigentlich sollte ein gutes Lobbyregister aufzeigen, wer mit wem über was redet. Das deutsche Lobbyregister zeigt uns aber nur wer lobbyiert, also wer die Lobbyist*innen sind. Sie müssen aber nicht angeben, was ihre Anliegen sind oder welche Politiker*innen sie kontaktieren. Deswegen ist das Lobbyregister leider nicht viel mehr als eine Namens- bzw. Firmenliste.



Wie weit ist Deutschland im Vergleich zu den europäischen Ländern im Bereich transparenten Lobbyismus?

Andere Länder sind schon weiter als Deutschland. Auf der EU-Ebene ist es immerhin so, dass Lobbytreffen veröffentlicht werden müssen. Dies gilt für die jeweiligen Kommissionsmitglieder und für die Abgeordneten in Führungspositionen. In Frankreich ist für die Bürger*innen leicht einsehbar über welche Themen die Abgeordneten lobbyieren. In Großbritannien gibt es eine*n Lobbybeauftragte*n, die*der die Lobbyaktivitäten der Abgeordneten kontrolliert und bei Bedarf konkreter nachforscht.



Motiv-Plakat von abgeordnetenwatch.de (Foto: abgeordnetenwatch.de / Bereitgestellt)




Was kann sich Deutschland beim Thema Lobbying von anderen Ländern in Europa abschauen?

Vor allem fallen mir zwei Sachen ein: Zum einen sollte die wichtige Frage beim Lobbyregister behandelt werden: Wer redet mit wem, über was? Zum anderen braucht es eine unabhängige Prüfungsinstanz, die sicherstellt, dass alle Lobbyist*innen sich korrekt eintragen.



Was sind die nächsten drei Schritte, die deutsche Parlamente für mehr Transparenz bereit machen?

Der erste Schritt wäre eine Reform des Registers mit genaueren Angaben anstatt einer bloßen Namensliste.

Danach muss der Strafbestand der Abgeordnetenbestechung reformiert werden. Die im vergangenen Jahr bekannt gewordenen Maskendeals von ehemaligen CSU-Abgeordneten waren nach aktuell geltendem Recht legal, wie das Oberlandesgericht München im vergangenen Herbst bestätigte. Es kann nicht sein, dass Abgeordnete mit solchen Verhalten davon kommen. Hier muss der Bundestag dringend eine Reform voranbringen.

Der dritte Punkt ist das Thema Parteienfinanzierung. Die ist in Deutschland sehr intransparent – auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Österreich ist beispielsweise gerade dabei die Parteispenden-Regulierung zu. Der dortige Rechnungshof soll mehr Einsicht und Kontrolle über die Finanzierung der Parteien erhalten. Für Deutschland wäre eine solche Reform auch wichtig.

Vielen Dank für das Gespräch!

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