Das Jahr 2017 wird das hundertjährige Jubiläum des unabhängigen finnischen Staates sein. Mit Blick auf internationale Rankings kann man sehen, dass es für Finnland viele Gründe gibt, stolz darauf zu sein, was es in den letzten hundert Jahren erreicht hat. Finnlands hoher Standard der Redefreiheit ist einer von ihnen. Trotzdem gibt die bizarre Fehde zwischen Ministerpräsident Juha Sipilä und YLE, dem öffentlich-rechtlichen Sender, Anlass für Besorgnis über den Stand der freien Meinungsäußerung in Finnland.
Hat der Premierminister die Pressefreiheit bedroht?
Der finnische Ministerpräsident Juha Sipilä (KESK-ALDE) hatte bislang eine komplizierte Beziehung zu den Medien während seiner Amtszeit als Premierminister. Als ehemaliger Geschäftsmann hat Sipilä nicht so viel Zeit in der Öffentlichkeit verbracht wie die meisten anderen führenden Politiker, was wohl zu dieser angespannten Beziehung beiträgt.
Der unternehmerische Background des Premierministers spielte eine zentrale Rolle im Showdown zwischen ihm und YLE. Sipilä kritisierte die Berichterstattung von YLE über öffentliche Mittel für Unternehmen, in denen der Premierminister möglicherweise ein persönliches finanzielles Interesse haben könnte. Er argumentierte, dass ihm keine Gelegenheit gegeben wurde, seinen Standpunkt zu verteidigen, bevor die Artikel zum Thema veröffentlicht worden seien. Sipilä leitete Hassmails von Bürgern an ihn weiter zum Rundfunksender, um zu belegen, was die Effekte von voreingenommenen Journalismus sein können. Schließlich gab er bekannt, dass er „null Respekt“ für den Rundfunkveranstalter habe - einen Kommentar, für die er sich später entschuldigen würde.
rechts: Top Ten der Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen
Der öffentliche Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten. Es wurde behauptet, der Ministerpräsident sei bemüht gewesen den öffentlich-rechtlichen Sender von negativer Berichterstattung über ihn abzuhalten und so gegen das Prinzip der Pressefreiheit zu verstoßen. Darüber hinaus hätten einige YLE-Journalisten Berichten zufolge schriftliche Mitteilungen erhalten, die Konsequenzen androhten für den Fall, dass weiter über die Korruptionsvorwürfe berichtet würden. Zwei Journalisten, von denen einer einen hochrangigen Posten in der YLE-Redaktion hielt, traten zurück. Sowohl der Chefredakteur der YLE-Nachrichtenredaktion als auch der Premierminister verweigerten jegliche Anschuldigungen, die besagten, dass sie versucht hätten, die Pressefreiheit zu untergraben.
Aus der Abfolge der Ereignisse kann entnommen werden, dass der Premierminister auf Fragen im Zusammenhang mit Interessenskonflikten empfindlich reagiert. Auch Vorwürfe der voreingenommenen Berichterstattung und Unterdrückung einiger einschlägiger Geschichten stellen einen Schlag gegen das internationale Renommee von Finnland dar - dem Land, das konsequent auf Platz Eins der Weltrangliste im Pressefreiheitsindex von Reportern ohne Grenzen rangierte.
Ein Aufschrei ist besser als Stille
Bei Kenntnis der Abfolge der Vorkommnisse denkt man als geneigter Leser wohl kaum automatisch an den Weltbesten beim Thema Pressefreiheit. Allerdings gibt es auch Gründe zu glauben, dass die Situation nicht allzu alarmierend ist.
Wie bei der Demokratie ist die freie Meinungsäußerung am besten geschützt, wenn Bedrohungen sofort erkannt und öffentlich kritisiert werden. Der Zwischenfall zwischen dem Premierminister und dem öffentlich-rechtlichen Sender beherrschte die Schlagzeilen tagelang, nicht zuletzt auf der Website von YLE selbst. Wenn das nicht der Fall gewesen wäre und es keine öffentliche Debatte gegeben hätte, wäre das besorgniserregend gewesen.
Neben der Schlacht über die Berichterstattung von YLE über den Premierminister wurde in letzter Zeit eine weitere potenzielle Bedrohung für die Redefreiheit in Finnland berichtet. Die finnischen Streitkräfte sind aktuell dabei die Regeln, die für ihre Berufssoldaten gelten, zu aktualisieren. Die Anweisungen umfassen alle Aspekte eines Soldatenlebens, so zum Beispiel wie man sich bei verschiedenen Gelegenheiten anziehen sollte. Der Punkt, der in den Medien Aufmerksamkeit erlangte, war das Recht des Soldaten sich am politischen Leben mit einzubringen. Laut dem Dokument sollte ein professioneller Soldat sich nicht in parteipolitische Debatten einmischen. 1999 hielt das Parlament eine ähnliche Beschränkung für zu vage, zu weitreichend, als verfassungswidrig und entgegen der internationalen Menschenrechtsverpflichtungen des Landes. Die finnische Offiziersvereinigung kritisierte die nun diskutierte Beschränkung. Das Parlament diskutiert derzeit das Thema.
Die Redefreiheit der Soldaten ist ein weiteres Beispiel für ein mögliches Problem, das in die öffentliche Diskussion gebracht und nicht unter den Teppich gekehrt werden sollte. Keine Gesellschaft kann Probleme und Feindseligkeiten vermeiden - was eine Gesellschaft groß macht, ist ihre Fähigkeit, auftretende Probleme anzugehen, bevor sie sich zu Bedrohungen ihrer Leitwerte entwickeln. Es bleibt abzuwarten, ob Finnland sein hundertjähriges Jubiläum an der Spitze internationaler Ranglisten behauptet. Egal wie: aktuell kann man nicht behaupten, dass in Finnland etwas im Bereich Meinungsfreiheit etwas grundlegend falsch läuft. Freie Rede wird ernst genommen in Finnland, wie es sein sollte in einem Land, das bestrebt ist, in dieser Disziplin das beste der Welt zu sein.
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